NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 135. Verhandlungstag, 6.8.2014

Am letzten Prozesstag vor der Sommerpause steht der Mordfall Yozgat (Kassel) und die Rolle des V-Manns Andreas T. im Mittelpunkt. T. war zur Tatzeit am Tatort, will von dem Mord aber nichts mitbekommen haben.

Von: Heike Borufka, Tim Aßmann, Alf Meier

Stand: 06.08.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Zwei Kriminalbeamte sagen zu den Ermittlungen im Mordfall und T.s Rolle aus sowie zur schwierigen Zusammenarbeit mit dem hessischen Verfassungsschutz.

Zeugen:

  • Helmut W., Polizeipräsidium Nordhessen (Mordfall Yozgat)
  • Jörg T., Polizeipräsidium Nordhessen (Mordfall Yozgat)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Heike Borufka, HR)
9.40 Uhr
Zschäpe kommt, pinkfarbener Pulli, Haare zum Zopf, weiß-rosa Tuch

(Tim Aßmann, BR)
Beginn 9.49 Uhr
auf der Zuschauertribüne u.a. die SPD-MdL Nancy Feser aus Hessen, Mitglied des dortigen Untersuchungsausschusses. Tribüne wieder sehr gut gefüllt - überwiegend mit normalen Zuhörern.

Rechtsanwalt Elberling (Nebenklage Keupstr.): Zeuge Jürgen L. hat gestern einen Journalisten angesprochen und bedroht bloß nicht mehr nach Jena zu kommen. L.s Begleiter war nach eigenen Angaben Sven R. (Rechtsextremer aus Saalfeld-Rudolstadt). Weiß nicht, ob der auf der Zeugenliste steht. Bloß als Hinweis.
Götzl: Dann danke ich für den Hinweis.

(Heike Borufka, HR)
9.51 Uhr
Zeuge: Kriminalhauptkommissar Helmut W.; Polizeipräsidium Nordhessen in Kassel, 56 Jahre alt.
Götzl: Geht um Gespräch am 24.6.2006 mit Hamadi S. und Gespräch im Landesamt für Verfassungsschutz. Möchte zunächst mit Gespräch mit Hamadi S. beginnen
W: Ich habe mich mit Hilfe der Vermerke nochmal mit dem Gespräch beschäftigt. Ging im Wesentlichen um zwei Dinge. Ging immer darum, nochmal nachzufragen, ob seine Aussagen der Wahrheit entsprachen. Ob er vielleicht mehr gesehen hat, als er gesagt hat. Er hat immer wieder versichert, er hat alles gesagt. Hintergrund waren Gespräche mit Ismail Yozgat, der gesagt hat, er glaubt Hamadi nicht. Hatte gesagt, war nur zweimal am Tattag dort und nie vorher. Ismail Yozgat sagt, er war öfter da. Aber Hamadi hat beteuert, er war nur zweimal am Tattag da. War für uns auch nachvollziehbar, passte zu den Daten.

(Tim Aßmann, BR)
W: Die Telefondaten stützten das, weil aus der Kabine an dem Tag zweimal von ihm telefoniert wurde.

(Heike Borufka, HR)
W: Hatte im Herbst nochmal ein Gespräch mit dem Zeugen. Habe ihn auf Zeugenschutzmöglichkeiten und Belohnung aufmerksam gemacht. Hat versichert, dass er die Wahrheit gesagt hat.
G: Hat er gesagt, was er dort gemacht hat?
W: Ja, er hat einmal mit Verwandten in Kassel telefoniert und mit einem Mann. Es ging um Kauf eines PKW. Seine Aussage zu zeitlichen Abläufen war wichtig. War wichtig, wann hat er die Knallgeräusche gehört, die er nicht als Schüsse erkannt hat. Später hat er gesagt, er könne die Geräusche zeitlich gar nicht einordnen. Er war müde und das Telefonat anstrengend. Ich glaube, dass diese Aussage auch ehrlich war.
G: Woran manchen Sie das fest?
W: Weil er mir das versichert hat.

