Bildrechte: Media Cover Image

BR24_3

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Wenn Google den Friseur anruft

Google hat zur i/o-Konferenz am Hauptsitz in Mountain View geladen. Interessant vor allem das neue Android-Betriebssystem und der selbständig telefonierende Assistent. Von Marcus Schuler und Christian Sachsinger

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft kompakt am .

Es hatte etwas Gruseliges und Faszinierendes zugleich: Google lässt seinen Home Assistentin in einem Friseurgeschäft anrufen, um einen Termin zu vereinbaren. Die Stimme ist vom Computer gemacht und von einer menschlichen Stimme kaum mehr zu unterscheiden. Sogar das “ähm” und “mmmhh” ist computergeneriert, die Frau im Friseurladen merkt nicht, dass sie hier eigentlich mit einem Computer redet. Duplex nennt das Unternehmen die neue Technologie. Wann sie auf den Markt kommt, wollte Google-Chef Sundar Pichai noch nicht verraten.

Im Netz laufen aber schon jetzt die Debatten über Nutzen und Gefahren einer solchen Technik. Praktisch wäre natürlich, wenn uns Google lästige Anrufe nebst Warteschleifen abnimmt. Unheimlich ist dagegen, wenn wir künftig nicht mehr sicher wissen, ob wir mit einer Maschine sprechen oder mit einem Menschen.

Android P soll Nutzer disziplinieren

Wie kein anderes Unternehmen baut Google auf künstliche Intelligenz: schwarz-weiss-Fotos werden automatisch und korrekt eingefärbt. Das Smartphone schickt einen sofort in die richtige Richtung, weil die Kamera die umliegenden Gebäude erkennt. Sätze in E-Mails werden automatisch vervollständigt, weil KI mutmaßt, wie der Satz zu Ende geht. Auch beim neuen Betriebssystem Android P - dem Nachfolger von Android 8.1 - spielt künstliche Intelligenz eine immer wichtigere Rolle. Android P wird neue Funktionen an Bord haben, die vorhersehen, was der Nutzer als nächstes tut und zum Beispiel die passende App starten. Mit einer ganzen Reihe neuer Funktionen reagiert Google bei Android P außerdem auf die Debatte um exzessive Smartphone-Nutzung. So kann man etwa für einzelne Apps etwa eine maximale Nutzungszeit einstellen.

Datendebatte weitgehend ignoriert

Das Thema Datenschutz oder Privatsphäre kam in der Rede von Pichai so gut wie nicht vor. Er versuchte auf der Präsentation vielmehr ein fröhliches und ausgelassenes Bild seines Unternehmens zu zeichnen. Das zeigt aber auch das Dilemma des Konzerns. Konkurrent und Nachbar Facebook stand vor wenigen Wochen im Zentrum eines riesigen Datenskandals. Google, das mit dem Erfassen von Daten sein Geld verdient, weil es damit seinen Nutzern zielgerichtete Werbung vorsetzen kann, tut so, als habe es diesen Datenskandal nicht gegeben, als sei man davon unberührt. Nur einmal in seiner Rede betont Google Chef Sundar Pichai, wie wichtig der verantwortungsvolle Umgang mit neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz sei.

Wohin wollen wir eigentlich?

Der New Yorker Journalistik-Professor Jeff Jarvis, der durch sein Buch: “Was würde Google tun?” weltweit bekannt geworden ist, plädiert für einen gelassenen Umgang mit neuen Technologien, wie Duplex:

Vor zehn Jahren hätte ich mir selbstfahrende Autos nicht vorstellen können. Oder Roboter, die beim Zahnarzt anrufen und einen Termin für mich ausmachen. Lass sie uns doch erst einmal anfangen und dann die neue Technologie beobachten und daraus lernen." Autor Jeff Jarvis

Jarvis fragt, welchen Schaden Künstliche Intelligenz bislang angerichtet habe? Das Problem besteht seiner Ansicht nach darin, dass wir als Gesellschaft noch nicht einmal wissen, wo wir technologisch stehen und wo wir hin wollen. Google scheint das zu wissen und die Lücke geschickt zu nutzen. In Mountain View zeigte man einen Videoclip, in dem eine Computerstimme des Home Assistentin Kinder lobt, weil sie sich höflich mit ihr unterhalten haben. Eine Funktion, die es übrigens auch bei Amazons Echo schon gibt.