NSU-Prozess


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NSU-Prozess: Gerichtssaal-Protokoll 89. Verhandlungstag, 26.02.2014

Zu Beginn dieses Prozesstages sagt zunächst ein Sachverständiger des BKA zur Identifizierung der Tatwaffe aus. Am Nachmittag wird die NSU-Helferin Mandy St. vernommen. Sie hatte dem Trio eine Wohnung in Chemnitz vermittelt.

Von: Mira-Catherine Barthelmann, Holger Schmidt, Oliver Bendixen und Tim Aßmann

Stand: 26.02.2014 | Archiv

NSU Prozess Gerichtsprotokoll | Bild: BR

Der Sachverständige des Bundeskriminalamts (BKA) sagt, es sei sicher, dass die in der Zwickauer Frühlingsstraße gefundene Waffe die Tatwaffe des NSU ist. Mandy St. hatte den drei Untergetauchten, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, eine Wohnung in Chemnitz verschafft. Allerdings leugnet sie, näheren Kontakt mit dem Trio gehabt zu haben. Ihre eigene Vergangenheit in der rechten Szene spielt St. ebenfalls herunter - es sei zunächst eine reine "Partyszene" gewesen, die erst später politisiert wurde, als St. schon ausgestiegen war.

Zeugen:
Ruprecht N., Sachverständiger, BKA Wiesbaden (Tatwaffe)
Mandy St. (Umfeld Angeklagte, mit Rechtsbeistand)

ARD-Reporter über das Geschehen im Gerichtssaal

(Mira-Catherine Barthelmann u. Oliver Bendixen, BR)
9.45 Uhr.
Es geht los.
Beate Zschäpe trägt heute ein braunes Top und ist sichtlich guter Laune.
Sachverständiger Ruprecht N., BKA Wiesbaden (Tatkomplex Kiesewetter - kriminaltechnisches Gutachten).
Tatmunitionsteile aus Heilbronn, alles 9 mm Luger, gefunden Hülse und Projektilteile, außerdem Hülse 7,62 mm Tokarev-Pistole und Projektilteile.
Jetzt steht fest: Hülse vom Tatort Heilbronn wurde aus Radom-Pistole verschossen, die in Zwickauer Wohnung gefunden wurde. In der zerstörten Wohnung Zwickau wurden Tausende von Patronen gefunden und Vergleichsuntersuchungen durchgeführt. Ergebnis zum Kaliber 7,62: Projektilteile vom Tatort Heilbronn wurden aus der in Zwickau gefundenen Tokarev-Pistole verschossen.
Sachverständiger nach Nachfragen entlassen.

Zehn Nebenklage-Anwälte beantragen Aktenbeiziehungen zum Thema "Thüringer Heimatschutz" aus dem Bestand des Thüringer Landtagsuntersuchungsausschusses, auch wegen Tino Brandt.
Begründung: Mit den Akten kann das Leben des NSU im Untergrund samt Helfern und Unterstützern nachvollzogen werden. Es geht auch um die Zuverlässigkeit des V-Mannes Brandt. Und wie er vom Verfassungsschutz eingeschätzt wurde.

Mittagspause bis 13 Uhr.

(Oliver Bendixen, BR)
13.15 Uhr. Es geht weiter.
Antrag auf Beiziehung weiterer Akten zur Zeugin Mandy St. Wird abgelehnt. Das Gericht sieht sich auch so in der Lage zu beurteilen, ob die Zeugin ein Auskunftsverweigerungsrecht hat. Mandy St. erscheint mit Anwalt als Zeugenbeistand. Sie ist dunkel gekleidet.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
Mandy St. (Zeugin zum Umfeld der Angeklagten)
- War mit Max-Florian B. liiert.
- B. hat dem Trio im Frühjahr 1998 Unterschlupf in seiner Wohnung in Chemnitz gewährt (Limbacher Straße).
- Mandy S. arbeitete bei der rechtsextremen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene".

Im Saal auf der Zuschauertribüne anwesend: Karl-Heinz Statzberger. Er wurde im Zusammenhang mit der Planung eines Anschlags auf die Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum in München zu 5 Jahren Haft verurteilt. Statzberger trägt ein "Blood and Honour"-T-Shirt (verbotene rechtsextreme Organisation).

