Hüllen für Glasfaserkabel vor einem Haus
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Der weitere Breitbandausbau ist von großer Bedeutung für die Digitalisierung in Deutschland.

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Digitalisierung: Was die künftige Regierung anpacken muss (1)

Deutschland muss bei der Digitalisierung aufholen. Zivilgesellschaft und Wirtschaft haben konkrete Forderungen an die künftige Bundesregierung. Teil 1: Was bei Infrastruktur, Bildung, Datenschutz und IT-Sicherheit besser werden muss.

Noch ist zwar nicht klar, wie die künftige Bundesregierung aussehen wird; klar ist aber, dass sie in Sachen Digitalisierung sehr viel zu tun haben wird. Zivilgesellschaft und Wirtschaft haben sich schon positioniert und eine Reihe von digitalpolitischen Forderungen bzw. Empfehlungen aufgestellt - zum Beispiel der Chaos Computer Club (CCC), Digitalcourage e.V., das Bündnis Digitale Zivilgesellschaft, das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, die Initiative D21 sowie die Digitalwirtschaftsverbände Eco und Bitkom.

Zwar setzt naturgemäß jede Organisation unterschiedliche Akzente, dennoch kristallisiert sich eine Reihe von Feldern heraus, die für alle wichtig sind. Wir haben zehn zentrale Bereiche identifiziert, die wir in zwei Artikeln vorstellen.

Im ersten Teil geht es um den Infrastrukturausbau, den Bildungssektor, persönliche IT- und Medienkompetenz, Datenschutz und IT-Sicherheit.

Infrastruktur flächendeckend ausbauen

In der Politik ist zwar häufig davon die Rede, dass Deutschland bis 2025 ein Gigabit-Land sein soll. Dass also flächendeckend Internet mit einer Bandbreite von 1.000 Mbit/S zur Verfügung steht. Bislang ist eine solche Bandbreite nur in knapp 60 Prozent der Haushalte verfügbar - und das meist in städtischen Ballungsräumen. In ländlichen Räumen sieht es meist noch schlechter aus.

Besonders deutlich wurden diese Defizite während der Lockdowns im Rahmen der Corona-Pandemie: Homeschooling und Homeoffice wurden häufig durch schlechte Internetverbindungen erschwert. Deswegen hat der Ausbau der digitalen Infrastruktur für 53 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage der Initiative D21 zur Digitalpolitik höchste Priorität.

Aber auch fast alle anderen Organisationen fordern einen zügigeren Breitbandausbau. Konkret soll das Glasfasernetz ausgebaut werden, das zugleich auch die Voraussetzung für schnelles mobiles Internet nach dem 5G-Standard ist.

Der CCC fordert etwa eine Korrektur der Anreize beim Breitband-Ausbau. Wer eine Trasse für Glasfaser lege, müsse auch andere Anbieter Glasfaser in dieser Trasse legen lassen. Dafür soll der Errichter einen deutlich geringeren Kostenanteil tragen müssen als andere Interessenten. Eco, der Verband der Internetwirtschaft, fordert, die Bau- und Förderverfahren zu vereinfachen und zu verkürzen.

Bessere IT-Infrastruktur für Schulen

Besonders wichtig ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur in Schulen. Gerade in der Corona-Pandemie hat in Form von ruckeligen Videokonferenzen oder nicht erreichbaren Lernportalen gezeigt, dass die Internetverbindung in vielen Schulen zu schlecht ist. Neben einer schnelleren Leitung fehlt es aber oft auch an leistungsfähigeren Computern und IT-Systemadministratoren.

Der Branchenverband Bitkom fordert mehr Geld für digitale Bildung. Bund und Länder müssten einen gemeinsamen Plan zur dauerhaften Finanzierung von IT-Ausstattung und -Administration, von Bildungsinhalten, Kommunikationstools und der Aus- und -fortbildung der Lehrkräfte entwickeln.

IT- und Medienkompetenz und persönliche Weiterbildung

Hand in Hand mit der technischen Ausstattung von Schulen geht die Forderung nach höherer IT- und Medienkompetenz: Digitalcourage e.V. fordert, dass digitaler Unterricht Teil der Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern werden soll. Auch Schülerinnen und Schüler würden mehr Medienkompetenz benötigen: "Statt nur zu lernen, einzelne Programmsysteme zu bedienen, werden Kinder befähigt, mit digitaler Technik mündig und kompetent umzugehen", heißt es beim Punkt nachhaltige digitale Bildung.

IT- und Medienkompetenz ist aber nicht nur auf den Bildungsbereich beschränkt. Der CCC denkt bei IT-Fortbildungsangeboten auch an Politiker, Verwaltungsmitarbeitende, Lehrpersonal, Richter und Privatpersonen. Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement fordert ein Bundesprogramm "zur Qualifizierung der Zivilgesellschaft im demokratiestärkenden und partizipativen Umgang mit digitalen Medien".

