NSU-Prozess


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336. Verhandlungstag, 17.1.2017 Zschäpe ist voll schuldfähig

Laut einem Gutachten ist Beate Zschäpe voll schuldfähig. Und auch eine Verurteilung mit anschließender Sicherungsverwahrung scheint nicht ausgeschlossen.

Von: Ina Krauß

Stand: 17.01.2017 | Archiv

Ina Krauß | Bild: BR/Julia Müller

17 Januar

Dienstag, 17. Januar 2017

Für Beate Zschäpe ist das psychiatrische Gutachten vernichtend. Der Sachverständige Henning Saß beschreibt sie als emotionsarm und egozentrisch. Eine psychische Erkrankung oder Alkoholabhängigkeit kann er nicht erkennen - eher die Tendenz, die Verantwortung immer auf andere zu schieben und ihre Taten zu bagatellisieren.

Es dauert am 336. Verhandlungstag, bis der renommierte Sachverständige Henning Saß endlich zu Wort kommt. Die Verhandlung wird mehrfach unterbrochen. Der Grund: Die Altverteidiger von Beate Zschäpe fahren ihre letzten Geschütze auf, um die Aussage des Sachverständigen doch noch hinauszuzögern. Zuletzt beantragten sie eine Tonbandaufzeichnung der Gutachter-Aussage. Den Mitschnitt wollten sie einem anderen Sachverständigen vorlegen, der ein „methodenkritisches“ Gutachten anfertigen soll. Das Gericht lehnte die Anträge der Verteidiger ab.

Gutachter muss langsam sprechen

Am Nachmittag ist es dann endlich soweit: Das bereits für Dezember angekündigte Gutachten von Henning Saß wird in den Prozess eingeführt. Der Gutachter wird von Richter Manfred Götzl verpflichtet, langsam zu sprechen, damit Zschäpes Verteidiger mitschreiben können. Auch die komplette Richterbank macht sich eifrig Notizen – das zeigt, wie wichtig die Einschätzungen des Sachverständigen für das Gericht sind.

Henning Saß beschreibt zunächst, auf welche Quellen er sein Gutachten stützt – auf Zeugenaussagen, seine subjektiven Beobachtungen im Gerichtssaal;  er habe reichlich Material obwohl er nicht persönlich mit Beate Zschäpe sprechen konnte. Sie lehnte eine psychiatrische Untersuchung ab. Das sei nicht ungewöhnlich, wenn es um die Frage einer Sicherungsverwahrung gehe, sagt der Gutachter.

Schuldfähig oder nicht?

Henning Saß wurde beauftragt, die Schuldfähigkeit und die Gefährlichkeit von Beate Zschäpe einzuschätzen. Nach Angaben von Prozessbeteiligten kommt er in seinem vorläufigen Gutachten zu dem Schluss, dass Zschäpe voll schuldfähig ist. Und auch eine Verurteilung mit anschließender Sicherungsverwahrung scheint nicht ausgeschlossen.

Es sieht nicht gut aus für Beate Zschäpe

„Vernichtend“ sei das Gutachten für die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, sagt Nebenklage-Anwalt Thomas Bliwier. Saß beschreibt Zschäpe als emotionsarm, egozentrisch und wenig empathisch. Sie neige dazu, „zu externalisieren“ – sprich, sie schiebt die Verantwortung gerne auf andere oder äußere Umstände ab.

Eine Tendenz, die auch in ihren eigenen Einlassungen erkennbar ist. Diese hält Henning Saß aber für wenig glaubwürdig. Die Formulierungen klingen in den Ohren des Gutachters „recht formal“ und es entstehe nicht der Eindruck einer authentischen Auseinandersetzung mit den Taten. Er kann sie in seinem Gutachten also kaum verwerten.

Zschäpes Aussagen, die hauptsächlich von ihren Verteidigern verlesen wurden, stehen im Widerspruch zu zahlreichen Zeugenaussagen, in denen Beate Zschäpe als selbstbewusst und auch gegenüber Männern durchsetzungsstark beschrieben wurde. Seine endgültige Bewertung wird Henning Saß am Mittwoch vortragen.


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