G: Weitere Themen, die Sie mit ihm erörtert haben?
W: Unklarheiten mit seinem Namen, da gab es Unklarheiten
G: Thema Bezüge zu den Niederlanden, hat er dazu etwas gesagt?
W: Ismail Yozgat hatte gehört, dass er vorher in Holland gearbeitet haben soll. Habe versucht das zu überprüfen, ob er da bekannt geworden ist, war alles negativ. Er hat versichert, er war lediglich zu Verwandtenbesuchen in Holland.
G: Hat er noch was dazu gesagt, wie er auf das Internetcafé aufmerksam wurde?
W: Ja, von Chef der Autoaufbereitungsfirma. Wollte dort telefonieren, hat ihn ins Internetcafé geschickt
G: Wie war sein richtiger Name?
W: Weiß ich nicht mehr auswendig.
G: Dann kommen wir zu dem anderen Thema, zur Besprechung mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Hessen
W: Das war Ende Juni 2006. Hatte vorher verschiedene Besprechungen gegeben, teilweise mit der Staatsanwaltschaft. Die erste war kurz nach der Festnahme von Herrn T. (dem hessischen Verfassungsschutzmitarbeiter, der am Tatort war und sich nicht selbst bei der Polizei meldete). Es wurden uns dann Unterlagen zur Verfügung gestellt. Wir hatten die Möglichkeit, mit Mitarbeitern (des VS) zu reden. Haben versucht, uns ein Bild über die Rolle von T. zu machen und sind da zunächst mal gescheitert. Für Staatsanwaltschaft schien es erforderlich, mit dem Informanten (mit Benjamin G., den T. als V-Mann aus der rechten Szene führte) zu reden. Wie hat sich T. verhalten? Es war uns ein Telefongespräch unmittelbar nach der Tat aufgefallen (zwischen Andreas T. und Benjamin G.). Die Antworten des Landesamtes waren uns zu knapp und kurz. Wir wollten gerne mit den Leuten reden (mit allen V-Männern, die T. führte). Das Gespräch diente dazu, dem Landesamt für Verfassungsschutz darzustellen, warum wir mit diesen Leuten reden wollen. Mehrere Leute, die für den Geheimschutz zuständig sind, sind dann auf diese Einladung angereist. Wir sind dann ohne Ergebnis auseinander gegangen. Was klar war, denn diese Leute sind gar nicht entscheidungsbefugt.

(Tim Aßmann, BR)
W: Sie hörten sich unsere Argumente an und sahen nicht so unbedingt die Erfordernisse, die Leute polizeilich zu vernehmen.

(Heike Borufka, HR)
W: Sie haben unsere Argumente mit nach Wiesbaden genommen. Es gab dann Gespräche auch mit Generalstaatsanwaltschaft. Wir haben dann erfahren, dass Innenministerium abgelehnt hat. Wir haben dann einen Fragenkatalog aufgestellt, weil uns nichts anderes übrig blieb. Und diese Fragen haben Mitarbeiter beantwortet und uns die Antworten zur Verfügung gestellt.
Uns wurde angeboten, unser Mitarbeiter (also ein Kripo-Beamter) könnte sich als Verfassungsschützer ausgeben (und so getarnt mit den V-Leuten von T. reden). Wir hatten arge rechtliche Bedenken, Zeugen zu täuschen. Hätten wir in Gerichtsverfahren nicht verwenden können.
Ich habe erstmal gesamte Tatserie kurz und knapp vorgestellt (bei dem Treffen mit dem VS). Dann wurde unsere Tat vorgestellt und die Fakten, die den Tatverdacht gegen T. ergaben. Auch Staatsanwalt W. hat gesagt, warum Polizei vernehmen soll. Offenbar waren die Leute nicht ganz im Bild. Sie wussten gar nicht, wie viele Quellen T. geführt hatte. Mittendrin wurde einmal gesagt, wir wissen ja, sie kratzen alles zusammen. Offenbar haben die den Tatverdacht nicht so ernst genommen wie wir. Das fand ich schon ein bisschen schräg. Das waren keine Entscheidungsträger.

