NSU-Prozess


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90. Verhandlungstag, 27.2.2014 "Die vom Verfassungsschutz mag ich nicht"

BR-Reporterin Mira Barthelmann hat den 90. Verhandlungtag im NSU-Prozess begleitet. In ihrem Tagebucheintrag schildert sie, wie sich zwei einst Verbündete keines Blickes würdigen. Und wie schmal der Grat zwischen Widersprüchen und Schweigen sein kann.

Von: Mira Barthelmann

Stand: 27.02.2014 | Archiv

Mira Barthelmann | Bild: BR

27 Februar

Donnerstag, 27. Februar 2014

Groß, schlank, lange, schwarze Haare, weiße Jeans, schwarzes Oberteil. Nichts an ihrem heutigen Erscheinungsbild vor Gericht lässt darauf schließen, dass Mandy S. Mitglied der rechten Szene war oder ist. Seit 9.30 Uhr saß sie im Zeugenstand und sagte aus. Beate Zschäpe würdigte die Thüringerin keines Blickes.

Die häufigsten Antworten, die Richter Manfred Götzl unter teilweise endlosem Räuspern seitens der Zeugin zu hören bekam, waren: "Ich weiß es nicht." Und: "Ich weiß es wirklich nicht." Oder: "Daran kann ich mich nicht erinnern." Auch: "Dazu kann ich nichts sagen." Die 38-jährige Friseurin bemühte sich nach Kräften darum, ein Bild von sich zu zeichnen, das sie an den Rand der Szene versetzen sollte. Eine Mitläuferin will sie gewesen sein. Eine, die nie groß nachfragte. Eine, die nur mitgemacht habe, weil es damals halt so gewesen sei und es alle so gemacht hätten.

Schwer zu ertragende Widersprüche

Immer wieder verstrickte sich die Thüringerin in Widersprüche. Am Nachmittag behauptete sie sogar, dass sie bei einer richterlichen Vernehmung im Jahr 2002, bei der sie Fotos des mutmaßlichen NSU-Trios vorgelegt bekommen hatte, nicht gewusst habe, um wen es sich handle. An dieser Stelle war der Geduldsbogen des Vorsitzenden dann zum Bersten gespannt. Götzl stand vor dem Problem, dass sich die Zeugin jederzeit auf §55 StPO hätte berufen können - also ihre Aussage hätte verweigern können, weil gegen sie ein Ermittlungsverfahren läuft und sie sich im Zeugenstand nicht selbst belasten muss. Der Richter beschränkte sich auf eine Ermahnung.

"Also ich möchte eigentlich nicht, dass sie hier falsch aussagen. Aber, ich sehe da schon die Gefahr."

Richter Götzl zur Zeugin Mandy S.

Der Wahrheitsfindung diente dies nicht. Mandy S. konnte sich auch danach nicht besser erinnern.

Keine Geldgeschenke vom Verfassungsschutz

Der 90. Verhandlungstag im OLG

Die letzten beiden Tage im Zeugenstand waren nicht die erste Erfahrung der Friseurin mit einem deutschen Gericht. Bereits im Jahr 2000 war Mandy S. beim Amtsgericht Aue zur Vernehmung vorgeladen worden. Sie sollte dort Fragen des zuständigen Landesamts für Verfassungsschutz beantworten. Für die Friseurin eine Provokation. Sie habe damals "auf stur gestellt", irgendetwas geantwortet und sei dann gegangen. Mit dem Verfassungsschutz habe sie grundsätzlich nichts zu tun haben wollen. Zweimal habe man zuvor schon versucht sie anzuwerben, um Szene-Leute auszuspionieren. Mit Geld habe man sie locken wollen und auf ihre desolaten, finanziellen Mittel hingewiesen. "Und was haben Sie geantwortet?", wollte Richter Götzl wissen. Mandy S. antwortete selbstbewusst.

"Nein. Das mache ich nicht. Die vom Verfassungsschutz mag ich nicht!"

Mandy S.

Über Polizei, Rohrbomben, Ausländer

Die Bundesanwaltschaft stellte heute erstaunlich wenige Fragen an Mandy S. Nach fünf Minuten waren die Ausführungen über die Einstellung zur Polizei, zu Rohrbomben und Ausländern abgehandelt. Ganz anders die Nebenkläger. Die zweite Vertreterin, die an der Reihe war, Antonia von der Behrens, hatte einen ganzen Fragenkatalog vorbereitet. Sowohl Wolfgang Stahl, der Verteidiger von Beate Zschäpe, als auch die Bundesanwaltschaft beanstandeten die Zielrichtung der Fragen.

Zweimal musste die Zeugin den Gerichtssaal verlassen, während innen hitzige Diskussionen über das weitere Fortkommen bei der Befragung geführt wurden. Um 16.30 Uhr stand fest. Mandy S. muss zu einem späteren Zeitpunkt erneut nach München reisen. Die bisher gelieferten Antworten waren den Prozessbeteiligten zu wenig.


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