NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Nachbarin war in akuter Lebensgefahr

Beate Zschäpe wird unter anderem vorgeworfen, das Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße in Brand gesetzt zu haben. Während es in Flammen stand, befand sich darin eine Seniorin. Zeugenaussagen zufolge überlebte sie nur durch viel Glück.

Von: Oliver Bendixen

Stand: 30.07.2013 | Archiv

Oliver Bendixen | Bild: Bayerischer Rundfunk

30 Juli

Dienstag, 30. Juli 2013

Zehn Zeugen hatte das Gericht bereits gehört, um zu klären, was bei dem mutmaßlich von Beate Zschäpe gelegten Brand in dem Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße geschah. Doch erst heute - am 29. Verhandlungstag - wurde klar, in welcher Gefahr sich eine in dem Anwesen lebende, damals 89-jährige Frau wirklich befand. Sie hatte - offensichtlich etwas schwerhörig - den Knall der Explosion gar nicht gehört. Und sie hätte ohne fremde Hilfe auch keine Chance mehr gehabt, aus dem in Flammen stehenden Anwesen zu entkommen.

Dies schilderten heute eindrucksvoll drei Verwandte der Seniorin, die im gegenüberliegenden Block leben und hautnah mitbekamen, wie es zuerst fürchterlich krachte und dann dichter Qualm aus jenem Appartement aufstieg, das die Hauptangeklagte zusammen mit den beiden Uwes damals bewohnte und als konspirative Wohnung für den NSU genutzt haben dürfte.

Der Schock der alten Dame

Die auf den Rollstuhl angewiesene Seniorin aus der Wohnung im ersten Stock wurde von der Familie gerade noch in Sicherheit gebracht, erlitt wenige Stunden später einen Schock und lebte nach diversen Umzügen in einem Pflegeheim. Eine damals 16-jährige Schülerin meinte heute im Zeugenstand: die ganze Aufregung, der Totalverlust ihrer geliebten Wohnung und das ganze Drumherum, das war einfach zu viel für die alte Dame.

Zschäpes Reaktion

Interessant war Zschäpes Reaktion auf die Schilderung des Schicksals eines Menschen, den sie selbst aus ihrer Nachbarschaft kennt. Die Hauptangeklagte in dem NSU-Verfahren und die Seniorin - sie müssen sich fast täglich im Treppenhaus begegnet sein. Heute jedenfalls verzichtete Zschäpe darauf, stundenlang auf den Bildschirm ihres Laptops zu starren - und so zu tun, als ginge sie das alles nichts an. Mit diesem Verhalten hatte sie seit Prozessbeginn vor allem jene Nebenkläger provoziert, die hofften, bei ihr irgendeine Gefühlsregung zu beobachten, wenn die schrecklichsten Details der Morde zur Sprache kamen.


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