(Tim Aßmann, BR)
W: Sie haben Tatverdacht offenbar nicht so ernst genommen wie wir und sagten es könne auf Anliegen nicht eingegangen werden, weil sonst wäre es ja ganz einfach Informanten zu enttarnen, indem man einfach eine Leiche in der Nähe eines V-Mann-Führers platziert.

(Heike Borufka, HR)
G: Wer war zugegen?
W: Das war Frau P. (die T.s Vorgesetzte in Wiesbaden war, H. (Leiter des Sicherheitsreferats beim LfV Hessen) und noch einer vom Geheimschutz.
G. hält aus Vermerk über das Treffen vor: H. sagte, dass die Verwaltungsabteilung keine Veranlassung sieht, über Entlassung von Andreas T. nachzudenken.
W: Ging noch weiter. Sagte, er sieht gar keine Gründe, dass T. nicht mehr für den Verfassungsschutz arbeiten sollte. Es wurde aufgezählt, was T. aus geheimdienstlicher Sicht falsch gemacht hat. Nicht private Postfächer strikt von dienstlichen getrennt. Aber das hatte weniger mit unseren Ermittlungen zu tun. Die Fakten haben wir versucht darzustellen, die haben aber offenbar nicht beeindruckt.
G: Welche?
W: T. hat sich nicht als Zeuge gemeldet, wir haben ihn ermittelt. Haben eine Videorekonstruktion gemacht. Seine Version war sehr, sehr unglaubwürdig.

(Tim Aßmann, BR)
W: T.s Version war für uns sehr, sehr unglaubwürdig, weil danach nur 40 Sekunden für die Tat geblieben wären. Wir mussten diese Version hinterfragen. Für mich bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder er hat die Tat mitbekommen und verschweigt uns das oder er hat irgendwas mit der Tat zu tun und verschweigt uns das. Seine Version aber halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich.
Staatsanwalt W. wollte dienstliche Erklärung T.s gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz und seine Sicherheitsakte haben. Die dienstliche Erklärung kam, die Sicherheitsakte wollten sie uns nicht geben.
Götzl hält vor: H. meinte Vernehmung der Quellen durch Polizei würde zu Abschaltung der Quellen führen.
W: Ja, so hat er uns das gesagt. Das Abschalten wäre ein großes Unglück für den Verfassungsschutz.


(Heike Borufka, HR)
W: Die knappen Antworten des Landesamtes für Verfassungsschutz entsprechen nicht dem, was wir uns unter einer Vernehmung vorstellen. H. hat damals gesagt, in dem Moment, in dem die Quellen von der Polizei vernommen werden, müssen die abgeschaltet werden. Das hätte einen hohen Erklärungsbedarf durch die Polizei erzeugt
Die eine Quelle vom 4.4. war eine, die sich mit T. getroffen hat. Aber wenn, dann wollten wir alle vernehmen.
G: Im Vermerk heißt es: "größtmögliches Unglück für Landesamt wäre Verlust der Quellen"
W: Hat H. so gesagt

Pause bis 10.40 Uhr


(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 10.47 Uhr mit dem Zeugen vom Polizeipräsidium Nordhessen.
Rechtsanwalt Bliwier (Nebenklage Yozgat): 1.9.2006. Auch Gespräch mit Landesamt. Haben Sie da noch Erinnerung?
W.: Habe auch diesen Vermerk nun vorher gelesen. Saßen zusammen und haben über den Fall gesprochen. Verfassungsschutz wollte uns und auch die Staatsanwaltschaft im Umgang mit Daten sensibilisieren. Waren der Meinung, dass wir damit zu offen umgehen. Kann auch sein. War auch Versuch des Verfassungsschutzes einen gemeinsamen Nenner, eine Lösung zu finden, mit der sowohl wir als auch das Amt leben können.
B: Hatte das Landesamt Einsicht in die Ermittlungsakten?
W: Das weiß ich nicht. Dass H. in dem Gespräch darüber sprach, dass Verfassungsschutz-Mitarbeiter in den Akten genannt werden, stimmt. Woher er das wusste, weiß ich nicht.
B: Wollte das Landesamt Einsicht in die Sonderakte über Andreas T. und wurde das von Staatsanwaltschaft abgelehnt?
W: Sie wollten das, aber die Entscheidung war der Staatsanwaltschaft vorbehalten.
W: T. hat mehrmals angeboten sich hypnotisieren zu lassen. Geht rechtlich nicht. Haben überlegt dann kognitives Interview zu machen. Mich beschäftigt bis heute, ob es etwas gibt, was er weiß und bisher nicht gesagt hat. Mich lässt das ja auch nicht in Ruhe. Es war der Versuch verdrängtes Wissen wieder rauszuholen. Wir haben das dann gemacht, aber es ist nichts dabei rausgekommen.

