18 Jahre alt ist Facebook mittlerweile, volljährig sozusagen. Seit zehn Jahren ist die Firma, die sich seit 2021 Meta nennt, an der Börse notiert. In dieser Zeit hat sie sich immer wieder gewandelt, etwa Instagram und WhatsApp gekauft. Letzte Woche musste Meta eine unerfreuliche Veränderung bekannt geben.
Erstmals seit dem Börsengang 2012 ging der Umsatz des Unternehmens zurück. Meta-Chef Mark Zuckerberg verwies auf die wirtschaftliche Gesamtlage. Es gibt aber auch andere Faktoren: eine Datenschutz-Änderung bei Apple-Produkten sorgt dafür, dass Meta weniger Daten von Usern erhält, die Facebook oder Instagram etwa auf iPhones nutzen. Und noch etwas macht Meta Sorgen: der Erfolg von TikTok.
Der Unterschied zwischen TikTok und WhatsApp
Sichtbar wird das nicht zuletzt daran, mit wie viel Verve Meta versucht, TikToks Funktionalität und Design abzukupfern. Auch bei Facebook aber vor allem bei Instagram. Dazu gehören Tests bei Instagram, damit Videos und Fotos – wie bei TikTok – die gesamte Höhe des Handydisplays einnehmen können.
Vor allem aber geht es um die Empfehlungsfunktionalitäten, quasi den Algorithmus. Der Kernunterschied zwischen Instagram und TikTok ist hier bisher: Bei Instagram folgt man bestimmten Accounts wie Freunden, Kollegen, vielleicht ein paar Firmen, Medienkanälen, Influencern und bekommt zu sehen, was die posten. Bei TikTok werden dem User Videos vorgeschlagen, er schaut sie an oder wischt eben weiter. Was ihm angezeigt wird, hängt davon ab, was er sich anschaut und was nicht, egal ob er einer Person folgt. Wer Hundevideos anschaut und bei Katzen weiterwischt, bekommt mehr Hundevideos. Bei Instagram entscheidet das aktive Folgen eines Accounts, bei TikTok das aus dem Nutzerverhalten eruierte Interesse.
Letzteres will Meta auch bei Facebook und Instagram einführen: Auf den Startseiten sollen User mehr Inhalte von Accounts sehen, denen sie nicht folgen, statt Inhalte von Freunden und Co. Zudem soll sich der Fokus stärker auf Videos verschieben, die User eher als Fotos zu sehen bekommen. Auch das eine Anleihe an TikTok.
Stories waren Snapchat-Kopie - mit Erfolg
Mit Abkupfern zurück auf die Erfolgsspur? Neu ist diese Strategie für Meta nicht. Snapchat, dessen Gründer ein Kaufangebot von Facebook ausschlug, ist das wohl bekannteste Opfer der Kopier-Taktik.
So war die Einführung der Insta-Stories - spontane, weniger auf Hochglanz getrimmte Schnappschüsse, die nach 24 Stunden wieder verschwinden – eine direkte Reaktion auf Snapchat, die mit automatisch verschwindenden Posts groß geworden waren. Und die Kopie funktionierte. Zwar gibt es Snap auch heute noch, wirklich gefährlich wurde es Instagram aber nie. Und: Stories sind von Instagram nicht mehr wegzudenken, ein großer Teil des Contents entsteht dort. Das Abkupfern war hier also ein voller Erfolg.
Dass es sich um Abkupfern handelte, war 2016 fast allen klar, gestört hat das damals jedoch fast keinen.
Insta-Promis gegen das neue Insta
Das ist bei der Annäherung an TikTok ganz offenbar anders. Ein aktueller Instagram-Post mit folgender Aufschrift hat in knapp einer Woche 2,25 Millionen Likes gesammelt: "Macht Instagram wieder zu Instagram. (Hört auf wie TIkTok sein zu wollen, ich will doch nur süße Fotos meiner Freunde sehen), Beste Grüße, alle."
Der Grund für diese hohe Zahl an Likes dürfte Instagram und Meta jedoch noch mehr beunruhigen: Der Post wurde unter anderem von Kylie Jenner und ihrer Halbschwester Kim Kardashian geteilt. Die beiden sind mit rund 360 bzw. 325 Millionen Followern auf Platz 3 und 7 der beliebtesten Instagram-Kanäle derzeit.
Jenner hat auch bei Snap schon einmal mit Kritik an einem Update für deutliche Wertverluste gesorgt. Auch unabhängig davon wäre es für Instagram jedoch fatal, wenn große Zugpferde sich abwenden. Zumal ja auch das Instagram-Fußvolk nicht begeistert scheint, wie die Likes aber auch eine Change.org-Petition mit fast 300.000 Unterschriften zeigen.
