NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Der 47. Verhandlungstag

Nicht zum ersten Mal prallten im NSU-Prozess Welten aufeinander - Im Zeugenstand ein ehemaliger Waffenhändler aus der Schweiz, der heute als Transportunternehmer arbeitet.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 16.10.2013 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

16 Oktober

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Ein flotter Typ mit offenem Hemdkragen und Sneakers - schlagfertig und mit einem guten Erinnerungsvermögen, was sein vor zehn Jahren aufgegebenes Geschäft in der Nähe von Bern angeht. Ihn versuchen nun Nebenklageanwälte in die Zange zu nehmen und ihm ein irgendwie unseriöses Geschäftsgebaren anzuhängen.

Das geht genauso daneben wie die Vorstöße der Verteidiger von Ralf Wohlleben, die Äpfel mit  Birnen vergleichen und dem Zeugen einreden wollen, er könne sich nicht richtig erinnern. Dass er die berüchtigte Ceska-Pistole, mit der in Deutschland von Rechtsterroristen neun Menschen ermordet wurden, von einem Lieferanten bezogen und an einen schweizer Privatmann weiterverkauft hat, bestätigt der Zeuge. Zu gestehen hat er nichts. Der Deal war nach den Gesetzen im Kanton Bern völlig legal. Und dann belegt er Punkt für Punkt, wie das Geschäft abgewickelt wurde. "Pistolen töten nicht - Menschen töten!" So fasste dann am Nachmittag ein Nebenklageanwalt die Befragung des schweizer Unternehmers zusammen.

Zwei weitere Zeugen aus der Schweiz hatte das Oberlandesgericht nach München vorgeladen. Doch keiner der beiden will derzeit im NSU-Prozess als Zeuge aussagen, was der Nebenklageanwalt Yuvuz Narin mehr als bedauert -Gerade diese Zeugen - so sagt er - seien besonders interessant, weil sie in der Vergangenheit auch bereits die Ermittler des deutschen Bundeskriminalamtes erkennbar angelogen hätten. Möglichkeiten, die beiden im Ausland lebenden Männer in den Zeugenstand zu zwingen, hat das Oberlandesgericht so gut wie keine, sagt seine Sprecherin Andrea Titz. Und derzeit scheint es wenig wahrscheinlich, dass sich das gesamte Gericht samt 69 Nebenklageanwälten auf den Weg in die Schweiz macht. Was bleibt, ist die Einführung früherer Aussagen der Zeugen, die ja bereits protokolliert wurden.

Durch die heutige Aussage des schweizerischen  Waffenhändlers sehen die Anwälte des geständigen  Angeklagten Carsten S. übrigens die Angaben ihres Mandanten bestätigt. Der hatte immer berichtet, dass er die Waffe mitsamt einem Schalldämpfer an die beiden Uwes übergeben habe. Die verschlungenen Wege aufzudecken, auf denen die Ceska aus Bern nach Zwickau kam, dürfte keine leichte Aufgabe für die Richter werden, wenn die entscheidenden Zeugen sich so gar nicht daran beteiligen mögen.


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