Zeugin kommt mit Zeugenbeistand Rechtsanwalt W.
Mandy St., 38 Jahre alt. Friseurin, Schwarzenberg.
Richter Manfred Götzl: Nach §55 steht der Zeugin ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zu, denn es läuft ein Ermittlungsverfahren gegen sie.

St: Ich möchte gerne aussagen. Ich möchte sagen, dass es sehr lange her ist. Kann nur aus Erinnerungsbildern heraus schildern. Ich habe mir Mühe gegeben, das zu rekonstruieren.
1998, im Frühjahr, hat jemand bei mir an der Tür geklingelt und gefragt, ob ich drei Leute unterbringen kann. Dann ist mir spontan eingefallen, dass die bei Max-Florian schlafen können. Die drei habe ich dann erst in der Wohnung von Max-Florian kennengelernt, als ich dann in der Wohnung war, das erste Mal von Angesicht zu Angesicht. Ich hatte dann auch sehr wenig Kontakt.
G: Wer hat denn bei Ihnen geklingelt?
St: Der Armin F.
G: War der alleine?
St: Da bin ich mir nicht mehr so sicher, ob sein Bruder dabei war. Das kann ich nicht mehr so genau sagen.

(Holger Schmidt, SWR)
(Sehr leise und zögerliche Stimme, G. verlangt mehrfach, dass sie lauter spricht und ans Mikro geht.)

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
St: Er hat von drei Leuten gesprochen. Es ging nur um Schlafplätze. Mehr mussten wir nicht wissen.
G: Mehr mussten Sie nicht wissen?
St: Ja, mehr mussten wir nicht wissen.

(Holger Schmidt, SWR)
G: Das sind ja nun sehr spärliche Informationen, die Sie da bekommen haben, da müsste man jetzt mal anfangen, wie Sie zu dem Nachfragenden stehen.
St: Da ich selber in der rechten Szene war, er ein Kamerad war und ich schon selbst zweimal auf der Straße stand, kein Dach über dem Kopf hatte und von Kameraden aufgenommen wurde, habe ich das gemacht.
G: Waren die drei denn auch aus der rechten Szene?
St: Er (Armin F., der bei ihr klingelte) hat gesagt: "Kameraden".
G: Bitte Exkurs, wie es bei Ihnen mit der Szene war?
St: War ja zunächst eine reine Skinheadszene, Bomberjacke, Konzerte, Springerstiefel, bis sich das später politisiert hat und man auch mal auf Demos gegangen ist. Zunächst reine Spaßszene, 1994 / 1995, wo ich meine Lehre gemacht habe.
G: Wie in die Szene gekommen?
St: In der Kneipe einen Skinhead kennengelernt, mit dem dann zusammengekommen.
G: Wer war das?
St: Kai S. Ich habe mir den Kopf rasiert, Springerstiefel und Bomberjacke gekauft und bin dann rumgelaufen wie alle.
G: Mit welchen Personen hatten Sie da zu tun?
St: Fällt mir spontan keiner ein.
G: Kurz nachdenken!
St: Einer hieß Manu, der André E. (der Angeklagte) hat mit mir geschlafen [Anmerkung: gemeint ist, er habe BEI ihr geschlafen.]
(André E. verschränkt die Arme.)
St: Ich bin total nervös, ich kann mich nicht richtig konzentrieren.
G: Nur die Ruhe, ganz langsam, wir kriegen das schon hin. Beispiele für Veranstaltungen?
St: Demo am 1. Mai, Gedenkmärsche, in Dresden war ich auch irgendwann mal, ich glaube 2003.
G: Zurück vom Exkurs, Sie sagten Armin F. habe bei Ihnen geklingelt?
St: Ich bin der Meinung, dass Max-Florian B. bei mir war, als die (das Trio) kamen. Ich weiß aber, dass er aussagt, er sei auf einem Konzert gewesen. Ich kann mir das absolut nicht vorstellen, weil ich selbst stinksauer wäre, wenn jemand so 'was hinter meinem Rücken macht. Aber ich kann es nicht genau erinnern.
G: Diese Wohnung, wo war die damals?
St: Auf der Limbacher Straße, Nummer weiß ich nicht mehr.
G: Und die andere Wohnung, wo war die?
St: Bernhardstraße 11.
G: Wann haben Sie die drei das erste Mal gesehen?
St: Es war nicht lang: ein, zwei Tage.
G: Wie war das?
St: Es war komisch, man wusste ... Sie haben einen friedlichen, netten Eindruck gemacht, haben sich auch beim Max bedankt, dass sie da schlafen dürfen. Bei einem von den dreien habe ich gedacht, den kenn' ich aus Jena, konnte es aber nicht genau sagen.
G: Wer war das?
St: Kann ich nicht mehr sagen, kann sie nicht auseinanderhalten.
G: Können Sie den beschreiben?
St: Nein. Kann nur sagen, hatte das Gefühl, einer sah nett aus, einer böse, und es war der Nette.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Wie, "nett"?
St: Der hat nichts Böses gesagt. Das ist einfach nur so ein Gefühl, der hat nie 'was gesagt. Und den anderen fand ich halt eher nett.
G: Aussehen?
St: Ich kann die eigentlich gar nicht mehr beschreiben. Der Nette hat einen halt nicht mit Blicken durchlöchert, so: "Was willst Du jetzt?" Es war noch ein Mädchen dabei. Die war mir sehr sympathisch, locker, aufgeschlossen und hatte eine nette Art, auf einen zuzugehen.

