Zwei junge Männer spielen in einem abgedunkelten Raum Halo 3 aus dem Jahr 2009
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Kapuzenpullover, abgedunkelter Raum, grimmige Gesichter: So stellen sich viele "Killerspiel"-Kritiker den typischen Videospiel-Konsum vor.

    Sind Computerspiele wirklich schuld an der Silvester-Gewalt?

    Wird erst virtuell geballert und dann real? Eine Journalistin gibt im Presseclub Computerspielen eine Mitschuld an den Silvester-Ausschreitungen. Was ist dran an dem Vorwurf?

    Man dürfe nicht außer Acht lassen, welche Videospiele gespielt würden und mit "welchem Realismus dort Menschen sich gegenseitig abschlachten”, sagt die Journalistin Eva Quadbeck im Presseclub am vergangenen Sonntag - und stieß damit eine Debatte im Netz los. Ohne mit der Wimper zu Zucken säßen vor allem junge Männer vor diesen Spielen und würden andere ermorden und jagen, so Quadbeck. Auf Twitter wiederum hieß es, Computerspiele würden zu Sündenböcken gemacht – wieder einmal.

    Droht eine neue "Killerspiel"-Diskussion?

    Denn manch einer sieht in diesen Erklärungsansätzen zu den Vorkommnissen an Silvester einen Wiedergänger der berühmt-berüchtigten “Killerspieldebatte”, die ihren Höhepunkt in den Nullerjahren hatte. Damals war es zu Schul-Amokläufen in Bad Reichenhall (1999), Erfurt (2002) und in Winnenden (2009) gekommen und die Politik suchte nach den Ursachen für diese Gewalttaten. Hinzu kam, dass die Jugendgewalt damals einen Höhepunkt erreicht hatte. 2009 wurde beispielsweise der deutsche Manager Dominik Brunner bei einer Auseinandersetzung mit einer Gruppe junger Männer an einem Münchner S-Bahnhof getötet. Die Politik suchte nach einer Erklärung für diese Gewaltexzesse und fand sie in unter anderem in gewalthaltigen Computerspielen. 2005 schaffte es die Forderung nach einem "Killerspiel-Verbot" sogar in den Koalitionsvertrag der Großen Koalition.

    Führen Computerspiele wirklich zu mehr Gewalt?

    Seitdem ist es ruhig geworden um die Killerspieldebatte, auch wenn die damalige Diskussion immer wieder mal kurz aufflammt. Nach dem Terroranschlag auf das Olympia Einkaufszentrum hieß es beispielsweise, Computerspiele mit Gewaltdarstellungen würden Mitschuld tragen. Auch in den USA werden Computerspiele immer wieder, insbesondere von Seiten der Waffenlobby, für Amokläufe verantwortlich gemacht.

    Lange Zeit war die Frage, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß Computerspiele aggressiv machen, ein Streit unter Forschern. Viel wurde diskutiert, über Wirkmechanismen solcher Spiele und über die richtigen Methoden, diese zu erforschen. Mittlerweile scheint sich der Konsens herauskristallisiert zu haben, dass der Konsum von gewalthaltigen Spielen nicht gewalttätiger macht - zumindest nicht dauerhaft. Das zeigt beispielsweise eine Langzeitstudie der Loyola University Chicago. Den aktuellen Stand der Wissenschaft fasst die Journalistin Mai Thi Nguyen-Kim auf ihrem mehrfach preisgekrönten YouTube-Kanal maiLab zusammen. Hierbei geht sie auch auf Missverständnisse und methodische Herausforderungen ein.

    Es wird mehr gespielt - und trotzdem sinkt die Gewalt

    Wichtiger aber: Jenseits aller Wirkungsstudien lässt sich konstatieren, dass die Jugendgewalt seit 2010 insgesamt massiv zurückgegangen ist, auch wenn in den letzten Jahren wieder ein leichter Anstieg zu beobachten war.

    Obwohl also immer mehr junge Menschen Computerspiele spielen und Computertspiele mittlerweile ein Milliardenmarkt geworden sind, ist die Jugendkriminalität gesunken. Dies legt nicht gerade einen Zusammenhang zwischen gewalttätigen Jugendlichen und gewalttätigen Computerspielen nahe.

    "Killerspiele" stehen heute im Museum

    Womit die Journalistin Eva Quadbeck aber recht hat, ist die Beobachtung, dass Gewaltdarstellungen in Spielen immer realistischer und expliziter werden. Eine Entwicklung, die man durchaus kritisch sehen und bei der man sich die Frage stellen kann, ob sie das Medium wirklich voranbringt. Bereits vor zehn Jahren bedauerte der bekannte Spieleentwickler Warren Spector diese Entwicklung. "Diese extreme Gewalt muss aufhören", sagte der Entwickler von Spieleklassikern wie Deus Ex oder System Shock damals. Immerhin: Seit einiger Zeit gibt es hier eine Gegenbewegungen, etwa die Online-Veranstaltung “wholesome Games”, bei der im Rahmen der wichtigsten Spielemesse E3 vor allem friedfertige Spiele gezeigt werden.

    Computerspiele sind heute ein wichtiger Teil der Popkultur und dienen Kindern und Jugendlichen nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch dazu, Rollen auszuprobieren oder sich kreativ auszudrücken. Es gibt Schattenseiten, etwa toxische Gamer-Communities, die im Verdacht stehen, rechtsextreme Einstellungen zu fördern. Eine direkte Kausalität zwischen gewalttätigen Spielen und realer Gewalt gibt es vermutlich aber nicht. Und die Killerspiele von damals stehen heute schon längst im Museum.

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