NSU-Prozess


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433. Verhandlungstag, 19.6.2018 Zwischen Korinth und Konfuzius

Am zweiten Tag ihres Plädoyers verirrt sich Zschäpes Pflichtverteidigerin teils im Kleinteiligen und erinnert das Gericht mit einem Zitat an seine Verpflichtung zur Wahrheit.

Von: Tim Aßmann

Stand: 19.06.2018 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR/Tim Aßmann

19 Juni

Dienstag, 19. Juni 2018

Der 433. Verhandlungstag im NSU-Prozess war eigentlich ein sehr typischer. Den Zuhörern auf der Saal-Tribüne und den Prozessbeteiligten wurde, einmal mehr, viel Geduld abverlangt. Beate Zschäpes Pflichtverteidigerin Anja Sturm setzte ihren Schlussvortrag fort und ging ins Detail. Die Juristin nahm sich zahlreiche Zeugenaussagen aus rund fünf Jahren Terrorismus-Prozess vor und versuchte so, den Beleg zu führen, dass ihre Mandantin eher politisch verführte Mitläuferin als gleichberechtigtes Mitglied einer Terrorzelle war. Verteidigerin Sturm griff selektiv zahllose Zitate aus Aussagen raus, warf Gericht und Bundesanwaltschaft vor, suggestiv gefragt und voreingenommen gearbeitet zu haben und zeichnete das Bild einer fremdbestimmten Frau, die sich aus emotionaler Abhängigkeit heraus, zwei Männern quasi unterwarf und deren Tun nicht hinterfragte. 

Einmal mehr: Wer ist Zschäpe?

Sturms Ausführungen gerieten dabei selbst für den detail-bewussten Zuhörer sehr kleinteilig und warfen teils die Frage nach dem Zusammenhang zu den angeklagten Taten auf. Es gelang der Juristin aber aufzuzeigen, wie viel Raum für Interpretationen auch nach fünf Jahren Prozess noch da ist, wenn es um die genaue Rolle der Hauptangeklagten geht. Anja Sturm versuchte Zweifel zu säen - am Bild der kaltblütigen Neonazi-Terroristin, das die Bundesanwaltschaft gezeichnet hat. Das Plädoyer von Verteidigerin Sturm ist noch nicht zu Ende. Am Schluss des heutigen Tages wandte sich die Juristin an das Gericht, dem sie vorwarf im bisherigen Verlauf des Prozesses Fehler gemacht zu haben. Sturm zitierte Konfuzius und sagte an die Adresse des Senats: "Wer einen Fehler nicht korrigiert, macht einen weiteren." Beate Zschäpe hörte zu und wirkte dabei eher gelangweilt.


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