Mann trägt vernetzte Hörhilfe
Bildrechte: Christian Sachsinger

Dominik Andelshauser

    Vernetzte Hörhilfe: Wenn das Handy im Innenohr bimmelt

    Die Digitalisierung beschert der Hörgerätebranche ganz neue Möglichkeiten. Fest einoperierte Hörimplantate lassen sich inzwischen gut mit Smartphones vernetzen. Für Gehörlose entsteht dadurch eine ganz neue Lebensqualität.

    Der Münchner Dominik Andelshauser hat von Geburt nicht gut gehört und mit den Jahren verschlechterte sich der Zustand weiter. Im Alter von 30 Jahren sei er an der Taubheitsgrenze angekommen, erzählt er. Normale Hörgeräte halfen nur noch bedingt. Vor allem abends beim Weggehen, in Kneipen, sei das ein Problem gewesen, sagt der heute 48-Jährige: "Ich bin dagesessen und hab gelächelt, genickt und hab immer gehofft, dass ich keine Frage gestellt kriege."

    Implantat Teil des Innenohrs

    Inzwischen ist das Ausgehen kein Problem mehr, denn Dominik hat seit ein paar Jahren ein sogenanntes Cochlea-Implantat, kurz CI. Cochlea ist ein Teil des Innenohrs und erinnert an die Form eines Schneckengehäuses. Tobias Rader, Professor für Audiologie am Klinikum Großhadern in München, betreut Cochlea-Implantat-Träger wie Dominik. Er erklärt, die Patienten bekämen mit kleinen elektrischen Impulsen den Hörnerv stimuliert und könnten dadurch wieder hören.

    Das Implantat, ein Plättchen von der Größe einer Euro-Münze, an dem ein kleiner Draht dranhängt, wird im Zuge einer Operation unter der Haut hinter dem Ohr eingesetzt. "Eine sehr feiner Eingriff", beteuert der Professor. Der Draht wird dabei in die Hörschnecke geführt und sendet dann dort die akustischen Signale.

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    links das Implantat, recht das Empfang- und Sendeteil

    Außen braucht man noch ein relativ auffälliges Empfangs- und Sendeteil. Dieser Audioprozessor schaut ein wenig aus wie ein klassisches Hörgerät, nur dass es hier noch ein ebenfalls Münz-großes magnetisches Plättchen gibt. Das wird außen am Kopf sozusagen angeklickt, unter der Haut ist im Implantat der Gegenmagnet.

    Digitales Upgrade für Hörhilfen

    Solche CIs gibt es seit einigen Jahrzehnten, sie wurden bereits bei rund einer Million Menschen eingesetzt. Neu ist allerdings das Zusammenspiel mit digitaler Technik, sprich mit den Smartphones. Dominik zückt sein Handy, ein iPhone. Apple hat die Ankopplung an die Hörhilfen ins Betriebssystem integriert, Man braucht also noch nicht einmal eine extra App. Es gibt einen Bereich "Hörhilfen", von dem aus sich alles steuern lässt. Auch Android Handys würden sich aber inzwischen gut anbinden lassen, sagte Dominik. Die Anbindung bringt dabei ganz neue Möglichkeiten.

    Restaurant-Modus hilft auch im Bierzelt

    Mit den Smartphones lässt sich die Hörhilfe lauter und leiser stellen. Man muss für Justierungen also nicht mehr extra zum Arzt gehen. Sehr hilfreich sei auch das Restaurantprogramm. Das nutzt Dominik sogar im Bierzelt, um sich trotz Geräuschkulisse jetzt endlich wieder zu unterhalten. Das Programm dämpft dann die Geräusche von hinten ab und man bekommt mit, was das Gegenüber sagt. Das sei wirklich ein Gewinn, wenn man an den Gesprächen wieder teilnehmen könne. Praktisch auch: die Hörhilfe funktioniert genauso als Kopfhörer. "Ich hör damit sehr viel Musik. Bei dieser direkten Verbindung klingt das sehr schön, das geht direkt ins Ohr."

    Anruf auf´s Innenohr

    Auch das Telefonieren klappt jetzt wieder reibungsloser. Das sei für Hörgeschädigte grundsätzlich eher schwierig sagt Professor Rader. Man muss den Handy-Lautsprecher ziemlich genau über das Mikrofon des Hörgeräts bringen, um gut zu verstehen. Wenn man verrutscht versteht man schlecht. Außerdem würden die Nebengeräusche nicht abgedämpft, so Rader. Dominik hat diese Probleme nicht mehr, er bekommt die Anrufe sozusagen störungsfrei direkt in´s Ohr gelegt. Da das Smartphone mit dem CI gekoppelt ist, bimmelt es im Kopf. Dominik hält das Handy trotzdem ans Ohr, um anderen Personen zu zeigen, dass er gerade telefoniert und nicht angesprochen werden will. Außerdem braucht er noch das Mikrofon vom Smartphone. Sein nächstes Modell, hofft er, wird auch das Mikro integriert haben. Und es gibt noch eine Sache, die stört.

    "Es muss zuverlässiger werden"

    Gerade beim Telefonieren hakt die Verbindung zwischen Smartphone und CI. So gibt es zum Beispiel bei Dominik Probleme mit dem Flugmodus. Wenn er den anschaltet und später wieder deaktiviert, wenn er wieder erreichbar sein möchte, dann dauert es ziemlich lange, bis sich Handy und Hörhilfe wieder verbunden haben. Das Problem: Apple verändert oft Kleinigkeiten an den Übertragungsprotokollen etwas und die Hersteller der Hörhilfen müssen dann jedes Mal nacharbeiten. Das brauche oft eine gewisse Zeit und solange hakt es, wie Dominik erklärt, der sich mit der Technik bestens auskennt.

    Trotzdem ist für Dominik Andelshauser das digitalisierte CI ein riesen Fortschritt. Da ihm seine Krankheit auch das Augenlicht zunehmend nimmt, ist er umso mehr auf gutes Hören angewiesen. Unterkriegen lassen will er sich dabei nicht. Er scheint fest entschlossen mit Hilfe der Technik seine Probleme so gut es eben geht auszugleichen. Und dann erzählt er noch, dass er letztes Jahr auf dem Konzert von "Guns n' Roses" im Münchner Olympiastadion war. "Und dieses Jahr fahre ich nach Hamburg, um bei Metallica teilzunehmen."

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