NSU-Prozess


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62. Verhandlungstag, 28.11.2013 Wichtige Angaben vom Zschäpe-Cousin

Stefan A. gab am zweiten Tag seiner Aussage weitere Einblicke in die Jenaer Neonazi-Szene. Sein Aussageverhalten stellte die Prozessbeteiligten auf eine Geduldsprobe, er war allerdings kooperativer als andere "Szene-Zeugen".

Von: Tim Aßmann

Stand: 28.11.2013 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

28 November

Donnerstag, 28. November 2013

Eine Gruppe junger Männer steht vor einem großen lodernden Feuer. Sie halten eine Reichskriegsflagge vor sich und strecken die rechten Arme weit von sich. Drei Finger hat jeder von ihnen dabei abgespreizt. Der Grund ist einfach: Im Gegensatz zum Hitler-Gruß ist der sogenannte Kühnen-Gruß mit den abgespreizten Fingern nicht strafbar. So sah sie aus: die Welt des Stefan A. in der 1990er-Jahren. Der Zschäpe-Cousin ist auch auf dem Foto mit der Flagge und dem Feuer. Es wurde bei einer Kreuzverbrennung aufgenommen. Die Neonazi-Gruppe habe den Ku-Klux-Clan nachgeäfft, erzählte Stefan A. als Zeuge im NSU-Prozess. Mit auf dem Foto: der tote mutmaßliche Rechtsterrorist Uwe Böhnhardt und die Angeklagten Ralf Wohlleben und Holger G. Sie alle waren einmal Freunde von Stefan A., der auch ein enges Verhältnis zu seiner Cousine Beate Zschäpe hatte - bevor sie mit Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Untergrund ging.

Skinheads, Parties und Saufen

Die zweitägige Aussage von Stefan A. gab Einblicke in die Jenaer Neonazi-Szene Mitte und Ende der 1990er-Jahre. A. beschrieb eine zweigeteilte Szene aus den politisch aktiven Rechtsextremen der "Scheitelfraktion" und den Skinheads der Spaßfraktion für die Rechtsrock-Konzerte, Parties und Saufen im Mittelpunkt standen. Stefan A. gehörte nach eigenen Angaben zur zweiten Gruppe. Für den Prozess waren seine Angaben wichtig. Er beschrieb seine Cousine als selbstbewusste, durchsetzungsstarke Frau, die sich nichts gefallen ließ und auch mal handgreiflich wurde. Das stärkt die These der Bundesanwaltschaft, dass Zschäpe keine fremdbestimmte Mitläuferin im NSU, sondern gleichberechtigtes Mitglied war.

Stefan A.s Aussageverhalten stellte die Prozessbeteiligten phasenweise auf eine Geduldsprobe. Die Antworten kamen oft nur zögerlich und waren einsilbig. Einige Opferanwälte bezeichneten ihn als "maulfaul". Insgesamt allerdings war Stefan A. in seiner Aussage deutlich kooperativer als andere sogenannte "Szene-Zeugen" in den vergangenen Wochen. Dass Stefan A. sich allerdings tatsächlich von rechtsextremem Gedankengut entfernt hat, muss jeder bezweifeln, der sich die dumpfen Neonazi-Parolen auf seiner Facebook-Seite angeschaut hat.

Verfassungsschützer im Zeugenstand

Am 62. Verhandlungstag warf auch schon der nächste Sitzungstermin seine Schatten voraus. Dann - am nächsten Dienstag - soll erneut der hessische Verfassungsschützer Andreas T. aussagen. Jener V-Mann-Führer, der beim Kasseler Mord, der dem NSU zugerechnet wird, am Tatort war. Die Prozessbeteiligten erhielten nun vor der erneuten Vernehmung die Zusammenfassung eines sogenannten kognitiven Interviews, das ein Polizeipsychologe mit Andreas T. führte. Ziel war die Erinnerung von T. an den Tag des Mordes aufzufrischen. Das gelang nicht und der Psychologe zog danach das Fazit Andreas T. wirke "scheinangepasst". Am nächsten Dienstag wird der Vorsitzende Richter Manfred Götzl den Zeugen Andreas T. nach seinen Erinnerungen fragen.


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