NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 132. Verhandlungstag, 30.7.2014

An diesem Prozesstag sagen zwei Zeuginnen zu einer Prügelei in Jena 1996 aus. Beate Zschäpe soll eine Frau angegriffen und verletzt haben.

Von: Holger Schmidt, Eckhart Querner, Tim Aßmann

Stand: 30.07.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Nach einem Volksfest fuhr die erste Zeugin mit ihrer Freundin mit der Straßenbahn nach Hause. Ihr gegenüber saßen Beate Zschäpe und Jana A. An der Endstation griff Zschäpe die Zeugin an und warf sie zu Boden, wobei sich diese den Fuß brach. Das Opfer stammt aus der linken Szene und soll Zschäpe auf einem Volksfest beleidigt haben.

Zeugen:

  • Maria H. (Opfer des Angriffs in Jena)
  • Steffi S. (Zeugin des Angriffs in Jena)
  • Christine L., Kriminalhauptkommissarin, Bundeskriminalamt

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Tim Aßmann, BR)
Zuschauertribüne wieder mal sehr voll, vor allem normale Zuhörer und vor allem sehr jung.
Beginn 9.50 Uhr
Zeugin Maria H., 33 Jahre alt, Studentin aus Jena
Götzl: Geht uns um Vorfall aus den 90ern aus Jena.
H: Ich war mit Freunden auf dem Rummel und dann fuhr ich Abends nach Hause mit meiner Freundin Steffi in der Straßenbahn nach Jena-Winzerla. Schon in der Bahn setzte sich jemand direkt gegenüber hin und starrte mich die ganze Zeit an. Kannte das Mädchen nicht, sprach mich beim Aussteigen an und sagte ich hätte sie beleidigt oder ausgelacht. War nicht so. Sie hat mich geschubst, bin hingefallen, hab mich am Fuß verletzt, hat sich auf mich gesetzt und mich gezwungen zu sagen: "Ich bin eine Potte". Meine Freundin hat nicht eingegriffen. Sie hatte eine kleine Ratte in der Kapuze und hatte Angst um die.
Das Mädchen hatte noch jemanden dabei. Ich kannte das Mädchen nicht, habe später Zschäpe erkannt, mein Fuß war angebrochen, aber das konnte Beate Zschäpe nicht wissen, war für sie nicht ersichtlich.
G: Folgen für Sie?
H: Hatte Gipsverband für einige Wochen. Danach war alles gut. Habe Anzeige gegen unbekannt erstattet. Ich war damals erst 16. Ich konnte mich gar nicht mehr dran erinnern, dass ich damals bei der Polizei war. Meine Mutter erzählte mir davon und sagte, dass sei mir damals sehr wichtig gewesen. Vorfall war im Herbst, weil da das Altstadtfest stattfand. War 96, näher kann ich es nicht einordnen zeitlich. Habe damals den Sommer in der Stadt verbracht mit vielen Leuten. Waren viele Punker dabei, viele Leute aus der linken Szene. Später hatte ich mit den Leuten weniger Kontakt. Auch mit Steffi. Die kannte ich auch aus dieser Szene.
G: Von wem haben Sie erfahren, dass es Zschäpe war?
H: Ich weiß nicht, wer das wusste. Dieser Vorfall war in der Szene Jenas recht bekannt, weil ich ja diesen auffälligen Gipsverband hatte. Erst als es diese Verhaftungen gab vor einigen Jahren, kam dann ein freier Journalist auf mich zu und sagte, das war doch die Zschäpe und zeigte mir Fotos. Er sagte, er hätte die Information aus der Szene.
G: Name des Journalisten?
H: Weiß nicht mehr. Ist auch schon wieder über zwei Jahre her.
G: Was für Fotos?
H: Eins von nem Demonstrationszug. Da hatte sie längere Haare, bisschen Locken. Auch noch andere Bilder. Bei der Polizei wurden mir neuere Fotos vorgelegt. Da konnte ich sie schlecht oder gar nicht erkennen. Auf alten Fotos konnte ich sie ganz sicher erkennen. Weiß nicht, ob der Journalist sagte, er hätte die Info von Katarina König (Landtagsabgeordnete der Linken aus Jena) oder ob die Polizei das sagte. Steffi und mir war vorher nicht bekannt, dass sie (Zschäpe) das war.
Habe das Mädchen (Zschäpe) vor nem Einkaufszentrum in Winzerla mal gesehen. Ein paar Monate nach dem Vorfall. Habe sie nicht angesprochen, weil ich da mit meinem Vater unterwegs war und dachte, das könnte für ihn unangenehm werden. Sie war da alleine unterwegs.
G: Ausgelacht oder beleidigt?
H: War mir sofort völlig unklar, was sie gemeint hat. Konnte auch Verwechslung sein, weil wir in einer großen Gruppe auf dem Rummel waren. Da gab's ein Mädchen, die sah mir ziemlich ähnlich. Hatte auch rote Haare, mit Perlen drin, ich glaube, ich hatte auch eine Seite abrasiert. Ich glaube, ich habe sie mal gefragt und sie hätte gesagt: Ja, sie habe da irgendwas Freches gesagt.
G: Ihr Name?
H: Manuela M.
H: Ich hatte damals immer Springerstiefel an, zerrissene Klamotten, lange Röcke auch gerne, Dreadlocks, eine Seite abrasiert, also schon ziemlich auffällig und der linken Szene von außen zuzuordnen. Steffi hatte kurze pinke Haare, abstehend in alle Richtungen. Und auch solche Stiefel. Zschäpe hatte halblange, lockige, offene Haare, rundes, volles Gesicht. Sie war nicht so auffällig angezogen. Vielleicht ne Bomberjacke oder so. Ihre Begleiterin war auffälliger. Hatte abrasierte Haare, Pony, Frisur rechtsextreme Szene. Sah extremer aus, hat aber die ganze Zeit nichts gesagt oder getan. Stand daneben.