Rechtsanwältin Dierbach (Nebenklage Yozgat): Haben Sie danach mit Psychologen gesprochen?
W: Er hatte den Eindruck, dass T. nur scheinbar mitgespielt, sich nicht voll und ganz darauf eingelassen hat, immer versucht hat die Kontrolle über das zu behalten, was er sagt.

(Alf Meier, BR)
Rechtsanwalt Kienzle (Nebenklage Yozgat): Waren Sie mit Telefonüberwachung gegen Andreas T. befasst?
W: Nein, nur in Ausnahmefällen
K: Haben Sie Unterlagen eingesehen?
W: Wir hatten zu T. eigene Ermittlungsgruppen, Personalakten, wo T. zu den Tatzeiten (auch der anderen Morde) war, wir haben über Zeugenvernehmungen versucht abzuklären, ob er dort auch wirklich war. Es ging darum zu sehen, ob T. in der Nähe von Tatorten war, oder ob er Alibis hatte.

(Tim Aßmann, BR)

Zeuge wird kurz darauf entlassen. Er kündigt an auf die Zuschauertribüne zu gehen.

Nun kommt der Zeuge Jörg T., 44 Jahre alt, Kriminalbeamter Polizeipräsidium Nordhessen in Kassel.
Götzl: Geht uns um zwei Aspekte. Besprechung mit Landesamt für Verfassungsschutz am 30.6.2006 und um ein Gespräch mit Frau E. (Kollegin von Andreas T. in der Außenstelle des VS in Kassel) und da um das, was zwischen E. und T. gesprochen worden ist.
T: Die Besprechung fand auf Einladung des Staatsanwaltes W. statt. Teilnehmer: Der Leiter der Kriminaldirektion, Ho., Mordkommissions-Leiter W. (der gerade eben als Zeuge da war) und die Ermittler F., B. und ich. Von Seiten des Landesamtes für Verfassungsschutz: Herr H., ein weiterer Geheimschutzbeauftragter und eine Juristin.

(Heike Borufka, HR)
T: B. und W. stellten Mordserie vor. Hr. H. hat Vernehmung der Quellen verneint, würde zum Abschalten der Quellen führen. Er bot an, das von Verfassungsschutz mit einem getarnten Polizisten zu machen. Wurde von uns verneint, wäre hinterher nicht verwertbar gewesen. So kam man eigentlich zu dem Konsens: Das kann nur Innenministerium entscheiden. Im Nachgang hat dann Staatsanwaltschaft beantragt, die Quellen so zu vernehmen wie polizeiliche Quellen - mit Zusicherung der Vertraulichkeit.

(Tim Aßmann, BR)
Götzl: Ging es um eine Quelle oder um mehrere?
T: Er hatte sechs, zeitweise sieben Quellen. Die wurden auch von uns identifiziert und anhand seines Kalenders und seiner Verbindungsdaten ergab sich eine Schnittmenge - fünf Quellen waren im Zusammenhang mit verschiedenen Tattagen für uns wichtig. Also wollten wir alle vernehmen.

(Heike Borufka, HR)
G: Wie ging das weiter?
T: Staatsanwalt hat gesagt: Wir wollen die Vernehmung machen. Antrag ging ins Ministerium. Endgültige Entscheidung stand im Oktober mit dem Schreiben fest, dass die Quellen nicht zu vernehmen sind.

