NSU-Prozess


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184. Verhandlungstag, 10.02.2015 Klare Verhältnisse!

Ein Zeuge, der eine Stunde lang stammelt - und nur das enthüllt, was ihm nützlich erscheint. Und ein Zeuge, der schildert, wie seine Freundin unter den Folgen eines mutmaßlichen NSU-Anschlags leidet - das war der 184. Prozesstag.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 10.02.2015 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

10 Februar

Dienstag, 10. Februar 2015

Ereignisse, an die er sich erinnern müßte, sortiert der Zeuge Enrico R. in die Zeit vor seiner Inhaftierung oder nach seinem dreijährigen Gefängnisaufenthalt ein. Allerdings hatte der heute als Mitglied der sächsischen Neonazis befragte Rechtsextremist an beide Perioden gleich unvollständige Erinnerungen. Fragen der Nebenklageanwälte nach Bezügen zu den beiden Uwes und zu Beate Zschäpe beantwortete Enrico R. nur ausweichend. "Kann schon so gewesen sein." - oder "Kann ich micht erinnern." - das waren seine häufigsten Antworten.

Klar wurde nur, dass zwischen dem rechten Millieu in Thüringen und in Sachsen ein heftiger Austausch bestand und man sich immer wieder traf - auch bei Veranstaltungen in Bayern. Welche Kenntnisse er von den politischen Ansichten der jetzt Hauptangeklagten und ihrer beiden Begleiter gehabt habe, will der Vorsitzende Richter wissen. "Na stramm rechts halt", heißt die Anwort.

Rechte Parolen - ob mit oder ohne Alkohol

Details? "Na die üblichen Stammtischparolen!" - Frage des Vorsitzenden: "Und was war das?" Das habe vom Alkoholpegel abgehangen, erklärt der Zeuge. Die Antwort, was nun ohne und was mit Alkohol üblicherweise als Parolen gedroschen wurde, blieb der Zeuge am Ende schuldig.

Prozessbeobachter und auch die Nebenklageanwälte waren zum Schluss des einstündigen Gestammels überzeugt, dass dieser Zeuge - wie schon einige zuvor - sich nur an das erinnern wollte, was ihm opportun erschien. Um solchen Zeugen beikommen zu können, müsste der Senat noch mehr Zeit und Energie für Randaspekte des Verfahrens aufwenden.

Bewegende Schilderungen aus der Kölner Keupstraße

Immerhin hatte am Vormittag des 184. Tages ein Zeuge ausgesagt, der ebenso klare wie schreckliche Erinnerungen hatte - an den 9. Juni 2004. Das war der Tag, an dem die NSU-Terroristen laut Anklage eine mit 800 Nägeln gespickte Bombe in der Kölner Keupstraße zur Explosion brachten - genau vor einem türkischen Friseursalon. In dem wollte sich der heute 29 Jahre alte Unternehmensberater gerade rasieren lassen.

Seine damalige Freundin wurde von den Splittern der zerberstenden Schaufensterscheibe verletzt und erlitt einen Gehörschaden. Und sie litt unter Angstattacken - etwa im verglasten Eingangsbereich der Klinik, in die man sie nach dem Anschlag eingeliefert hatte. Der Zeuge selbst war unverletzt geblieben und schilderte in bewegenden Worten, was er vor dem zerstörten Friseurladen sah, nachdem sich der Rauch der Explosion verzogen hatte: "Vor der Tür lag ein Mann, dessen Beine brannten. Überall war Blut und es herrschte ein Riesenchaos."


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