NSU-Prozess


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173. Tag im NSU-Prozess Die Bombe, die töten sollte

Vor knapp elf Jahren verletzte eine Nagelbombe in Köln zahlreiche Menschen. Nun ist die Tat Thema im NSU-Prozess. Auch hier sind noch viele Fragen offen.

Von: Tim Aßmann

Stand: 12.01.2015 | Archiv

Bilder vom Tatort und von Asservaten beherrschten den ersten Tag der Beweisaufnahme zum Anschlag in der Kölner Keupstraße, begleitet von nüchternen Erklärungen eines Ermittlers. Die Fotos machten die enorme Zerstörungskraft der Nagelbombe deutlich, die die Attentäter, deponiert auf einem Fahrradgepäckträger, vor einem Friseursalon abgestellt hatten und fernzündeten. Mehr als 700 Nägel wurden später gefunden, angetrieben durch fünf Kilo Sprengstoff hatten die Geschosse eine solche Wucht, dass sie sich in Hauswände und geparkte Autos bohrten. "Wenn man sich da die Polizeibeamten anhört, die sagen, das sogar an dem Fahrrad spezielle Haltvorrichtungen angebracht worden sind, damit da einfach das Gewicht der Bombe und der Koffer da entsprechend gesichert werden können, damit das Fahrrad nicht umfällt, dann stellt man fest, dass das unglaubliche Organisation gewesen sein muss, die da dahinter steckt", betonte der Kölner Rechtsanwalt Mustafa Kaplan. Er arbeitete damals unweit des Tatortes und vertritt nun im Prozess eines Opfer.

Ziel des Anschlags: Größtmöglicher Schaden

Splitter der Bombe flogen bis zu 250 Meter weit und wurden sogar in den Gärten hinter den vier- bis fünfstöckigen Häusern gefunden. Mindestens 22 Menschen wurden durch die Bombe teils lebensgefährlich verletzt. Dass damals am 9. Juni 2004 niemand starb, kommt einem Wunder gleich. Die Täter jedenfalls wollten morden. Davon ist auch Opferanwalt Kaplan überzeugt: "Das ist eigentlich ziemlich klar. Es sollten Leute durch die umherfliegenden Metallstücke und Zimmermannsnägel, die ja mehrere hundert gewesen sind, ganz klar getötet werden. Es ist auch nicht so, dass nur ein, zwei Leute verletzt oder getötet werden sollten, sondern es sollte der größtmögliche Schaden an den in der Keupstraße lebenden Menschen verursacht werden." Das Haus, vor dem der Sprengsatz detonierte, wurde entglast. Splitter flogen durch den Friseursalon. Die Bombe verwüstete das Geschäft völlig. Alleine auf dem Gehweg vor dem Salon lagen 120 der zehn Zentimeter langen Zimmermannsnägel.

Neonazis nicht im Visier der Ermittler

Die Keupstraße wird überwiegend von Migranten bewohnt. Neonazis gerieten dennoch nicht in den Fokus der Ermittler. Auch nicht, als nach dem Mord an einem Nürnberger Imbissbesitzer eine Zeugin dort zwei Männer mit Fahrrädern sah und sie auf Bildern einer Überwachungskamera aus der Keupstraße wieder erkannte. Heute gehen die Ermittler davon aus, dass Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Bombenleger in Köln waren. Anwalt Eberhard Reinecke vertritt im Prozess einige der Opfer aus der Keupstraße und er will in den nächsten Wochen Fragen zu den Ermittlungen stellen: "Es gibt aus meiner Sicht vor allen Dingen die Frage, warum man, nachdem es ne Reihe von Hinweisen gegeben hat, dass die Täter in Nürnberg und die Täter in Köln dieselben sind, man also ne Verbindung gezogen hatte, dass das tatsächlich dann torpediert worden ist, weitere Analysen auf diesem Gebiet praktisch polizeilich ausgeschlossen worden sind und das wäre für uns sehr wichtig, wer dafür tatsächlich ganz konkret die Verantwortung trägt, dass dieser Spur nicht nachgegangen wurde", sagt Reinecke.

Opfer bald im Zeugenstand

Es sind Fragen wie diese, die die zahlreichen Opfer des Anschlags, die nun im Prozess als Nebenkläger auftreten, umtreiben. Ab dem nächsten Dienstag sollen die Opfer zu Wort kommen im Gerichtssaal A 101 und schildern was die Tat aus ihnen machte, denn auch in der Keupstraße gerieten die Opfer ins Visier der Ermittler. Das Gericht hat für die Opferaussagen meist jeweils nur zehn bis zwanzig  Minuten eingeplant. Ob das reicht, ist fraglich. Insgesamt wird die Beweisaufnahme zur Keupstraße wohl mehrere Monate dauern.


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