H: Das ging auch alles ziemlich schnell. War kein langer Akt. Nur ganz kurz. Wurde geschubst, lag bäuchlings und sie hat sich auf meinen Rücken drauf gesetzt. Ich sollte sagen: "Ich bin eine Potte". Ich dachte noch, was das für ein Wort ist? Hab den Satz gesagt und dann ist sie aufgestanden und sofort weggegangen.

(Eckhart Querner, BR)
G: Haben Sie sich gewehrt?
H: Bin so unglücklich gefallen, dass ich mich nicht wehren konnte. Nach Hause gehumpelt, am nächsten Tag zum Arzt.

(Tim Aßmann, BR)
H: Auf solche Vorfälle musste man gefasst sein. Wenn man nach Hause gefahren ist, hat man grob geschaut, ob da Rechte unterwegs sind. Es war immer so nen bisschen Angst dabei.
G: Wie war Situation insgesamt? Warum bestand Angst?
H: Weil es zu solchen Vorfällen kam. Immer wieder.

(Eckhart Querner, BR)
G: Beispiele für betroffene Freunde?
H: Mein damaliger Ex-Freund wurde grün und blau geschlagen, den musste ich am nächsten Tag in der Unfallchirurgie besuchen.
G: Wer war daran beteiligt?
H: Er war alleine. Abends um 10. Er ist an welchen aus dem rechten Milieu vorbei gekommen und wurde angegriffen.
G: Sind da auch Namen gefallen?
H: Ich hatte immer mal so Namen wie André K. gehört, aber ich wusste gar nicht, wie der aussah. Ich hab mich nicht für dieses Rechts/Links und die Straßenkämpfe interessiert, eher für die Gedanken.

