Für WM-Besucher ein verpflichtender Begleiter: Experten haltenz wei katarische Smarpthone-Apps für willkürliche Überwachungsinstrumente
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Für WM-Besucher ein verpflichtender Begleiter: Experten halten zwei katarische Smarpthone-Apps für willkürliche Überwachungsinstrumente

    Wie Katar WM-Besucher per App überwachen will

    Zwei verpflichtende Apps für WM-Touristen in Katar gelten als Sicherheitsrisiko: Wer Fußballspiele live im Stadion sehen will, muss sie installiert haben. Experten warnen vor willkürlicher Überwachung.

    Einiges ist seltsam an der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in diesem Jahr. Ungewohnt sind nicht nur Ort und Zeitpunkt des Turniers, sondern auch die Auflagen für WM-Touristen.

    So müssen alle Besucher der WM in Katar verpflichtend zwei Apps auf ihren Smartphones installieren, die Zugriff auf praktisch alle im Handy gespeicherten Daten haben. Als würde man dem Land Katar die eigenen Hausschlüssel überlassen, so beschreiben es Datenschutzexperten laut des norwegischen öffentlich-rechtlichen Senders NRK.

    Echtzeitüberwachung in der katarischen Corona-App

    Eine dieser Apps ist Ehteraz, die katarische Version der Corona-Warn-App in Deutschland. Ehteraz hat nicht nur vollen Zugriff auf den Smartphone-Speicher, sie kann auch in Echtzeit die Standorte seiner Nutzer verfolgen und speichert Bluetooth- oder WLAN-Verbindungen in einer zentralen Datenbank.

    Amnesty International warnt schon länger vor dieser Technologie, spricht von einem "aggressiven zentralisierten Ansatz" und schätzt die App als "menschenrechtlich problematisch bis gefährlich in Bezug auf willkürliche Überwachung und Verletzungen von Privatsphäre sowie Datenschutz" ein. Seit Mai 2020 ist die Verwendung der App verpflichtend für alle, die sich im Land aufhalten.

    App-AGBs dulden keinen Widerspruch

    Auch an der offiziellen WM-App führt für Besucher kein Weg vorbei. Mit ihr lässt sich die sogenannte Hayya Card verwalten: Jeder, der zwischen dem 1. November und 23. Januar nach Katar einreisen will, muss eine Hayya-Karte beantragen. Ein Smartphone ist dafür Pflicht. In der App hinterlegt werden auch Stadiontickets, und sie erlaubt die kostenlose Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

    Dabei verschafft sich auch die WM-App Zugriff auf den Smartphone-Speicher und verfolgt nach Belieben den Standort des Geräts sowie dessen Netzwerkverbindungen. Eine Option, diesen weitreichenden Befugnissen ganz oder zum Teil zu widersprechen, gibt es in keiner der beiden Apps. Wer installiert, stimmt zu.

    Voller Zugriff mit Lese- und Schreibrechten

    Dem norwegischen Sender graut es für die kommende Berichterstattung aus Katar vor den möglichen Folgen dieser App-Datenkraken: "Sie können einfach den Inhalt Ihres gesamten Telefons verändern und haben vollen Zugriff auf alle Informationen darauf", sagt Øyvind Vasaasen, Head of Security bei NRK. Dazu zählen vermutlich auch Informationen aus anderen Apps.

    Was die katarische Regierung mit diesen Möglichkeiten anstellt, bleibt ihr überlassen. So oder so verlangt sie mit den beiden Apps einen gehörigen Vertrauensvorschuss von WM-Besuchern aus der ganzen Welt. Solche, die ein Mindestmaß an Privatsphäre wahren wollen, fühlen sich womöglich auch genötigt zur Anschaffung eines extra Smartphones nur für diese Reise.

    Nur mit dem Zweit-Telefon nach Katar?

    "Wer sich zur Fußball-Weltmeisterschaft in Katar aufmacht, sollte das private Handy lieber zu Hause lassen", urteilt netzpolitik.org. Sicherheitsforscherin Mona Naomi Lindtvendt von der Universität Oslo rät Arbeitgebern sogar, Mitarbeiter ihre Firmentelefone erst gar nicht mit ins Land nehmen zu lassen. Noch deutlicher wird Martin Gravåk von der IT-Sicherheitsfirma Bouvet: "Wer die Opposition verfolgt, Schwule oder andere unliebsame Menschen, dem macht es so eine App sehr viel einfacher", sagt er dem Sender NRK.

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