(Holger Schmidt, SWR)
G: Haben Sie Namen erfahren?
St: Konnte ich bei Vernehmung (durch Polizei) schon auch nicht sagen. Bei der Hausdurchsuchung (später bei ihr) konnte ich ja die Namen lesen, konnte nichts mit den Namen anfangen: Böhnhardt, Zschäpe.
G: War es denn Frau Zschäpe?
St: Ich habe sie nicht wiedererkannt.
G: Beschreiben Sie sie mal.
St: Kleiner, Lockenkopf, piepsige Stimme, niedlich.
G: Größe?
St: So wie ich.
G: Wie groß sind Sie?
St: 1,63.
G: Haarfarbe?
St: Dunkel.
G: Art der Kleidung?
St: Eher sportlich.
G: Männer?
St: Größer wie ich, schlank, ob sie Haare auf dem Kopf hatten, weiß ich nicht mehr, der eine, den ich als nett bezeichnet habe, hatte für einen Mann eher eine piepsige Stimme.
G: Und der andere?
St: Der hat ja praktisch gar nicht mit mir geredet.
G: Gar nicht?
St: Nö, keine Ahnung.
G: Bezüglich der Kleidung etwas in Erinnerung?
St: Nichts Spezielles.
G: Wie war Situation in der Wohnung?
St: Nach einigen Tagen wollte Max 'was aus der Wohnung holen, bin mitgegangen. Sollte eigentlich nicht. Keine Ahnung, ob das besprochen war, aber ich wusste ja eh, dass da jemand in der Wohnung war.
G: Wie lange waren die drei in der Wohnung?
St: Keine Ahnung, hatte ja keinen Kontakt mehr, nachdem Max-Florian bei mir ausgezogen ist.
G: Wann war das?
St: Etwa sechs oder acht Wochen später, kann das nicht an irgendwelchen Daten festmachen.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Hat da Max durchgängig bei Ihnen gewohnt?
St: Ja.
G: Wie lang hat das Trio bei Max gewohnt?
St: Ich hab keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt. Wusste ich nicht. Keine Ahnung.
G: Wie oft war Max in der Wohnung?
St: Kann ich auch nicht sagen. Er hatte jetzt auch keinen Grund, ständig dort zu sein.
G: Wie oft waren Sie in der Wohnung?
St: Ich würde mal sagen, 24 Stunden (insgesamt), dann ist das schon sehr hoch gegriffen. Die Wohnung war in der Nähe meiner Arbeitsstelle. Das lag also auf dem Heimweg. Also, wenn der Max da war, dann habe ich da noch einen Kaffee getrunken und eine Zigarette geraucht. Aber dann musste ich heim, weil ich einen Hund hatte.

(Holger Schmidt, SWR)
G: Wie oft da?
St: Einmal, als ich sie kennengelernt habe und einmal, als es Frau Zschäpe sehr schlecht ging, sie Bauchkrämpfe hatte und ich ihr meine Krankenkassenkarte gegeben habe, damit sie zum Arzt gehen kann. Einmal ging es darum, einen Ausweis in Chemnitz abzuholen, einmal geklingelt, als ich schon mit Max Stress hatte, einmal mit Frau Zschäpe reden, damit sie mit Max redet und unseren Beziehungsstress regelt.
G: Wenn Sie von Frau Zschäpe sprechen, müssen Sie ja schon eine Zuordnung getroffen haben (sie also erkannt haben).
St: Sie haben Recht, ich hätte sagen müssen, die Frau von damals.
G: Warum nicht?
St: Weil mir jeder das so eingeredet hat, dass es die Gleiche ist.
G: Ich habe ihnen nichts eingeredet!
St: Ich meine ja auch nicht Sie.
G: Wen dann?
St: Die Polizei ist ja immer davon ausgegangen und die Medien auch.
G. rekapituliert die Begegnungen und fragt nach konkreten Erinnerungen.
St: In Erinnerung habe ich noch, dass sie komische Würfel gebastelt haben für so ein Spiel.