(Tim Aßmann, BR)
G: Mal mit Katarina König drüber unterhalten?
H: Nachdem dieser Journalist bei mir war, hat sich irgendwann Lothar König (Stadtpfarrer von Jena) gemeldet und gefragt, ob er meine Mobilfunknummer an die Ermittler weitergeben darf und als diese Vorladung hier kam, hab ich Katarina König angerufen, aber sie hat gesagt, sie darf mit mir nicht drüber reden, weil sie hier nicht Prozessbeteiligte ist.
G: Situation in Straßenbahn. Wo saßen Sie, wo saß Steffi, wo saßen die anderen?
H: Bahn war recht leer. Beate hat sich mir gegenüber hingesetzt. Weiß nicht mehr, ob Steffi neben mir saß. Kann nicht mehr genau sagen, wie die Sitzordnung war. Wir sind ausgestiegen, dann 20 oder 30 Meter gelaufen und dann hat sie mich angesprochen. Der ganze Vorfall hat nicht lange gedauert. Ich hab ihr gesagt, dass ich das nicht war. Sie hat mir nicht geglaubt. Is ja auch klar, wenn ich so aussehe. Sie hat mich dann geschubst und ist dann danach auch gleich weggegangen.
G: Zeitpunkt des Vorfalls?
H: Abends. Vielleicht zwischen 20 und 22 Uhr ungefähr.
G. hält vor aus Vernehmung: "Freier Journalist konnte sich an den Vorfall erinnern."
H: Kann ich mir auch nicht erklären, warum das da steht. Er kam aus der JG [Jungen Gemeinde], hat telefonisch mit mir Kontakt aufgenommen und dann haben wir uns getroffen. Er hat mir die Information gegeben, dass das Mädchen, das mich angegriffen hat, Beate Zschäpe war.
G. hält vor: "Mit ihm habe ich mir Fotos angesehen und bin dann zu der Überzeugung gelangt, dass es Beate Zschäpe war"
H: Ja
G: "Zu der Überzeugung gelangt"?
H: Er hat gesagt, es war Zschäpe, habe er gehört aus der JG Stadtmitte. Dann haben wir gegoogelt und bei den alten Bildern wusste ich dann: OK. Das war sie tatsächlich. Wundert mich bis heute, dass offenbar Leute aus Jena das wussten und ich offenbar nicht.
G. hält vor: "Habe mich erschrocken die Person nochmal zu sehen, glaube, dass mich Beate nicht gesehen hat, hatte noch den Gips."
H: Ja
G: "Deswegen bin ich mir auch relativ sicher, dass das die Beate Zschäpe war. Kann mich gut an ihr Aussehen erinnern."
H: Ja


(Tim Aßmann, BR)
Nun Lichtbildvorlage am Richtertisch
Sie erkennt diverse Männer nicht, sagt dann bei mehreren Zschäpe-Bildern, das seien neuere Bilder. Da hätte sie sie nicht erkannt. Auf einem älteren Bild erkennt sie sie dann ganz klar. Auf einem weiteren auch.

Greger (Bundesanwaltschaft): Haben Sie am Boden zum Ausdruck gebracht, dass Sie Schmerzen hatten?
H: Ich glaube nicht
Greger: Wie würden Sie das Alter einschätzen von der Angreiferin und der Begleiterin?
H: Angreiferin etwas älter als ich, Begleiterin etwas jünger.

Zschäpe-Verteidiger Heer: Erst nach Festnahme von Zschäpe kam Überzeugung, dass sie es war?
H: Den Namen wusste ich vorher nicht.
Heer: Wurden Ihnen nur Google-Suche-Fotos mit Beate Zschäpe gezeigt?
H: Ich denke schon

(Holger Schmidt, SWR)
Heer: Welche Polizistinnen meinen Sie?
H: Die beiden Polizistinnen bei der Vernehmung. Eine ist Frau L.
Heer: Wenn Sie sagen "WIR sprechen von Beate Zschäpe", wen meinen Sie da? Sich und beide Polizistinnen oder eine der beiden?
H: Kann sein nur ich, vielleicht auch die Polizistinnen, weiß nicht
Heer: Haben Sie eine Erinnerung, wie es losging? Wurde Ihnen ein Grund gesagt?
H: Ich weiß es nicht. Also auf jeden Fall wurde mir nicht gesagt, dass ich hier vielleicht eine Zeugenaussage machen muss.

