NSU-Prozess


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429. Verhandlungstag, 6.6.2018 Wie Beate Zschäpe ihren Unterschlupf abfackelte und Neonazis im Gerichtssaal provozieren

Wolfgang Heer widmet sich in seinem Plädoyer im NSU-Prozess vor allem dem Brand in der Zwickauer Frühlingsstraße. Er erreicht damit immerhin die Aufmerksamkeit von Beate Zschäpe, andere sind eher abgelenkt. Journalisten werden auf der Pressetribüne von Neonazis bedrängt und auf der Anklagebank knutscht der Angeklagte André E. mit seiner Frau Susann.

Von: Ina Krauss

Stand: 06.06.2018 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

06 Juni

Mittwoch, 06. Juni 2018

Susann E. darf als Beistand neben ihrem in U-Haft sitzenden Ehemann auf der Anklagebank Platz nehmen. André E. ist unter anderem wegen Beihilfe zu Mord im NSU-Prozess angeklagt und bekennender Nationalsozialist. An seiner Gesinnung besteht kein Zweifel. Er trägt sie durch zahlreiche Tatoos zur Schau, die er im Gerichtssaal allerdings durch ein langärmliges und hochgeschlossenes Shirt bedecken muss.

Provokationen von rechts

Anders ist das bei einem stark tätowierten Neonazi auf der Zuschauertribüne. Der Mann trägt ein T-Shirt und zeigt am Ellbogen ein bei Neonazis beliebtes Symbol, die schwarze Sonne der SS. Der Mann gehört zu einem Trio rund um den verurteilten Münchner Rechtsterroristen Karl-Heinz Statzberger, das heute den Prozess besuchte und ausgesprochen provokant auftrat. Die drei Männer versuchten Journalisten auf der Pressetribüne buchstäblich auf den Leib zu rücken. Sie schauten Kollegen demonstrativ über die Schulter und stierten in die aufgeklappten Laptops; stellten sich so nah hinter Journalisten, dass sie diese fast berührten. Immerhin musste der tätowierte Blondschopf nach der Mittagspause das Nazisymbol auf seinem Ellbogen mit einem großen Pflaster überkleben. Politische Symbole sind im Gerichtssaal verboten.

Zu Beginn des NSU-Prozesses übten sich Neonazis eher in Zurückhaltung. Inzwischen ist zu beobachten, dass sie immer selbstbewusster auftreten. Der inhaftierte André E. winkt den Szene-Freunden fröhlich lachend zu und in Verhandlungspausen werden von der Zuschauertribüne Herzen auf die Anklagebank geschickt.

Dass dann auch noch der Angeklagte André E. während des Plädoyers von Wolfgang Heer anfängt, mit seiner Frau zu knutschen, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Zur Erinnerung: Es geht hier um zehn Morde und zwei verheerende Bombenattentate mit zahlreichen Verletzten. Allerdings wirkt die Romanze auf der Anklagebank reichlich zur Schau gestellt und ziemlich peinlich. Denn der Spaß dürfte André E. bald vergehen. Geht es nach der Bundesanwaltschaft, wandert André E. für über ein Jahrzehnt ins Gefängnis.

Was über diesen Ereignissen fast unterging,  war das Plädoyer von Rechtsanwalt Wolfgang Heer - dem Anwalt, der Beate Zschäpe von Anfang an vertritt, mit dem sie sich aber vor drei Jahren überworfen hat. Heute betrachtete sie ihn über lange Strecken aufmerksam. Bemerkenswert – denn in den letzten Monaten und Jahren hatte sie Wolfgang Heer und ihre anderen Altverteidiger wie Luft behandelt.

Altverteidiger: Zschäpe nur der einfachen Brandstiftung schuldig

Heer widmete sich in seinem Plädoyer heute ausschließlich dem 4.11.2011, dem Tag, an dem sich der NSU durch den Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt selbst enttarnte und Beate Zschäpe ihren letzten Unterschlupf in der Zwickauer Frühlingsstraße in die Luft jagte. Sie rettete ihre Katzen vor dem Feuer, gefährdete aber das Leben einiger Menschen schwer. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt sie der schweren Brandstiftung und des versuchten Mordes. Wolfgang Heer sieht nur eine einfache Brandstiftung. Seine Version: Zschäpe wollte nur ein Versprechen einlösen, das sie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gegeben hatte. Sie sollte nach deren Tod der beiden die Wohnung abfackeln, um Beweise zu vernichten und Unterstützter zu schützen. Sie sei hektisch und unüberlegt vorgegangen, habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden und hätte nicht vorhersehen können, dass nach dem Verschütten von zehn Liter Benzin fast das ganze Haus in die Luft fliegen würde.

Und dann überraschte Heer auch noch mit einem neuen Beweisantrag. Er will die Bausubstanz in der Zwickauer Frühlingsstraße noch einmal begutachten lassen – und zwar anhand eines Pressefotos. Das Haus selbst wurde längst abgerissen. Höchst fraglich, dass dieser Antrag zu diesem späten Zeitpunkt noch irgendetwas bewirken könnte.


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