NSU-Prozess


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Tagebuch der Gerichtsreporter Zwei Angeklagte wollen reden

Zwei der Angeklagten im NSU-Prozess wollen im Hauptverfahren aussagen. Carsten S. und Holger G. kündigten an, sich zu äußern. Passieren wird das allerdings frühestens am 4. Juni. Erst dann ist der nächste Verhandlungstag.

Stand: 16.05.2013 | Archiv

Christoph Arnowski | Bild: Bayerischer Rundfunk

16 Mai

Donnerstag, 16. Mai 2013

Stell Dir vor, es ist NSU-Prozess und keiner geht hin. Zugegebenermaßen, dieses abgewandelte Zitat ist etwas überspitzt formuliert. Aber: Hätte nach dem wochenlangen medialen Trommelfeuer um Verhandlungssaal und reservierte Presseplätze irgendjemand gedacht, dass das öffentliche Interesse an diesem "wichtigsten Prozess der letzten Jahrzehnte" in Deutschland so schnell abnimmt?

Das Interesse ebbt ab

Absperrungen am Eingang zum Gerichtsgebäude

Tatsache ist: mittlerweile ist es kein Problem mehr, als Besucher oder Journalist auf die Empore des großen Schwurgerichtssaals zu kommen. Man muss nicht einmal warten. Die 101 Plätze nehmen überwiegend Kollegen ein, die für Medien arbeiten, die ein ernsthaftes Interesse am gesamten NSU-Prozess und dessen Verlauf haben. Und das sind eben deutlich weniger als die 327 Bewerber, die im zweiten Akkreditierungsverfahren in der Lostrommel lagen.

Im Prozess selbst geht es nur langsam voran. Aber daran muss man sich wohl in einem Verfahren mit so vielen direkten Beteiligten gewöhnen. Auch wenn es noch nicht zur Sache geht, hat das Gericht wichtige Weichenstellungen vorgenommen.

Keine Auslagerung des Nagelbombenanschlags

Der vorsitzende Richter Manfred Götzl

Die Auslagerung des Tatkomplexes Nagelbombenanschlag Keupstraße in Köln in einen zweiten Prozess, die der vorsitzende Richter Manfred Götzl vorgestern ins Spiel gebracht hatte, ist vorläufig vom Tisch. Das Gericht hat dadurch einen Eklat vermieden, andernfalls so höre ich aus Nebenklägerkreisen, hätten die Anwälte der Opfer geschlossen den Saal verlassen.

Keine Überraschung ist auch, dass Götzl mehrere Anträge der Verteidigung ablehnt. Es wird keine Videoaufzeichnung des Verfahrens geben und auch kein stenografisches Wortprotokoll.

Völlig unerwartet dagegen nehmen Verteidiger und Nebenkläger die Bundesanwaltschaft ins Visier. Dass die Anklagebehörde die Akten der Untersuchungsausschüsse nicht für verfahrensrelevant hält, kritisieren beide Seiten in überraschender Einmütigkeit scharf.

Angeklagte wollen aussagen

Noch ist nicht über alle Anträge der Verteidigung entschieden. Doch bereits heute ist klar. Nach der planmäßigen Pause von zwei Wochen während der Pfingsferien wird es am nächsten Verhandlungstag, dem 4. Juni,  zur Sache gehen. Und zwar gleich richtig. So versicherte der sogenannte Kronzeuge der Anklage Carsten S. erneut, dass er aussagen werde und auch Fragen beantworten. Sein Verteidiger Jacob Hösl erklärte mir gegenüber wörtlich: "Ich denke, der Tatkomplex, der ihn betrifft, hat für das gesamte Verfahren eine große Bedeutung, insofern wird seine Aussage auch große Bedeutung haben."

Carsten S. soll laut Anklage dem NSU die Czeska-Pistole besorgt haben, die bei neun der zehn Morde zum Einsatz kam.


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