(Tim Aßmann, BR)
Zschäpe-Verteidiger Stahl: Für mich ergibt sich nur eine Frage: Den Namen Beate Zschäpe haben Sie zum ersten Mal gehört, als Sie der Journalist kontaktierte?
H: Ja
Stahl: Mit Frau König vorher mal darüber gesprochen?
H: Nein
Stahl hält vor aus Vernehmung König: "Maria kam unmittelbar nach dem Vorfall in die JG, wir haben ihr geholfen. Maria äußerte dann sofort, dass Zschäpe dabei gewesen und verantwortlich für ihre Verletzungen sei. Sie wurde von zwei Personen gestützt."
H: Also das is jetzt so gar nicht das, was ich erlebt habe. Vielleicht hat sie da was verwechselt. Es war gesichert so, wie ich das gesagt habe. Ich war mit Steffi unterwegs und wir sind danach nach Hause.

(Holger Schmidt, SWR)
Wohlleben-Verteidiger Klemke: War die körperliche Gewalt eine Einbahnstraße?
H: Gute Frage. Kam mir so vor, dass es auch von der linken Seite erwogen wurde, dass man auch mal eine Aktion machen sollte. Denke nicht, dass es ausschließlich eine Einbahnstraße war, aber es hat sich für mich so angefühlt.
Klemke hält Blatt 7 ihrer Vernehmung vor: körperliche Gewalt nicht ungewöhnlich?
H: Ja, habe ich doch eben so gesagt
Klemke: Naja, nicht ganz. Gab es Gewalt gegen Rechte?
H: Es wurde zumindest erwogen.
Klemke: War das Thema bei der Vernehmung?
H: Da wurde nicht so drauf eingegangen, wie jetzt hier
Klemke: Das glaube ich gerne. Danke.

(Tim Aßmann, BR)
Stahl: Wurde an dem Abend Alkohol getrunken?
H: Ich kann das nicht erinnern, wenn dann bestimmt nicht auf dem Rummel. Zu teuer. Wenn dann vorher.
Stahl: Waren Sie zum Feiern in der Stadt?
H: Wir dachten, wir gehen mal auf den Rummel. Schon zum Feiern. Kann schon sein, dass Alkohol im Spiel war, muss aber nicht. Haben schon gedacht, dass es Ärger geben könnte und Provokation ist, weil da viele Rechte sind.
Stahl: Also Sie können mir nicht sagen, ob Sie nüchtern waren?
H: Ich erinnere das nicht.
Stahl: Wie viele Leute waren auf dem Rummel?
H: Schon so zehn, waren dann aber in kleineren Gruppen unterwegs, vielleicht zu viert oder so.
Zschäpe-Verteidigerin Sturm: Direkt nach Hause?
H: Ziemlich sicher, dass direkt nach Hause.
Sturm: Sind Sie von der JG zum Arzt gebracht worden?
H: Denke nicht. Bin am nächsten Tag alleine zum Arzt. Denke, dass Katarina das durcheinander gebracht hat, weil es schon so lange her ist.
Sturm: Sind Sie (beim Angriff) aufgefordert worden, die Jacke auszuziehen?
H: Weiß ich nicht mehr
Sturm hält vor: Frage: "Waren Ihnen Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt oder andere Personen vorher bekannt? Antwort: Personen im Prozess kommen mir teilweise bekannt vor, aber vielleicht nur weil die sich alle ähneln."
H: Das äußere Erscheinungsbild ist ja schon recht ähnlich
Götzl: Begleiterin der Angreiferin: Mal Name gefallen?
H: Nein
G: Jana A.?
H: Gestern im Netz gelesen, ansonsten gar nicht.

