NSU-Prozess


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423. Verhandlungstag, 8.5.2018 Freispruch für Angeklagten mit Nazi-Gesinnung gefordert

Die Ehefrauen zweier mutmaßlicher NSU-Unterstützer sitzen mit auf der Anklagebank, auf der Zuschauerempore hocken zudem rechte Kameraden. Die Verteidiger des Angeklagten André E. beantragen, ihren Mandanten von allen Vorwürfen freizusprechen. Und per Pressemitteilung teilt der Karlsruher Anwalt Daniel Sprafke mit, er habe die erst kürzlich aufgenommene Verteidigung des André E. wieder beendet.

Von: Eckhart Querner

Stand: 08.05.2018 | Archiv

Eckhart Querner | Bild: Julia Meuller

08 Mai

Dienstag, 08. Mai 2018

Beihilfe zum versuchten Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, das sind zwei der Vorwürfe gegen den als Unterstützer des NSU angeklagten André E. Aus Sicht seiner Verteidiger bleibt von den Tatvorwürfen der Bundesanwaltschaft gar nichts übrig: In ihrem heutigen Plädoyer beantragten die Rechtsanwälte Michael Kaiser und Herbert Hedrich für ihren Mandanten Freispruch - teils, weil die Taten verjährt seien, teils weil schlichtweg der Beweis fehle.

Händchen halten mit den Angeklagten

Der in Untersuchungshaft einsitzende André E. hatte heute im Gericht Besuch: von seiner Ehefrau Susann, die mal wieder als Beistand neben ihm auf der Anklagebank sitzen und mit Händchen halten durfte. Und oben auf der Tribüne Besuch von Unterstützern aus der rechten Szene, denen E. zu Beginn zuwinkte. Auch die Ehefrau des Mitangeklagten Ralf Wohlleben war heute als Beistand im Gericht.

Verteidiger Hedrich wollte sein Plädoyer wohl mit einem Paukenschlag beginnen: Als er zu sprechen anfing, war aber niemand im Saal so richtig überrascht, weil es sich sowieso wohl jeder schon längst gedacht hatte: "Unser Mandant ist Nationalsozialist, der mit Haut und Haaren zu seiner politischen Gesinnung steht, auch wenn er sich hier nicht geäußert hat." Prozessbeteiligten wie Medien warf Hedrich eine Vorverurteilung seines Mandanten vor: "Seine Gesinnung scheint für die meisten Prozessbeteiligten und für die Medien als Tatnachweis zu genügen."

"Dünne Beweislage"

Aus Sicht von Hedrich und seines Kollegen Kaiser sind die Beweise der Bundesanwaltschaft dünn: Dass E. sich auf seinem Bauch den antisemitischen Spruch "Die Jew Die" ("Stirb Jude stirb") habe eintätowieren lassen, beweise nichts außer seine rechtsextreme Gesinnung. Auch ein bei Strafprozessen beliebtes dramaturgisches Mittel wurde heute herangezogen: der Verweis auf den eineiigen Zwilling des Angeklagten. Es gebe keinen Nachweis, behaupteten die Verteidiger, dass die Anmietung eines möglichen Tatfahrzeugs durch André E. erfolgte, oder vielleicht durch seinen eineiigen Zwillingsbruder Maik.

Tag der Befreiung

Der 8. Mai: Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus im Jahr 1945. Ob sich der Karlsruher Rechtsanwalt Daniel Sprafke für seinen Schritt eigens diesen Tag ausgesucht hatte? Erst vor wenigen Wochen hatte André E. den Anwalt als dritten Verteidiger verpflichtet. Sprafke kündigte sofort Beweisanträge an, wollte neue Zeugen laden, und nicht wenige Prozessbeteiligten fürchteten erhebliche Verzögerungen des seit fünf Jahren laufenden Verfahrens. Heute dann der nicht ganz überraschende Rückzug Sprafkes, es gab offensichtlich Meinungsverschiedenheiten: "Aufgrund sachlich divergierender Ansichten zwischen Verteidiger und Mandant, wie die weitere Verteidigung anzulegen sei, war dieser Schritt geboten", teilte der Strafverteidiger auf seiner Internetseite mit.

Schnelles Ende?

Einem schnellen Ende des längsten Strafverfahrens nach der Wende steht nun offensichtlich nichts mehr entgegen. Das Urteil könnte, wenn nicht doch noch etwas dazwischen kommt, im Juni fallen.


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