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Barrierefreiheit

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Wie Menschen mit Behinderung Social Media nutzen

Bilder und Video-Inhalte sind aus Social Media nicht mehr wegzudenken - doch Menschen mit Behinderung stellt das oft vor Probleme. Der BR hat einen blinden Mann und eine schwerhörige Frau getroffen, die davon erzählen. Von Marlene Mengue

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

Wenn Alexander Paukovic am Computer sitzt und seine Facebook-Seite aufruft, ist das etwas lauter als bei anderen. Denn der 41-Jährige lässt sich seine Seite vorlesen. Er ist blind. Auf der mobilen Version, die Alexander im Browser aufruft, kommt er deutlich besser klar als auf der üblichen Facebook-Seite. Hier ist alles etwas reduzierter und übersichtlicher. Ein Problem bekommt er trotzdem, sobald Bilder im Spiel sind.

"Das Schwierigste bei der Teilhabe blinder Menschen an Social Media ist, wenn die vielen Bilder die ja angeblich mehr sagen als tausend Worte, nicht beschrieben oder nur mit einem Kommentar wie 'Ha! Das ist was Schönes' gepostet werden – da habe ich keine Ahnung, worum es geht." Alexander Paukovic

Automatische Bilderkennung bei Facebook

Seit einiger Zeit verwendet Facebook eine automatische Bilderkennung. Bei einem Familienfoto im Freien könnte Alexander so ungefähr folgende Bildbeschreibung hören: Menschen, Sonne, Bäume. Immerhin. Wenn in dem geposteten Bild aber Text steht, kann das Programm die Aussage nicht erkennen.

Iris Meinhardt hingegen hat mit Bildern gar kein Problem. Die 28-Jährige ist hochgradig schwerhörig. Sie benutzt gerne Facebook und Instagram. Wenn Medienhäuser Videos bei Facebook posten, bekommt sie meistens alles mit.

"Die Videos heutzutage sind oft untertitelt mittlerweile, hauptsächlich, weil die Leute Facebook oder so auf ihren Handys benutzen und unterwegs sich das nicht anhören können." Iris Meinhardt

Barrierefreiheit bedeutet alle Einschränkungen mitzudenken

Wenn Iris aber durch ihre Facebook Timeline scrollt, entdeckt sie immer mal wieder Videos ohne Untertitelung. Da hat sie kaum eine Chance.

Für Iris sind lesbare Untertitel wichtig, der Ton ist ihr egal – Alexander braucht aber den Ton, um mitzukommen. Barrierefreiheit bedeutet auch im Netz: Alle Einschränkungen mitzudenken, sagt Irmgard Badura, Inklusionsbeauftrage der Bayerischen Landesregierung.

"Je mehr man bei Barrierefreiheit in die Tiefe geht, desto komplexer und schwieriger wird es. Es ist für mich völlig logisch, dass schwer hörende Menschen oder gehörlose Menschen ganz viel mit Bildern arbeiten. Für uns blinde und sehbehinderte Menschen sind Bilder oft schwierig. Aber die verschiedenen Kanäle zu bedienen, das ist die Herausforderung. Und das muss man sich jeden Tag aufs Neue bewusst machen." Irmgard Badura, Inklusionsbeauftrage der Bayerischen Landesregierung

Auch die Politik hinkt hinterher

Die Politik müsse Anbieter dazu verpflichten, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Doch selbst die Politik selbst, die Vorreiter sein sollte, tut sich damit schwer.

"Die einfachsten Handgriffe sollten längst selbstverständlich sein, aber ich stelle immer wieder fest: Egal, ob bei bayerischen Behörden, beim Landtag, bei der Politik – egal wo, es gibt immer wieder Hürden, die nicht beachtet worden sind, die nicht geklärt sind. Und wo kein regelmäßiges Bewusstsein da ist von wegen ich muss checken, hab ich die Barrierefreiheit bestmöglich umgesetzt." Irmgard Badura, Inklusionsbeauftrage der Bayerischen Landesregierung

Nachholbedarf bei Bildbeschreibungen

Dieses Bewusstsein bedeutet auch, dass es nicht nur die offensichtlicheren Hilfsmittel wie Bildbeschreibungen und Untertitel sind, die soziale Netzwerke barrierefrei machen. Immer wieder kommentiert Alexander Paukovic Posts von Medienhäusern nach dem Motto: "Hallo, blinder User hier, was sieht man denn auf dem Bild?"

"Die Reaktion ist dann oft: Oh ja tut uns leid, müssten wir eigentlich machen, da ist schon oft so ein Unrechtsbewusstsein da. Und der, dem das passiert ist, wird den Fehler oft nicht ein zweites Mal machen. Bei manchen Redaktionen und Medienschaffenden muss man aber doch immer wieder darauf hinweisen, das es wichtig ist, mit Bildbeschreibung zu arbeiten." Alexander Paukovic

Social Media als Hilfe

Wenn es auch manchmal lange dauert: In den letzten Jahren habe sich viel getan in Sachen Barrierefreiheit im Netz, meint Alexander – nicht etwa, weil Anbieter selbst darauf kommen, sondern weil Menschen mit Behinderung sich zusammentun und auf ihre Bedürfnisse aufmerksam machen. Und schon jetzt gibt es für sie durchaus einige Seiten an Social Media, die das Leben einfacher machen. Messenger-Dienste zum Beispiel: Bei Whatsapp können Blinde ganz einfach Sprachnachrichten verschicken. Die schwerhörige Iris kann damit nichts anfangen – sie benutzt dafür umso lieber Facetime, den Videochat von Facebook. Denn damit kann sie in Gebärdensprache telefonieren.

"Ich persönlich benutze hauptsächlich Facetime. Weil ich gehörlose Eltern hab und einen gehörlosen Freund und wir gebärden dann über Facetime. Dann müssen wir nicht schreiben, es ist genauso wie telefonieren, manchmal hat man keine Lust auf Schreiben und dann kann man gleich direkt besser Informationen austauschen oder sich auch unterhalten." Iris Meinhardt