Zeugin entlassen.
Pause bis 11.40 Uhr

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 11.46 Uhr mit der Zeugin S. (begleitet durch Rechtsanwältin)

Steffi S., 33 Jahre alt, Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Jena.
Götzl: Geht um Vorfall, bei dem Frau H. betroffen war
S: War 1996. Waren in der Altstadt unterwegs, sind zur Straßenbahn, wollten nach Winzerla, da kam Frau Zschäpe mit einer Freundin, die ich als Jana A. kannte. Wir sind eingestiegen, in Vierergruppe saßen H. und ich uns gegenüber. Zschäpe saß neben H. und A. saß neben mir. Wurde nicht geredet, war ne sehr angespannte Situation, sind in Winzerla ausgestiegen, dann hinter uns schnellere Schritte. Zschäpe sagte was zu H.: Die habe sie in der Stadt Schlampe genannt. Dann hat sie Frau H. mit zwei, drei geübten Handgriffen zu Boden gebracht. Die lag weinend am Boden. Sie hat ihr dann die Jacke ausgezogen oder H. sollte sie selber ausziehen. Das weiß ich nicht mehr. Zschäpe ist dann weggegangen.
G: H. verletzt?
S: Ja, Bein oder Fuß waren gebrochen.
G: Konnte Frau H.gehen?
S: Musste sie, glaub ich, stützen. Ging auf jeden Fall sehr schlecht. Sie hat geweint
G: Wo waren Sie vorher
S: In der Altstadt wie gesagt. Da war irgendein Rummel, aber ich weiß nicht mehr, wo wir unterwegs waren.
G: Geübte Handgriffe?
S: Nicht zu Boden gestoßen, sondern irgendwie…. Hat sich mir eingeprägt, sah aus wie trainiert, wie beim Kampfsport oder so.
S: Mir hat sie angedroht, wenn ich was mache, bin ich dran und ich erinner mich auch, dass sie zu Frau A. meinte, sie soll aufpassen oder so….Ich hab nichts gemacht. Dann lag Maria am Boden und ich weiß noch, dass Frau Zschäpe die Jacke letztendlich hatte, aber wie das passiert ist, weiß ich nicht mehr. Die beiden sind dann in Richtung Winzerclub gelaufen.

(Tim Aßmann, BR)
G: Konnten Sie das mit der "Schlampe" zuordnen?
S: Überhaupt nicht. Konnte mit der Äußerung nichts anfangen. War ne absurde Situation. Frau H. war, glaub ich, genauso überrascht.
G: Rolle von Jana A.?
S: Sie war da. Weiter nichts. Sie hat nichts gesagt und nichts gemacht.
G: Kannten Sie Zschäpe?
S: Vom Sehen aus Winzerla. Da ich zu den Leuten gehörte, die nen bisschen auffälliger aussahen, war ich öfter damit konfrontiert durchs Viertel gejagt und beleidigt zu werden. Deshalb waren mir ein paar Gesichter und Namen bekannt, zum Beispiel die von Beate Zschäpe und von Jana A.
G: Den Namen kannten Sie damals?
S: Ja
G: Man hat sich mit Leuten unterhalten, man hat im gleichen Viertel gewohnt. Das ist halt wie nen kleines Dorf. Ich kannte den Namen von Erzählungen, dass Frau Zschäpe nen krasses Auftreten hat. Gab Leute, die haben erzählt, dass sie mit Messer in der Tasche rumläuft. Habe mehr als einmal gehört Frau Zschäpe hat keine Skrupel auf Leute loszugehen.
G: Wer sagte das?
S: Namen kann ich Ihnen nicht sagen. Das weiß ich nicht. Das waren Bekannte, Leute.

