NSU-Prozess

Die Opfer

NSU-Prozess Die Opfer

Stand: 19.04.2014

 Ismail Yozgat, Vater des NSU-Opfers Halit | Bild: picture-alliance/dpa, Montage: BR

Zehn Menschen wurden kaltblütig erschossen, bei zwei Bombenanschlägen gab es über zwanzig zum Teil schwer Verletzte. Jahrelang waren die meist türkischstämmigen Opferfamilien falschen Verdächtigungen durch die Polizei ausgesetzt.

Die Opfer wurden Opfer in zweifacher Hinsicht: Die mutmaßlichen Rechtsterroristen des NSU erschossen neun Kleingewerbetreibende - acht türkisch- und einen griechischstämmigen. Das zehnte Opfer war eine junge Polizistin aus Thüringen. Bei zwei Bombenanschlägen in Köln wurden außerdem mehr als 20 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Jahrelang vermutete die Polizei, dass die Opfer in kriminelle Machenschaften verstrickt gewesen und sie deshalb Opfer der türkischen Mafia geworden seien.

Zeitstrahl: Die zehn dem NSU zugeschriebenen Morde

Aus Opfern werden Kläger

Die Opferfamilien waren diesen falschen Verdächtigungen hilflos ausgesetzt. Erst jetzt haben sie die Chance, ihre Ohnmacht zu überwinden. Über 90 Nebenkläger werden im NSU-Prozess von über 60 Anwälten vertreten. Es sind die nächsten Angehörigen der zehn Mordopfer sowie die Verletzten aus den verheerenden Bombenanschlägen in Köln. Viele leiden bis heute unter den Folgen der Verbrechen.

Das Motiv war Ausländerhass

Die Morde des NSU glichen Hinrichtungen. Den Opfern wurde aus nächster Nähe ins Gesicht oder den Kopf geschossen. Anschließend fotografierten die Täter die sterbenden Opfer und verarbeiteten die Bilder in dem sogenannten "Paulchen Panther"-Video zu einem zynischen Comic, das nach dem Tod der beiden mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an die Presse und einige türkische Vereine verschickt wurde. Das Motiv war Ausländerhass.

"Institutioneller Rassismus"

Umgang mit Angehörigen

Illustration: Verhör-Situation | Bild: BR, tmm ideas and graphic solutions, Montage: BR zum Artikel Opfer-Hinterbliebene Der zweite Schock nach dem Verlust

Falsche Verdächtigungen, unsensible Verhöre - Angehörige der NSU-Opfer mussten nicht nur deren Tod verkraften, sondern auch den rüden Zugriff der Behörden. [mehr]

Nach den Taten folgten für die Angehörigen schreckliche Jahre. Zum Verlust des Ehemannes, Vaters oder Bruders kam die Ungewissheit, wer hinter der Mordserie stecken könnte. Die Polizei ermittelte vor allem in Richtung Organisierte Kriminalität und vermutete in vielen Fällen die türkische Mafia hinter den Morden, da neun der zehn Morde mit derselben Ceska-Pistole begangen wurden und die meisten Opfer Türken waren. Dass die Täter immer in türkischen Kreisen vermutet wurden, und auch die Opfer posthum kriminalisiert wurden, bezeichnen Nebenkläger-Anwälte als "institutionellen Rassismus".

Hohe Erwartungen an den NSU-Prozess

Einige Angehörige berichten heute, dass sie die Polizei auch immer auf einen möglichen ausländerfeindlichen Hintergrund hingewiesen hatten. Doch in diese Richtung wurde nie ernsthaft ermittelt. Vom Prozess erwarten sich die Opferfamilien nun die volle Aufklärung der Taten. Doch sie wollen nicht nur Beate Zschäpe und die anderen vier Angeklagten verurteilt sehen; sie wollen auch erforschen, ob es vor Ort lokale Unterstützer gab und welche Rolle die Ermittlungsbehörden spielten. Nicht zuletzt erhoffen sich die Nebenkläger die öffentliche Rehabilitierung ihrer Familien.

Autorin: Ina Krauß