NSU-Prozess


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185. Verhandlungstag, 11.02.2015 "Zum Spaß!"

Der Ton des Zeugen ist forsch. Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe kenne er nicht. Sagen möchte T. ohnehin nichts. Wie bringt man also einen bekennenden Neo-Nazi zum Reden? Richter Manfred Götzl hat ein Meisterstück in Sachen Zeugenbefragung geliefert.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 11.02.2015 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

11 Februar

Mittwoch, 11. Februar 2015

T. macht keinen Hehl aus seinen politischen Anschauungen. Vor dem Münchner Oberlandesgericht erscheint er mit Glatze, schwarzen Springerstiefeln, roten Schuhbändeln, einer schwarzen Bomberjacke, unter der ein T-Shirt mit Reichsadler zu erkennen ist. Den Fotografen und Kameraleuten gibt er vollmundige Anweisungen, dass sein Gesicht nicht unkenntlich gemacht werden müsse. T. ist 40 Jahre alt, lebt in Kassel und erklärt, dass er selbständiger Unternehmer sei. Auf der Tribüne wird gelacht. Nachdem die Formalien abgefragt waren, startet der Zeuge den Versuch, seine Vernehmung zu einem schnellen Ende zu bringen.

Besuch in der JVA

Zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe könne er keine Angaben machen. Die Begründung: "Mir wurde gesagt: Gegen mich wird ermittelt. Also kann ich da nichts sagen." Der Vorsitzende Richter Götzl ließ sich davon wenig beziehungsweise gar nicht beeindrucken, sondern leitete direkt über zu einer Befragung, die das LKA Hessen im Februar 2012, mit ihm in der Justizvollzugsanstalt durchgeführt hatte.

T. hatte sich einige Monate zuvor in einem Brief an die Behörde gewandt und vorgegeben, dass er aus der rechten Szene aussteigen wolle. "Zum Spaß!", wie er heute sagt. Wenige Monate zuvor war die Existenz der rechtsterroristische Vereinigung NSU der Öffentlichkeit bekannt geworden. Der Besuch der Beamten schien dem Zeugen damals nicht in sein Konzept zu passen: "Die wollten wissen, wen ich kenne, ob ich ein Aussteigerprogramm will. Ich habe dazu nichts gesagt. Dann haben sie mir Zeugenschutz angeboten. Da hab ich sie ausgelacht und dann war das Gespräch beendet."

T. widerspricht Protokollen

Götzl hakt nach. "Haben Sie Befürchtungen, dass Sie bei Ihren Freunden an Ansehen verlieren oder fürchten Sie Repressalien, wenn Sie Angaben machen?" Nein, lautet die Antwort. T. gibt an, er rede einfach generell nicht mit der Polizei und eine Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz lehne er ab. Offenbar doch.

Der Richter zitiert Aussagen des Zeugen aus einem früheren Protokoll: "Ich selbst war auch einmal in Zwickau bei einer Feier in einer Garage. Dort habe ich auch Mundlos und Böhnhardt getroffen." Heute kann sich T. nicht erinnern, so etwas gesagt zu haben. In Zwickau war er öfter, um seinen Bruder zu besuchen. Er könne dort aber gar keine Szene-Partys besucht haben, weil sein Bruder nicht Mitglied der Szene war. Dafür, dass der Zeuge überhaupt nicht aussagen wollte, hat er sehr viel gesprochen. Und zwar dank der deeskalierenden Strategie, die Manfred Götzl von Anfang an gewählt hatte. Morgen wird die Befragung fortgesetzt.


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