(Holger Schmidt, SWR)
(Zschäpe stützt sich mit dem Kinn auf ihre gefalteten Hände, Ellenbogen auf dem Laptop und presst Lippen aufeinander)
G: Haben Sie Situationen in Erinnerung, bei denen Frau Zschäpe zugegen war?
H: Vielleicht Frau Zschäpe an der Straßenbahnhaltestelle stehen sehen. Aber keine Vorfälle.
G: Wenn Sie sagen "es gab Leute, die sagten", haben Sie dann konkrete Leute in Erinnerung?
H: Leute, denen es so ging wie mir, die von Nazis oder Hooligans gejagt wurden.
G: Und da haben Sie keinerlei Namen in Erinnerung?
H: Nein

(Eckhart Querner, BR)
G: Sind Ihnen im Zusammenhang mit dem Messer irgendwelche Vorfälle bekannt?
S: Nur aus Erzählungen.
G: Wenn Sie sagen, Ich war damit konfrontiert, durchs Viertel gejagt zu werden', welche Vorfälle meinen Sie?
S: Ich wurde zu Fuß verfolgt, mit Mopeds, ich wurde aus fahrenden Autos angeschrien.
G: Wann war das?
S: So von 94 / 95 bis 96.
G: Haben Sie Zschäpe mal in Begleitung gesehen?
S: Wenn ich sie gesehen habe, dann alleine.

(Tim Aßmann, BR)
G: Kannten Sie Freunde von Zschäpe?
S: Kannte vom Sehen sowohl Mundlos als auch Böhnhardt. Auch bei denen war die Rede davon, dass man sich besser fernhalten oder besser aufpassen sollte.
G: Bei welchen Gelegenheit gesehen?
S: Die haben halt dort gewohnt und dort kannte ich sie vom Sehen
G: Mal mit ihnen gesprochen?
S: Nein
G: Woher kannten Sie die Namen?
S: Vom Hörensagen
G: Konkrete Situationen in Erinnerungen, wo Sie die beiden gesehen hätten (Mundlos oder Böhnhardt)?
S: Nein
G: André K.?
S: Ja. Ein bekannter Name aus Jena. Kannte ich vom Sehen.
G: Vorfälle mit K. in Erinnerung?
S: Keine, die mich persönlich betroffen hätten.
G: Ansonsten?
S: Vorfall, bei dem zwei Frauen überfallen wurden, festgehalten wurden und ja…
G: Was für ein Vorfall?
S: Zwei Frauen in Jena wurden festgehalten und dass Wohlleben und K. involviert waren und es auch nen Prozess gab.
G: Woher haben Sie Ihre Kenntnisse?
S: Das weiß ich nicht mehr
G: Wann war das?
S: 1999? 2000 ungefähr? Genau weiß ich das nicht.
G: Haben Sie das selbst mitbekommen oder sind das Erzählungen?
S: Hat mir mal irgendwer erzählt. Von wem weiß ich nicht.
G: Was wissen Sie über Wohlleben?
S: Genau wie bei den anderen. War ein bekanntes Gesicht in Jena
G: Tino Brandt ein Begriff?
S: Ja
G: Was können Sie zu ihm sagen?
S: Zu damals kann ich Ihnen nichts sagen
G: Mittagspause bis 13.20 Uhr

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 13.25 Uhr mit der Zeugin S.
Götzl hält vor: "Wurde mal nachts von Auto verfolgt – K. saß drin"
S.: Ja. Aus dem Auto wurde gerufen: "Wir kriegen dich." Saß Person drin, die aussah wie André K.. War nen roter Opel, den ich aus irgendeinem Grund mit Uwe Mundlos in Verbindung bringe.

(Eckhart Querner, BR)
S: Die vage Erinnerung ist, dass ich nach dem Vorfall das jemandem erzählt habe. Und mir berichtet wurde, Mundlos sei (auch) mit so einem Auto unterwegs gewesen.
G: Wie hat K. sich in diesem Moment verhalten?
S: Ich bin weggerannt. Auto ist mit quietschenden Reifen hinterher und ich hab mich dort versteckt, wo Auto nicht hinkommt.