(Mira-Catherine Barthelmann, BR)
G: Zeitliche Einordnung?
St: Da wird es schon schwierig. Erst die AOK-Karte, dann das mit dem Ausweis. Und das mit den Würfeln, das war zwischendrin. Und dann wegen dem Max. Und dann, weil ich mit dieser Frau reden wollte.
G: Zeitpunkt des Kennenlernens. Haben die sich mit Namen vorgestellt?
St: Kann ich Ihnen nicht mehr sagen. Überhaupt keine Erinnerung.
G: Was ist denn bei diesem ersten Treffen gesprochen worden?
St: Oh Gott. Ich weiß die Situation, als ich zur Tür 'reingekommen bin, aber was da gesprochen worden ist? Dass wir uns angeschaut haben. Und dass mir der eine bekannt vorkam. Ich weiß auch gar nicht mehr, ob wir dann gleich weg sind, oder noch 'rein ins Wohnzimmer.
G: Tageszeit?
St: Kann ich Ihnen nicht sagen.
G: Haben Sie ihn darauf angesprochen, dass Sie ihn kennen?
St: Nein. Das war halt eine komische Situation. Ich habe ja mit der Person nicht geredet, das war ja auch nur, weil da mal eine Party war in Jena. Weil er ein braunes Hemd, schwarze Hose und Krawatte anhatte. Ich war halt der Meinung, dass der dem ähnelt, den ich da gesehen habe. Ich weiß gar nicht, wir sind da rumgefahren. Ich weiß gar nicht, ob die Party überhaupt stattgefunden hat. Wir sind dann wirr 'rumgefahren und haben bei Freunden übernachtet. Irgendwann sind wir dann in dieser Diskothek gelandet.
G: Wie lang hat der Aufenthalt gedauert?
St: Kann ich nicht sagen. Ich persönlich habe gar nicht nachgefragt. Es waren aber ganz viele Gerüchte unterwegs, dass sich drei in Chemnitz verstecken. Aus Gründen halt, Gerüchte, dass eine Hakenkreuzfahne ausgerollt, Puppe mit Judenstern an einer Brücke aufgehängt, eine Garage zur Explosion gebracht worden sei.
G: Von wem waren die Infos?
St: Ja, Szene-Leute. Ich kann nicht mehr sagen, wer das persönlich war. Ich weiß nicht mehr, wer mich darauf angesprochen hat. Also, auf jeden Fall vor der Ausweis-Abholung.
G: Würfel?
St: Ich wusste, dass die da an irgendeinem Spiel basteln, da waren die aber noch im Rohzustand.
G: Haben Sie da nachgefragt?
St: Ja, die haben gesagt, dass sie ein Spiel basteln und Spiele interessieren mich nicht.
G: Das war ja Gesprächsthema zwischen Ihnen und Max.
St: Ach, wegen dem Würfelbasten. (Lacht) ..., dass sie Termine ausgemacht haben, zum Telefonieren in Telefonzellen, das hat er mir gesagt.
G: Worum ging es da??
St: "Ich muss jetzt los. Telefonat." Das habe ich mitbekommen.
Es sollten wohl Pässe besorgt werden, damit sie halt ins Ausland können. Dass sie einen an der Hand gehabt haben, der Pässe besorgen kann. Aber das Angebot sei zu billig gewesen. Und da haben die Angst gehabt, dass es eine Falle ist.