(Tim Aßmann, BR)
G: Atmosphäre bei Besprechung?
T: War nicht zu übersehen, dass wir sehr unterschiedliche Auffassungen hatten. Insbesondere von Hr. H. aus war klar, dass man da keine Einigung findet.

(Heike Borufka, HR)
G: Befragung Frau E. Haben Sie Erinnerung?
T: Ja. Es war Ende April, also unmittelbar nach der Festnahme T.s., war erste Besprechung bei Landesamt für Verfassungsschutz (in der Außenstelle Kassel). Teilnehmer: Hr Ho., Herr Fe. und ich (alle drei für die Polizei), Frau P. (Chefin von Andreas T.), Hr. F. (Außenstellenleiter Kassel). Frage war, ob T. auf Mordserie von Vorgesetzen angesprochen wurde. Darauf hat Herr F. gesagt, T. müsste von Frau E. angesprochen worden sein. Er, F., habe E. gebeten, T. zu befragen.

Am 2.5. waren dann Fe. (damals Kollege des Zeugen) und ich da und haben E. befragt, ob T. von ihr angesprochen worden ist. Sie hat gesagt, von F. wurde sie gebeten zu fragen, ob der Name des Opfers bekannt sei und ob dass Rolle für Verfassungsschutz spiele. T. habe geantwortet, die Tat habe kein regionalen Bezug, sondern die Waffe sei schon bundesweit aufgetaucht. Er kenne Internetcafe nicht, sei nie dort gewesen.

Götzl hält aus Vermerk vor: "E. hat ihn (T.)  Montag morgen (Montag nach dem Mord) angesprochen, ob er Namen des Opfers kennt und es dienstlichen Bezug zum Landesamt für Verfassungsschutz gibt"
T: Genau
G: Im Vermerk steht dann, T. habe gesagt, er kenne das Opfer nicht und würde das Café nicht aufsuchen
T: So wurde es damals gesagt. Wurde wohl nur einmal angesprochen und hinterher gar nicht mehr thematisiert.
G: Ist in Gespräch mit Frau E. das Café als solches thematisiert worden?
T: War bei mehreren Gesprächen Thema. Wurde einhellig beantwortet, dass T. im Internetcafe absolut nichts zu suchen hatte. Internetrecherche sollte von Wiesbaden aus gemacht werden. Lediglich Fr. E. äußerte sich, dass T. in Internetcafés verkehre, aber dass dieses Internetcafe absolut tabu ist.
Mittagspause bis 12.50 Uhr

(Heike Borufka, HR)
12.57 Uhr
Fortsetzung Vernehmung des Kasseler Kriminalbeamten Jörg T.
G: Aufbau Verfassungsschutz-Außenstelle in Kassel?
T: Bestand nur aus 4 Mitarbeitern
G: Ist Frau E. zu dienstlichen Kontakten zu T. befragt worden?
T: War grundsätzlich schon Thema. War schon Thema, dass T. im Dienst über Privates nie was gesagt hat. Das einzige waren die Hochzeitsbilder, wo er genötigt wurde, die zu zeigen
G: Hat sich Fr. E. zum dienstlichen Bereich geäußert?
T: Nur wo er vorher war, war in Offenbach.
G: Hat sich Fr. E. zu politischer Einstellung geäußert von Herrn T.?
T: Er wurde von allen mehr konservativ eingestellt geschildert. Gab keine Ansatzpunkte Richtung Rechts.
G: Hatte T. Waffe?
T: Mag so sein, das wurde auch mal gefragt, weil Waffe bei Durchsuchung auf Dienststelle sichergestellt wurde. Grundsätzlich wurde es so formuliert, dass beim Verfassungsschutz Waffen nicht üblich sind.  Er war im Schützenverein. Weiß aber nicht mehr, wie das erörtert wurde.
G: Ist mal erörtert worden, wer auf Seiten des Verfassungsschutzes am Montag als erstes über diese Tat gesprochen hat?
T: Herr F. hat gesagt, er geht davon aus, dass Frau E. das gemacht hat.
G: Ist dran gedacht worden, sie als Zeugin zu vernehmen?
T: Nein, das hat uns in diesem Zusammenhang ausgereicht.
G: Dann müsste ich diese Frage jetzt so nicht stellen
T: Das wäre vielleicht sauberer gewesen. Aber inhaltlich hätte sich nichts geändert.
G: Wie kommt es zu dieser Einstellung?
T: Besser wäre natürlich eine Vernehmung gewesen, aber es wurde als Vermerk notiert.
G: Wurde geklärt, ob sich T. damals noch mit anderen unterhalten hat?
T: Hat Kollege Fe. vom polizeilichen Staatsschutz gemacht (Kollege Fe. ist mittlerweile verstorben).
Befragung beendet, Zeuge wird entlassen