(Tim Aßmann, BR)
G: Thüringer Heimatschutz?
S: Schon mal gehört ja. Im Zusammenhang mit Tino Brandt mal in der Presse gelesen. Es gab auch Aufkleber in der Stadt.
G: Ist der Begriff "Potte" bei dem Vorfall gefallen?
S: Wenn sie es so sagen: Kommt mir bekannt vor. Glaube, Maria sollte sich selber so bezeichnen.
G: Haben Sie der Polizei gesagt, die Täterin war Zschäpe?
S: Das weiß ich nicht mehr
G: Ist denn nicht über die Täterschaft gesprochen worden?
S: Das weiß ich nicht mehr Das ist weg.
G: Haben Sie Frau H. gesagt, dass Sie die Täterin kennen?
S: Das weiß ich nicht mehr
G: Schubsen?
S: War kein Schubsen. War sehr körpernah und sah ziemlich gekonnt aus, wie sie zu Boden gebracht wurde.

(Holger Schmidt, SWR)
G: Nochmal zurück zum Begriff "Potte": Haben Sie Erinnerung, dass das Wort gefallen ist?
S: Es ist ein komisches Wort und Frau Zschäpe hat von Maria verlangt, dass sie sich so nennt.
G: Können Sie das Wort zuordnen?
S: Nein.
G. hält vor "Frau Zschäpe hatte den Ruf, dass sie mit einem Messer in der Tasche rumläuft und auch Männern gegenüber eindeutig aggressiv ist"
S: Ja, das fällt in die Kategorie "hat man sich auf der Straße erzählt". Ich fand das beachtlich.
G: Wenn es heißt "eindeutig"?
S: Weiß ich nicht
G. Vorhalt: "Beeindruckende Persönlichkeit, vor der jeder Angst hatte"
S: Man merkt ja, ob jemand raumeinnehmend ist oder zurückhaltend. Für mich war die Wahrnehmung, dass Leute Angst vor ihr hatten.
G: Welche Situation haben Sie vor Augen und wen meinen Sie damit? Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre eigenen Wahrnehmungen schildern - ist das nicht der Fall?
Zeugin eiert.

G. hält vor: "Obwohl ihre Klamotten normal waren, wusste man, dass sie zur rechten Szene gehört." - Aus welchem Grund wusste man das?
S: Weil man wusste, dass sie Freunde hat, die der rechten Szene zuzuordnen sind, damit bringe ich sie in Verbindung.

G: Erinnern Sie noch die polizeiliche Vernehmung?
S: BKA hat mich angerufen
G: Schon was von Beate Zschäpe gesagt?
S: Hat mich gefragt, ob ich mich an den Vorfall erinnere und ob ich noch weiß, wer es war. Habe gesagt Beate Zschäpe.
Maria H. hat 5 min vorher die Zuschauertribüne verlassen.

(Tim Aßmann, BR)
Nun Lichtbildvorlage
Zeugin erkennt Zschäpe, Böhnhardt,  André K. und bei einer Person Ähnlichkeit mit Jana A. Zeugin wird unvereidigt entlassen.

Weiter um 14.29 Uhr mal wieder mit Kriminalhauptkommissarin Christine L. vom BKA, diesmal geht es um die Zeugenvernehmungen  von Maria H. und Steffi S.

