NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Ein Belastungszeuge und die Salamitaktik

Im NSU-Prozess ging es heute um den Mitangeklagten Holger G.. Er gilt als einer der wichtigsten Unterstützer der Zwickauer Terroristenzelle. Seine Rolle versucht er herunterzuspielen, wie Thies Marsen erläutert.

Von: Thies Marsen

Stand: 16.07.2013 | Archiv

Thies Marsen | Bild: BR/Theresa Högner

16 Juli

Dienstag, 16. Juli 2013

Wie glaubwürdig ist ein Hauptbelastungszeuge, der seine Rolle selbst immer möglichst klein geredet hat? Und der nun vor Gericht auch gar keine kritische Nachfrage beantworten will? Das war die alles beherrschende Frage heute vor dem Münchner Oberlandesgericht. Und es wird spannend werden wie das Gericht sie am Ende beantworten wird.

Prinzip Salamitaktik

Für den außenstehenden Beobachter wirkt es jedenfalls so, als habe der Angeklagte Holger G. stets die Salamitaktik gewählt: Scheibchenweise immer nur so viel zugeben, wie unbedingt nötig. Dem Bundeskriminalamt hat Holger G. kurz nach seiner Verhaftung ausführlich geantwortet, ein Großteil der Anklage fußt auf seinen Aussagen - weil er jetzt aber nicht selbst vor Gericht sprechen will, müssen eben die Beamten, die ihn damals befragt haben, vernommen werden.

Aussagen der Ermittler

Eine mühselige Prozedur, denn Richter Götzl wollte heute von dem BKA-Beamten im Zeugenstand immer ganz genau wissen, bei welcher Vernehmung Holger G. was gesagt hat - und selbst Profis bringen da schon mal einiges durcheinander. Ein Eindruck aber drängt sich auf: Holger G., der immerhin mal zum härtesten Kern der Thüringer Neonazi-Szene zählte, der die untergetauchten NSU-Terroristen mit Ausweisen, Krankenkassenkarten, Führerscheinen versorgte, hat einen, sagen wir: selektiven Umgang mit der Wahrheit.

Was ist ein Waffe?

Ein Beispiel: Er habe Waffen abgelehnt, sagte er bei der Polizei - meinte damit aber nicht etwa die Knüppel und Messer mit denen die Neonazis in Jena jahrelang ihre politischen Gegner traktierten und die er auch selbst regelmäßig mit sich führte, sondern "nur" Schusswaffen. Er sei aus der Szene ausgestiegen, als er nach Hannover gezogen sei, so Holger G. weiter.

"Nur Freundschaftsdienste"

Dabei verkehrte er dort weiterhin mit aktiven Neonazis, besuchte auch später noch Prozesse gegen Neonazis und Rechtsrock-Konzerte. Seine Dienste für den NSU seien nur Freundschaftsdienste gewesen, er habe sogar zeitweise den Eindruck gehabt, das Trio hätte sich wie er von der braunen Ideologie gelöst, hat Holger G. ausgesagt. Soll man solche Aussagen als naiv bezeichnen - oder doch als ziemlich dreist?


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