Nervöse Reaktion von Instagram
Wie nervös man bei Meta ist, wurde nicht zuletzt klar, als Instagram-Chef Adam Mosseri sich persönlich einschaltete. In einer Video-Botschaft und in einem „Verge“-Interview äußerte er sich vergangene Woche. Er verteidigte den Fokus auf Video, gab aber auch zu, dass die Tests mit dem TikTok-ähnlichen Fullscreen-Design und den verstärkten Vorschlägen von Accounts, denen man nicht folgt, noch nicht ausgereift seien. Schließlich gab er gar bekannt, dass diese Tests vorerst abgeblasen werden.
Die Unsicherheit bei Meta scheint also groß. Zumal Kritik an neuen Funktionen oder anderen Umstellungen in Apps aller Art, nichts Ungewöhnliches ist. Als Facebook 2012 den Newsfeed einführte, wo alle Informationen von Freunden gebündelt zusammenliefen (vorher musste man sich aktiv durch die Profile klicken), waren keineswegs alle begeistert. Wenig später wurde so ein zentraler Feed zum Goldstandard der sozialen Medien.
TikTok wächst (schneller)
Bleibt die Frage, warum Meta sich nun gerade hier so deutlich ändern will. Ganz grundsätzlich steht hinter dem beständigen Verändern des eigenen Angebots natürlich stets der Wunsch nach Wachstum. An sich haben ja sowohl Facebook als auch Instagram viele Milliarden User, denen Werbung ausgespielt werden kann. Mit Blick auf die Zukunft will man jedoch mehr.
Ein zentrales Problem dabei zuletzt: die jungen User. Während man mittlerweile mit Meta-Produkten in fast allen erreichbaren Erdteilen und allen Altersklassen vertreten ist (mancher unkt, dass bei Facebook sogar fast nur noch die Generation 50+ Zeit verbringt), bleibt die Jugend weg. Und nutzt eben nicht selten die Dienste von TikTok.
TikTok wächst auch unabhängig davon stark. So stieg die Zahl der mindestens wöchentlichen Nutzer von TikTok in Deutschland laut ARD/ZDF-Onlinestudie von drei Prozent 2020 auf neun Prozent 2021. Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es gar 32 Prozent. Das Wachstum von Instagram war deutlich schwächer (Instagram: 20 auf 26 Prozent), bei Facebook zeigt die Kurve im Vergleich zu 2018 oder 2019 gar nach unten, was regelmäßige User angeht.
Vorbereitung auf TikTok-Verbot?
Da ein Kauf von TikTok allein aus kartellrechtlichen Gründen als Option ausscheiden dürfte, versucht Meta über Reels, Algorithmus-Annäherungen und Co. vorhandene User davon abhalten, ihre Zeit auf TikTok zu verbringen und andererseits neue User hinzugewinnen. Hierbei sollte man nicht vergessen, das TikTok als chinesische App etwa im Milliardenstaat Indien verboten ist und auch in den USA immer wieder Verbotsdiskussionen aufgekommen, da man fürchtet, dass TikTok-Daten an Chinas Regierung gehen. Würde TikTok in den USA geblockt, hätte Instagram dank Reels die Alternative schon parat.
Auch die Tatsache, dass sich bei Instagram dann theoretisch Videos, Fotos und Stories bündeln, könnte mancher irgendwann als Vorteil gegenüber der Video-zentrierten TikTok-Alternative sehen. Und doch: Anders als bei der Einführung der Stories muss Instagram für den Switch hin zu Videos und hin zu einem TikTok-ähnlichen Empfehlungsalgorithmus viel Porzellan zerschlagen.
Erfolg mit TikTok-Kopie? Möglich, aber nicht sicher
Die Stories waren ein Zusatzangebot, die den eigentlichen Fokus von Instagram - Fotos von Freunden und Influencern in einem vom Nutzer selbst erstellten Feed – zumindest augenscheinlich unverändert ließen. Werden die aktuellen TikTok-inspirierten Pläne umgesetzt, wird Instagram mit der App, die sich die Menschen Anfang des letzten Jahrzehnts auf ihr Handy luden, nur noch sehr wenig gemeinsam haben.
Möglich, dass sich die Jenners und Kardashians, aber Otto-Normal-User dieser Welt, die das bisherige Instagram mochten, dann eine Alternative suchen, wo unbewegte Bilder im Fokus stehen. Möglich aber auch, dass sich alle an das neue Instagram gewöhnen. So wie heute sich keiner mehr nach einem Facebook zurücksehnt, in dem man nacheinander Profile auf Neuigkeiten scannen muss.
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