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Facebook und Wahlkampf

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Warum Facebook US-Präsidenten macht - aber noch keine Kanzler

Warum Facebook US-Präsidenten macht - aber noch keine Kanzler

Facebook auf dem Weg zur politischen Weltmacht: Als Kanzlermacher taugt Facebook aber noch nicht. Dies sind Ergebnisse eines Forschungsprojekts an der Münchner Hochschule für Politik. Es blickt auch hinter den Erfolg der AfD. Von Jürgen Lang

30 Millionen Dollar gab Trump für den Online-Wahlkampf aus, das meiste davon steckte er in Facebook. Gut angelegtes Geld: Zuckerbergs Unternehmen habe sich zur wichtigsten Plattform für politische Kommunikation entwickelt, sagt Projektleiter Simon Hegelich, Professor für Political Data Science. Facebook setzt auf Emotionalität und sammelt gigantische Mengen an User-Daten – eine verlockende Mixtur für Politikstrategen, Verschwörungstheoretiker und Extremisten.

Man könne mit Facebook zwar keine Wähler politisch umdrehen, so Hegelich. Aber die ständige Botschaft "Man kann Hillary Clinton nicht vertrauen" hat selbst entschiedene Trumpgegner von den Wahllokalen ferngehalten. Facebook macht also US-Präsidenten, aber keine Bundeskanzler – noch nicht. Der Grund: In den USA werden die Sozialen Medien weitaus stärker instrumentalisiert. Dort nutzt man inzwischen die Userdaten von Facebook für passgenaue Wähleransprachen. Dieses Mikrotargeting ist bei uns noch nicht angekommen. Hierzulande konzipieren noch PR-Agenturen die Wahlkämpfe, jenseits des Atlantiks bereits Data-Teams.

Erfolgreiche AfD-Strategie

Die Untersuchungen der Münchner Wissenschaftler bestätigen: die Provokationsstrategie der AfD hatte Erfolg. Immer wenn die etablierten Medien verstärkt über die Partei berichteten, seien deren Umfragewerte exakt eine Woche später in die Höhe geschnellt – ein Effekt, den Hegelichs Team bei keiner anderen Partei feststellte.

"Wenn immer mehr über die AfD berichtet wird, dann sinkt sozusagen die Hemmschwelle, sie auch dann zu wählen, wenn negativ über sie berichtet wird." Simon Hegelich

Die Sozialen Medien tragen ihren Teil dazu bei. Die Politologen analysierten 350 Millionen Tweets, die mit politischen Parteien in Zusammenhang standen. Das Ergebnis verblüfft: Allein am Tag der Bundestagswahl wurde die AfD genauso oft erwähnt wie alle anderen Parteien zusammen. Auf Facebook war die AfD während des Wahlkampfs die mit Abstand populärste Partei.

Rechtsextremisten polarisieren die Gesellschaft

Die Forscher nahmen auch rechtsextreme Onlineaktivitäten unter die Lupe und stellten zwei Trends fest: Zum einen die zunehmende Vernetzung deutscher Extremisten mit Plattformen der amerikanischen AltRight-Bewegung. In den USA werden auf Plattformen extreme Aussagen eher geduldet als in Deutschland. Die rechte Propaganda schwappt über den Atlantik zu uns zurück.

Zum anderen seien rechte Netzwerke wesentlich dichter gewebt und abgegrenzter als andere. Dies trage messbar zur Spaltung der gesamten Gesellschaft bei, sagt Hegelich. Im Grunde ist es die Fortsetzung einer klassischen extremistischen Strategie im digitalen Bereich: der Zersetzung demokratischer Gesellschaften. Dabei kämen im Internet Techniken zum Einsatz, die eigentlich im militärischen Bereich oder von Geheimdiensten entwickelt wurden.

"Es ging in den USA gar nicht darum, Trump zu unterstützen, sondern darum, die Polarisierung der Gesellschaft voranzutreiben." Simon Hegelich

Dass die in Deutschland von rechtsaußen gestartete "Merkel muss weg"-Kampagne nicht den beabsichtigten Effekt hatte, ist demnach keine Gewähr für die Zukunft. Schon in vier Jahren – bis zum nächsten Wahltermin – kann der durch die sozialen Medien vorangetriebene "Strukturwandel der Öffentlichkeit", so Hegelichs Diagnose, die Gesellschaft völlig verändert haben.

„Die Politik hat keine Konzepte“

Der Forscher spricht von einer digitalen Revolution in unserem Kommunikationsverhalten – vergleichbar mit der Erfindung des Buchdrucks, der zunächst auch nur eine technische Neuerung war. "Danach kam der Dreißigjährige Krieg." Der historische Seitenhieb soll die Politik treffen. Diese wisse keine Antwort auf die Tatsache, dass wir es mit einer völlig neuen, von allen Seiten manipulierbaren Kommunikationsstruktur zu tun haben.

"Wir müssen unbedingt anfangen, gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir mit diesem neuen Phänomen umgehen. Und das muss sehr, sehr schnell gehen. Es kann nicht sein, dass man, wenn es um die digitale Revolution geht, immer nur über Breitbandausbau und Laptops an den Schulen spricht."

Die USA und China haben bereits solche Konzepte. Allerdings markieren der amerikanische digitale Liberalismus und der chinesische digitale Totalitarismus zwei wenig nachahmenswerte Extreme. Wie ein deutscher oder europäischer Mittelweg aussehen könnte, ließ Hegelich offen.