(Tim Aßmann, BR)
Weiter um 14.42 Uhr.
G: Nochmal über Pässe gesprochen?
St: Naja es wurden dann ja direkt bei der Stadt Chemnitz Pässe beantragt.
G: Wie hat Telefonieren funktioniert? Sie hatten von Uhrzeiten und Telefonzellen gesprochen. Können Sie mir das erklären?
St: Nee, kann ich nicht. Nix von mitgekriegt. Hab' nur einmal gehört, wie es hieß: "Ich muss jetzt telefonieren gehen." Habe dann nachgefragt und dann hat - weiß nicht, ob es die Frau war - mir erklärt: "Wir müssen da aufpassen. Handys werden abgehört. Deshalb Telefonzelle." Mehr nicht mitgekriegt. War auch nur einmal.
St: Pässe: Wurde nur gefragt, ob ich einen abholen kann und das hab' ich auch gemacht.
G: Von wem gefragt?
St: Kann ich Ihnen nicht genau sagen. Kann aber nur der Max oder einer von den dreien gewesen sein - weil meines Wissens nach auch sonst keiner davon wusste.
St: Bin im Auto von Max mit ihm direkt zum Einwohnermeldeamt Chemnitz. Hab nach dem besagten Pass gefragt. Ausrede vorher ausgedacht: Dass mich jemand auf Parkplatz angequatscht hätte, Pass gegen Geld abzuholen. Ausrede war aber nicht nötig. Hab einfach abgeholt. Bin wieder raus und hatte Ausweis in der Hand.
St: Ausweis lautete auf Gunnar Fischer. Kann Ihnen aber nicht sagen, von welchem der beiden (der beiden Uwes) das Foto drin war.
War so aufgeregt. Weiß nicht mehr, was ich gesagt habe. Habe unterschrieben, dass ich ihn abgeholt habe.
G: Wem haben Sie den Ausweis gegeben?
St: In die Wohnung zum Max und dort abgegeben.
G: Ausweis angeschaut?
St: Werd' ihn mir sicher angeschaut haben.
G: Und für welchen der beiden Männer war jetzt der Ausweis?
St: Kann ich nicht mehr sagen. Wirklich nicht. Weiß ich nicht. Weiß auch nicht mehr, wem ich den Ausweis übergeben habe.
G: Etwas dafür bekommen?
St: Nein.
G: Was ist gesprochen worden bei Abgabe?
St: Das es halt geklappt hat. Also ich hätt' ja damit gar nicht gerechnet, dass es so funktioniert.
St: Die mögliche Ausrede kam von einem von den zwei Männern (die mit dem Parkplatz).
G: Wo war Max-Florian B. bei der Abholung?
St: Er war mit dabei. Er ist ja auch mit dem Auto gefahren. Hab' ihn vor mir.
G: Wie hätte der sich verhalten sollen?
St: Gleiche Ausrede. Er war ja meine Begleitung.
G: Welche Art von Ausweis?
St: Personalausweis.
G: Hat sich einer von denen über den Ausweis besonders gefreut?
St: Keine Ahnung.
G: Wofür war der Ausweis?
St: Ich glaube, weil man ja Personalausweis braucht, um Reisepass zu bekommen.
G: Wer wollte den Pass?
St: Alle drei. Sie wollten ja ins Ausland, glaube nach Amerika, und dafür braucht man ja Reisepässe.
G: Erzählen Sie doch alles, was Sie zu diesem Thema wissen.
St: Mehr weiß ich nicht.
G: Wie kamen Sie zur Amerika-Information?
St: Darüber wurde gesprochen, wie ich dort war.
G: Sie lassen die handelnden Personen immer außen vor. Es wäre einfacher, Sie würden immer gleich sagen, wer jetzt was gemacht hat. Wirkt so, als wollten Sie nicht alles gleich sagen.
St: Wenn ich es aber nicht weiß. Hatte mitbekommen, dass gefälschte Pässe nicht angenommen wurden, weil es wohl 'ne Falle war. Der beantragte Ausweis war wohl 'n Test, ob es auch so funktioniert. Kurz darauf war ich ja weg (getrennt von B.) und hab nix mehr mitbekommen. Ob noch andere Ausweise oder Pässe beantragt worden sind? Ich weiß es nicht.
G: Auslandspläne: Mit Ihnen darüber gesprochen worden?
St: Weil ich das ja mitbekommen hatte mit den gefälschten Pässen. Da hatten sie mir gesagt, sie wollten ins Ausland. Ich hab' Amerika in Erinnerung. Es muss aber nicht unbedingt stimmen.
G: Mit wem haben Sie denn jetzt gesprochen?
St: Also ich hab' meistens mit der Frau gesprochen.