Der D21-Umfrage zufolge sehen vor allem jüngere und digitalaffine Bevölkerungsgruppen Weiterbildung und Qualifizierung als besonders dringlich an – schließlich brauchen sie Digitalexpertise für ihr berufliches Weiterkommen. Unter allen Befragten hatte der Bereich Weiterbildung und Qualifizierung sogar die höchste Priorität.

Besserer Datenschutz

Die Liste von Datenlecks bzw. Datenklau ist lang und wächst ständig. Betroffen waren schon Bankkunden, Nutzer soziale Netzwerke wie Facebook, Patienten, aber auch Personen, die sich auf Corona haben testen lassen. Aber auch im Alltag speichern Websites durch Cookies jede Menge Nutzerdaten, ohne dass man groß etwas dagegen tun kann.

Vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen drängen auf einen besseren Datenschutz und mehr Privatsphäre im Netz: Der CCC fordert, dass das Anlegen von Persönlichkeitsprofilen verhindert werden muss. Noch schärfer formuliert es Digitalcourage: "Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, dass Tracking, personalisierte Werbung und manipulativ gestaltete Cookie-Banner (Dark Patterns) verboten werden."

In der D21-Umfrage landete Verbraucherschutz im Sinne eines besseren Schutzes persönlicher Daten auf Platz drei der Prioritätenliste. Allerdings gibt es hier Unterschiede, je nach Grad der Medienkompetenz: Wer sich mit dem Internet, mit Laptop und Smartphone nicht besonders gut auskennt, fordert mehr und besseren Verbraucherschutz.

Das gilt zum Beispiel für Menschen mit höherem Alter, niedrigem Einkommen, formal niedriger Bildung, aus ländlichen Regionen und den neuen Bundesländern. Sie wünschen sich, dass der Staat und gesetzliche Regelungen sie vor den Risiken der Digitalisierung schützen. Wer sich in der digitalen Welt mehr zu Hause fühlt, setzt offensichtlich stärker auf seine eigenen Fähigkeiten, mit deren Risiken umzugehen – oder nimmt sie mehr oder weniger bewusst in Kauf.

Höhere IT-Sicherheit

Eng verwandt mit dem Datenschutz ist die IT-Sicherheit. Die meisten erfolgreichen Hackerangriffe sind auf Sicherheitslücken, manchmal in Kombination mit menschlichem Versagen, zurückzuführen. Besonders wichtig ist eine sichere IT-Infrastruktur bei kritischen Infrastrukturen wie Kraftwerken, Stromnetzen oder Krankenhäusern. Aber auch für die öffentliche Verwaltung, Unternehmen und Privatpersonen wird IT-Sicherheit immer wichtiger.

Die größte Rolle spielt das Thema IT-Sicherheit beim CCC, der elf konkrete Vorschläge macht. So sollen etwa Software-Hersteller für die Qualität und Funktionsfähigkeit ihrer Produkte haften. Der Staat soll alle IT-Sicherheitslücken, die ihm bekannt werden, den Herstellern melden. Die IT-Sicherheitsforschung soll entkriminalisiert werden, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das bislang dem Bundesinnenministerium untersteht, soll unabhängig werden.

In mehreren Programmen taucht auch der Wunsch nach einem Recht auf Verschlüsselung auf. Hintergrund: Auf EU-Ebene gibt es Pläne, Messenger-Betreiber zu verpflichten, sogenannte "Hintertüren" in ihre verschlüsselten Chats einzubauen, damit Ermittlungsbehörden mitlesen können - etwa wenn sie kinderpornografische Inhalte aufspüren wollen.

Vor allem Kriminelle würden Verschlüsselung nutzen, so das Credo. Speziell der CCC wendet sich gegen die Kriminalisierung von Verschlüsselung und fordert künftige Regierungen auf, "sich für die Stärkung von Verschlüsselung und damit die Erhöhung der weltweiten IT-Sicherheit einzusetzen."

Auch die beiden Digitalwirtschaftsverbände Bitkom und Eco versprechen sich durch starke Verschlüsselungstechnologien mehr Cybersicherheit. Der Digitalcourage e.V. sieht Verschlüsselung sogar "als Grundrecht und Wirtschaftsmotor".

Wie das digitalpolitische Programm der im Bundestag vertretenen Parteien und die Freien Wähler aussieht, haben wir in diesem Artikel vorgestellt.

Im zweiten Teil geht es um die Themen Überwachung, digitale Verwaltung, Nachhaltigkeit, künstliche Intelligenz und die Regelung der digitalen Märkte.

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