L.: Gab Interview mit Katarina König, die über Erlebnisse mit Zschäpe berichtete. Daraufhin König vernommen und die gab den Hinweis auf Maria H. Die erinnerte sich an den Vorfall und auch an eine Anzeige. Sie war damals in Begleitung einer Steffi. Auch die erinnerte sich und sagte sie konnte Zschäpe zuordnen. Zschäpe war demnach in Begleitung einer Jana A. jetzt Jana J. Tathergang wurde rekonstruiert: 16.9.96. S. und H. auf Altstadtfest in Jena, danach auf Bahn gewartet und Zschäpe war auch dort. Es dürfte die Linie 2 gewesen sein. Dann in der Bahn alle zusammen.
Übergriff von Zschäpe auf H.: Zschäpe saß auf H. Die musste sagen: "Ich bin eine Potte". H. am nächsten Tag zum Arzt. Unterlagen existierten noch. Bruch am linken oberen Sprunggelenk. Programm auf dem Altstadtfest war an dem Tag um 18 Uhr zu Ende. Möglicherweise sind beide nach dem Ende des Festes in die Bahn gestiegen. Das war's.
Ermittlung von Maria H. war zunächst nicht einfach, gelang dann über Lothar König. Ich rief sie an und sie konnte sich sofort erinnern.
G: Namen gefallen von ihr?
L: Der Name Zschäpe kam von ihr. Sie meinte, sie sei von einem Journalisten kontaktiert worden, der sie darauf angesprochen habe.
G. hält vor: "In Vernehmungsvorspann fällt schon der Name Zschäpe"
L: Sie sprach schon in Telefonat mit uns davon. Der Name war auch zuvor schon von Lothar und Katarina König genannt worden.
G: Die Frage ist, warum man das nicht einfach frägt?
L: Weil wir sicher gehen wollten, dass wir von der richtigen Sache reden.
Götzl atmet schwer.
G: Wie war das bei Frau S.?
L: Müssten Sie mir vorhalten.
G. macht das nun. Wieder viele Details als Vorgabe bei der Vernehmung mit drin.
G: Warum?
L: Um den Vorfall klar zu umreißen.
G: Warum geben Sie schon alles vor?
L: Weil die Zeuginnen den Vorfall schon am Telefonat klar eingegrenzt haben
G: Name Zschäpe schon gefallen?
L: Ja. Von Anfang an. Von allen
G: Was haben Sie da gefragt am Telefon?
L: Weiß ich nicht mehr
G: Sinngemäß
L. gibt nun wieder: H. erinnerte sich gleich an den Vorfall und sprach von Zschäpe. S. erzählte, dass sie Zschäpe schon vorher kannte, weil sie im gleichen Viertel wohnte.

Zschäpe-Verteidiger Stahl: Vermerke über Telefonate erstellt?
L: Nein
Stahl: Es wurden doch aber konkrete Sachverhalte eingegrenzt?
L: Das ist richtig. Dazu habe ich Notiz erstellt, dass Telefonat geführt wurde.
Stahl: Waren die Informationen nicht von Bedeutung aus den Telefonaten?
L: Ich habe keine Informationen erhalten, die ich nicht auch aus den Vernehmungen erhalten hätte.
Stahl: Aber die Telefonate waren doch vorher?
L: Ich hatte nicht nachgefragt. Zeuginnen erzählten alles von sich (und dann ging sie davon aus, dass es in der Vernehmung wiederholt wird)
Stahl: Ihr Gespräch gerade eben mit Oberstaatsanwalt Weingarten vor der Sitzung. Ging es da um diese Vernehmung?
L: Es ging um meinen privaten Triathlon.
Zeugin entlassen

Beweisantrag Rechtsanwalt Kienzle (Nebenklage Yozgat): Vernehmung Zeuge Ministerialdirigent Richard R. und Kriminaloberrat Christoph S. vom Innenministerium. Beide werden bekunden, dass sie der Hauptverhandlung hier beiwohnten und erste Temme-Vernehmung beobachteten. Beide Zeugen standen im Zusammenhang mit NSU-Ausschuss des Bundestags. Begründung: Nachweis muss geführt werden, dass behördliche Prozessbeobachtung stattgefunden hat. Steht zu befürchten, dass auf Beweisaufnahme Einfluss genommen werden soll, um Geheimschutzinteressen des Bundesministeriums des Inneren zu wahren.
Schluss für heute - morgen erst um elf Uhr Beginn.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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