Twitter-Chef Elon Musk
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Twitter-Chef Elon Musk

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Großbaustelle Twitter: Verliert Elon Musk die Kontrolle?

Technische Störungen, finanzielle Probleme, eine Zunahme von Hass und Hetze: Mit seinen ehrgeizigen Umbau-Plänen hat Elon Musk Twitter zu einer riesigen Baustelle gemacht. Droht ihm nun die Kontrolle zu entgleiten?

2023 war bislang kein gutes Jahr für Twitter - und für die Twitter-Nutzer. Mindestens fünf technische Störungen hat es bereits gegeben, unter anderem konnten Nutzerinnen nicht twittern oder bekamen nicht alle Tweets angezeigt. Am Montag gab es eine weitere technische Panne, als sich zeitweise Links, Fotos und Videos nicht aufrufen ließen.

Der Grund: Ein Mitarbeiter hatte eine kleine Änderung an Twitters Programmierschnittstelle (Application Programming Interface, API) vorgenommen, die zu einem Dominoeffekt führte und Twitters API lahmlegte. Bereits im Februar hatten Arbeiten an der API zu Störungen geführt.

Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter entlassen

Beobachter führen die technischen Probleme darauf zurück, dass Musk mehrere Tausend Angestellte entlassen hat, darunter viele Software-Entwickler. Als Musk Twitter im Oktober 2022 kaufte, hatte die Firma 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Anfang Januar waren es Musk zufolge noch 2.300, US-Fachmedien berichten jedoch, dass nur noch 1.300 Twitter-Mitarbeiter aktiv sind, unter ihnen 550 Software-Entwickler. Weitere technische Ausfälle sind daher nicht unwahrscheinlich.

Belästigungen, Drohungen und Hassbotschaften nehmen zu

Von den massiven Entlassungen war auch ein Großteil der Mitarbeiter betroffen, die für Content-Moderation zuständig waren. Twitter hat bestimmte manuelle Überprüfungen abgeschafft und stützt sich nun noch stärker auf automatisierte Methoden zur Überwachung von Tweets. Das hat dazu geführt, dass der Ton auf Twitter deutlich rauer geworden ist. Belästigungen, Drohungen und strafbare Hassbotschaften hätten seit der Übernahme durch Musk zugenommen, insbesondere Frauen seien betroffen, berichtet der britische Rundfunk BBC unter Berufung auf aktuelle und frühere Twitter-Mitarbeiter. Zudem sei Twitter sei nicht mehr in der Lage, die Nutzer vor staatlich koordinierter Desinformation zu schützen.

Die weitgehend automatisierte Content-Moderation könnte für Twitter vor allem in Europa ein Problem werden. In der EU ist der Digital Services Act in Kraft getreten, der die Plattformen verpflichtet, bestimmte Standards zur Moderation von Inhalten einzuhalten - unter anderem ein Beschwerdeverfahren gegen Moderationsentscheidungen. Das gibt es momentan bei Twitter nicht.

Nun hat die EU-Kommission Musk aufgefordert, mehr Mitarbeiter als Moderatoren und Faktenchecker einzustellen, um Beiträge auf Twitter zu prüfen, wie die "Financial Times" berichtet.

Im Gegensatz zum größeren Konkurrenten Meta, zu dem Facebook und Instagram gehören, beschäftigt Twitter keine Faktenprüfer. Zur Bekämpfung von Desinformation setzt Musk auf die Community, die irreführende Tweets mit mehr Kontextinformation versehen soll. "Community Notes" heißt das Projekt.

Sinkende Einnahmen, hohe Zinsen

Multi-Milliardär Musk hat sich zum Ziel gesetzt, das verlustbringende Unternehmen zu sanieren. Um Kosten zu senken, hat er mehrere Tausend Mitarbeiter entlassen. Außerdem zahlt die Firma offene Rechnungen nicht, zum Beispiel für Büroräume, Server oder Wartungsverträge. Auch bei Amazon steht Twitter mit mehr als 60 Millionen US-Dollar in der Kreide.

Um die Einnahmen zu erhöhen, versucht Musk, Kunden für den Premium-Dienst Twitter Blue zu gewinnen, der 8 Dollar im Monat kostet. Bislang aber mit eher geringem Erfolg. Auf der anderen Seite haben zahlreiche Werbekunden Twitter den Rücken gekehrt.

Die Rechnung, Twitter profitabel zu machen, ist bislang also noch nicht aufgegangen, im Gegenteil: Umsatz und Gewinn sollen im Dezember 2022 um 40 Prozent unter den Werten vom Dezember 2021 gelegen haben, berichtet das "Wall Street Journal". Und dann muss Twitter noch den 13 Milliarden-Dollar-Kredit zurückzahlen, den Musk aufgenommen hat, um Twitter überhaupt kaufen zu können. Obendrauf kommen die Zinsen dafür. Sie liegen bei jährlich 1,5 Milliarden Dollar, zu zahlen in vierteljährlichen Tranchen.

Fachblog: Musk hat Twitter komplett entkernt

Auch wenn seit Musks Twitter-Übernahme erst vier Monate vergangen sind und man noch abwarten muss, wie sich seine Maßnahmen finanziell auswirken: Momentan deutet wenig darauf hin, dass Musk Twitter in die Gewinnzone führt.

Hat Elon Musk also zu viele Baustellen auf einmal eröffnet? So sieht es zumindest das Social-Media-Watchblog: "Innerhalb weniger Monate hat Musk Twitter komplett entkernt. Das geschah zu schnell und zu radikal, um nachhaltig sein zu können."

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