St: Sie waren immer alle mit im Raum. Ich war nie mit dieser Frau alleine. Sie waren immer mit im Raum.
G: Wie viele Zimmer und wo haben sich die drei aufgehalten?
St: Man kam rein. Rechts war Küche und Wohnzimmer zusammen. Andere Seite Schlafzimmer und in der Mitte, glaub ich, das Bad.
G: Sie sagten, Namen damals nicht gefallen. Männer später mal wieder erkannt?
St: Es wurden mir bei der Vernehmung Fotos vorgelegt und ich habe sie überhaupt nicht wiedererkannt.
G: Bauchkrämpfe von Zschäpe: Schildern Sie mal.
St: Frau lag total verkrampft auf dem Sofa, hat auch geweint. Habe gesagt, sie soll zum Frauenarzt und sie hat gesagt, dass sie nicht mal versichert ist, keine Karte hat. Ich weiß nicht, ob ich ihr Karte angeboten habe oder ob ich gefragt wurde. War ausgemacht, dass die Karte wieder in meinem Briefkasten liegt, wenn sie sie nicht mehr braucht. Lag dann auch in meinem Briefkasten. War nicht lang. Drei Tage? Also war nicht gleich am nächsten Tag, aber hat nicht lange gedauert.
St: Was dann beim Arzt rauskam, ob sie überhaupt da war, weiß ich nicht mehr. War vielleicht kurz, bevor sich Max von mir trennte.
G: Vorhin haben Sie gesagt: war am Anfang?
St: Ich hab' da keine Erinnerung mehr.
G: Hat man darüber gesprochen, dass das ein Risiko sein könnte mit der Karte?
St: Hab' ich mir überhaupt keinen Kopf gemacht. Ich geh' nicht zum Arzt - also zum Frauenarzt.
St: Weiß, dass es nicht korrekt ist. Ist ja Versicherungsbetrug. Das war mir bewusst.
G: Zu den Würfeln?
St: Ich war in dieser Wohnküche und da war das auf dem Tisch gelegen. Weiß nicht, ob ich gefragt habe oder ob sie von sich aus gesagt haben: "Na, das wird ein Spiel. Wir brauchen ja was zu tun."
Anwesend waren die drei und wohl auch der Max-Florian B., weil, ich war nie allein in der Wohnung. Ich weiß nicht, was ich gesagt hab. Kann ich so genau nicht sagen. Ist halt hängen geblieben, dass Würfelchen da waren und auch, weil mir die Kripo das halt vorgelegt hat - solche Würfelchen.
G: Mit B. mal darüber gesprochen?
St: Max-Florian B. hat ja eigentlich immer dasselbe gesehen wie ich, weil er ja zusammen mit mir dort war.
G: Sie tun so, als ob dann kein Anlass mehr bestehen würde, darüber zu sprechen.
St: Mir fällt dazu nichts ein.
G. hakt nach.
St: Ich kann es nicht sagen! Ich weiß es nicht mehr! Ich belaste mich doch hier schon genug, oder nicht? Wenn ich sage, ich weiß es nicht, dann mein' ich es auch so.
G: Haben die drei mit Ihnen darüber gesprochen, wozu dieses Spiel gemacht wurde?
S. gibt Töne von sich, die wie Schluchzen klingen.

Vernehmung wenig später beendet, Zeugin muss wieder kommen.

Schluss.

Hinweis

Diese Texte sind eine Auswahl der Mitschriften der Reporter der ARD und des BR während der zentralen Verhandlungstage im sogenannten "NSU-Prozess", eines beispiellosen Verfahrens der deutschen Rechtsgeschichte. Wir dokumentieren diesen "Originalton", weil es in der deutschen Praxis des Strafprozessrechts, selbst bei derartig wichtigen Verfahren, kein offizielles und umfassendes Gerichtsprotokoll gibt. Wir erfüllen damit unsere Informationspflicht, um allen, die keinen der begehrten Sitzplätze im Gerichtssaal erhalten haben, einen - durchaus auch subjektiven - Eindruck der Prozessereignisse zu vermitteln. Die Zusammenfassungen der sogenannten "Saalinfos" unserer Reporter sind redaktionell bearbeitet, zum Teil gekürzt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben und es kann natürlich auch keine Gewähr für die Richtigkeit jedes einzelnen Wortes gegeben werden. Die Redaktion distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten der Aussagen der Prozessteilnehmer.


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