Erklärung von Rechtsanwalt Bliwier (Nebenklage Yozgat):
Wir hatten ja unter Beweis gestellt, dass die Ermittlungen durch das Landesamt für Verfassungsschutz massiv behindert worden sind. Das haben Zeugen heute bestätigt. Im Zusammenhang mit Frau E. stellt sich Frage, wann denn Herr T. erwähnt hat, dass Ceska bei Mord in Kassel verwendet wurde. Es ist bewiesen, dass T. diese Aussage am Vormittag (des Montags nach dem Mord) gemacht hat, obwohl es erst am Nachmittag bekannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte ein Außenstehender nicht wissen, welche Waffe genutzt wurde. Wir schließen uns der Hypothese des Polizeipräsidiums Nordhessen an: Entweder verschweigt er, was er gesehen hat oder er gehört zu dem Täterkreis. Das ist hier heute bewiesen durch die Zeugenaussagen.

(Tim Aßmann, BR)
Götzl teilt mit: Der Zeuge Fe. (polizeilicher Staatsschutz Kassel), der heute geladen war, ist verstorben. Sterbeurkunde kommt zu den Akten. Die Prozessbeteiligten, die seine Vernehmung beantragt haben, ziehen diese Anträge nun zurück.

(Heike Borufka, HR)
Rechtsanwalt Hoffmann (Nebenklage Keupstr.) mit Erklärung zur Vernehmung des Zeugen Jürgen L.: Wie Frank L. und Enrico T. versucht auch Jürgen L. die Mauer des Schweigens zur Herkunft der Ceska aufrechtzuerhalten. Jürgen L. hat in seiner Aussage an mehreren Punkten gelogen. Es kann davon ausgegangen werden, dass er die Waffe übernommen und an den Laden „Madley“ (genauer an Andreas S., der sie nach eigenen Angaben an den Angeklagten Carsten S. verkaufte) weitergegeben hat.

(Tim Aßmann, BR)

Hoffmann: Seine (Jürgen L.)  Aussage ist nicht geeignet die Aussage von Andreas S. zu wiederlegen. Eine von Lügen und Trotzigkeit geprägte Aussage hat keine Beweiskraft und kann auch durch eine Vereidigung nicht aufgewertet werden.

Erklärung von Rechtsanwältin Schneiders (Verteidigung Wohlleben) zum Zeugen Jürgen L.: Aussage hat erbracht, dass die Angaben des Zeugen Andreas S. äußerst skeptisch bewertet werden müssen. L. bestritt, in Waffenbeschaffung Ceska verwickelt gewesen zu sein und bezichtigte S. der Lüge. L. ist in dieser Hinsicht das einzige originäre Beweismittel. Aussageverhalten S. ist in höchstem Maße widersprüchlich. Er bestritt zunächst (den Verkauf der Ceska), bezichtigte dann einen "Boban" und schließlich Jürgen L.  Das Aussageverhalten von Jürgen L.  ist im Gegensatz zu dem von Andreas S. von hoher Konstanz.

13.47 Uhr Verhandlungsende, Prozess pausiert nun bis zum 4. September.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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