NSU-Prozess

Das Staatsversagen

NSU-Prozess Das Staatsversagen

Stand: 19.04.2014

Symbolbild: geschredderte Akten | Bild: picture-alliance/dpa, Montage: BR

Bei der Aufklärung der zehn Morde und der Bombenanschläge versteiften sich die Ermittler auf ihre These von der organisierten Kriminalität. Der Verfassungsschutz unterschätzte die Gefahr des Rechtsterrorismus. Der Staat hat versagt.

Obwohl die meisten Opfer Migranten waren, wurden Hinweise auf ausländerfeindliche Hintergründe ignoriert. Nach dem Auffliegen des rechten Terror-Trios stellt sich deshalb die Frage, ob die Ermittlungsbehörden auf dem "rechten Auge blind" waren, wie Semiya Simsek, die Tochter des ersten Mordopfers es ausdrückt.

Fehlendes Bekennerschreiben

Bis heute rechtfertigen sich die Ermittler mit dem Fehlen eines Bekennerschreibens. Das tauchte erst 2011 nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auf - in Form des "Paulchen Panther"-Videos. Doch schon beim Untertauchen der drei Jenaer Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe begingen Polizei und Verfassungsschutz 1998 große Fehler. Obwohl die drei aus dem radikalen Neonazi-Netzwerk "Thüringer Heimatschutz" hervorgingen und bereits mit dem Bau von Bomben begonnen hatten, wurde ihre Gewaltbereitschaft nicht ernst genug genommen.

Viele offene Fragen

Bis heute ist es kaum nachzuvollziehen, wie drei untergetauchte Neonazis über ein Jahrzehnt lang unerkannt in Chemnitz leben, mit Nachbarn freundschaftliche Kontakte pflegen und gleichzeitig zehn Morde, und mindestens zwei Bombenanschläge und zahlreiche Banküberfälle begehen konnten, ohne entdeckt zu werden.

Mehr als eine Pannenserie

Schredder | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel NSU-Prozess Das Versagen der Behörden

Geschredderte Akten, missglückte Razzien, schlafmützige Behörden, mangelhafte Kommunikation - die Liste der Versäumnisse der Behörden gleicht einem Panoptikum der Stümperei. Dazu gibt es auch noch Verwirrung um einen angeblichen V-Mann aus Franken. [mehr]

Parallel begingen die Ermittler bei der Aufklärung der Mordserie an neun Migranten und einer Polizistin eklatante Fehler, genau wie bei den Ermittlungen zum Bombenanschlag in der vor allem von Türken und Kurden bewohnten Kölner Keupstraße. Obwohl Zeugen hier genauso wie bei einigen Morden zwei Radfahrer beobachtet hatten, wurde dieser Spur nur unzureichend nachgegangen. Als ein Profiler der bayerischen Polizei im Jahr 2006 die These eines rechtsextremistischen Hintergrunds entwickelte, landete diese These schnell in der Schublade und fand keine weitere Beachtung. Für Empörung bei den Opfern sorgte die Nachricht, dass nach dem Auffliegen des NSU wichtige Akten des Verfassungsschutzes in einem Schredder vernichtet und so dem Zugriff der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse entzogen wurden.