NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Der 41. Verhandlungstag

Man kann Ismail Yozgat nur wünschen, dass er am Ende dieses Tages wenigstens etwas erleichtert ist und vielleicht künftig besser schläft. Der 58-Jährige wusste dass ihm emotional schwere Augenblicke bevorstanden - im Saal A 101 des Münchner Strafjustizzentrums.

Von: Tim Aßmann

Stand: 01.10.2013 | Archiv

Tim Aßmann | Bild: BR

01 Oktober

Dienstag, 01. Oktober 2013

Unterstützt von einem Dolmetscher wandte sich Ismail Yozgat zunächst sehr ruhig an alle Anwesenden und sagte: "Ich begrüße sie respektvoll" und begann dann zu schildern aber eben anders als sich der Vorsitzende Richter das zunächst vorgestellt hatte.

Ismail Yozgat erzählte noch nicht wie er seinen Sohn damals im April 2006 sterbend in dessen Internetcafé in Kassel fand. Er berichtete ausführlich, was die Tat aus der Familie machte. Wie furchtbar die Verdächtigungen gegen die Familie gewesen seien, die Gerüchte der 21-jährige Halit habe wegen Drogengeschäften sterben müssen. Als Zuhörer merkte man deutlich, dass da jemand lange darauf gewartet hatte, dass ihm auch einmal zugehört wird, dass auch er einmal Raum bekommt - für SEINE Geschichte.

"Er hat nicht geantwortet"

Ismail Yozgat kam damals am sechsten April, einen Tag vor seinem eigenen Geburtstag, in das Internetcafé und fand seinen Sohn hinter dem Tresen in einer Blutlache, getroffen von zwei Kopfschüssen. An dieser Stelle der Schilderung kann der Vater sich im Gerichtssaal nicht mehr beherrschen. Er springt auf und schreit: "Er hat nicht geantwortet, er hat nicht geantwortet" ruft er immer wieder auf türkisch. Zuvor hatte er auch bereits eine offene Frage in den Saal hinein gestellt: Warum haben sie meinen Sohn getötet? Was hatte er für eine Tat begangen? Beate Zschäpe schaute da, wie meist während der Aussage von Ismail Yozgat auf ihre gefalteten Hände.

Offene Fragen an den Verfassungsschützer

Aufklärung. Das ist es was Ismail Yozgat sich am Meisten wünscht - auch von dem Mann, der an diesem Nachmittag als Zeuge kam. Andreas T., der ehemalige hessische Verfassungsschützer war am Tatort als Halit Yozgat erschossen wurde. Rein zufällig wie er sagt, und den Mord will er nicht bemerkt haben. Bei der Polizei meldete sich Andreas T. allerdings nach der Tat nicht selbst.

Warum? Weil er sich in den Wochentagen geirrt, und gedacht habe, er sei an einem anderem Tag in dem Internetcafé gewesen. Diese Version nahm ihm Manfred Götzl offenkundig nicht ab. Der Vorsitzende Richter sezierte den Zeugen Andreas T. förmlich, fragte alleine fast eine Stunde nur nach der Begebenheit mit den Wochentagen und warum T. nicht zur Polizei ging.

Der Zeuge sagte immer wieder, dass er sein Verhalten von damals nicht erklären könne und es ihm heute leid tue. Letztlich blieben seine Aussagen an diesem Punkt unglaubwürdig. Und auch daran, ob T. den sterbenden Halit Yozgat wirklich nicht hinter dem Ladentresen liegen sah, sind Zweifel angebracht. Das Gericht jedenfalls will weiter fragen. Andreas T. muss an einem anderen Tag noch einmal als Zeuge nach München kommen.


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