Roboter Pepper bei der Messe Altenpflege
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Roboter Pepper bei der Messe Altenpflege

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Pflegenotstand: Digitalisierung hilft mehr als Robotik

Um den Pflegenotstand in Deutschland zu lindern, kann die Digitalisierung aktuell besser und schneller helfen als Roboter. Zu diesem Ergebnis kommt ein bundesweiter Fachkongresses zu "robotischen Systemen in der Pflege".

Das zweitägige Treffen in Osnabrück vergangene Woche bildete den Abschluss einer vierjährigen Forschungsphase von insgesamt zehn interdisziplinären Verbundprojekten. Das Bundesforschungsministerium hatte das Projekt mit knapp 20 Millionen Euro gefördert. Entwickler und Anbieter stellten in diesem Rahmen bereits existierende Modelle vor und informierten zugleich über den Stand der Forschung.

Technikeinsatz in unterschiedlichsten Szenarien

Die Szenarien und Forschungen reichten dabei von der Begleitung und Unterstützung alleinstehender Senioren in deren Wohnungen über Roboter zur Umlagerung schwerer Patienten bis hin zu KI-Puppen für die Interaktion mit demenzkranken Menschen. In der Planung sind auch Allzweckgeräte, die Patienten im Rollstuhl schieben, sie zu Rehabilitations-Bewegungen anleiten, Medikamente besorgen oder bei der Dokumentation von Behandlungen helfen.

Vorbehalte gegen neue Technik

Dabei sind Roboter nach Ansicht von Wissenschaftlern in vielen Fällen noch nicht ausgefeilt genug für die Pflegeunterstützung und Logistik im Gesundheitsbereich. Ein Grund dafür könnte auch die fehlende Investitionsbereitschaft in neue Technik sein, wie Unternehmensvertreter und Forscher bei der Tagung in Osnabrück beklagten. So erklärte ein Pflegedienstleiter der Diakonie bei dem Treffen: "Wenn ich 50.000 Euro übrig hätte, würde ich Personal einstellen." Darauf antwortete eine Vertreterin eines Robotik-Unternehmens: "Würden Sie das Personal denn finden?"

Doch grundsätzlich sind laut Aussage von Susanne Pauser, Vorständin beim Deutschen Caritasverband für Personal und Digitalisierung, Pflegeeinrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege durchaus bereit, an Robotik und Digitalisierung mitzuarbeiten. Kurzfristig sieht sie Chancen vor allem bei der Entlastung von Dokumentations- und Organisationsaufgaben durch Digitalisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Gründe, die die Digitalisierung bremsen

"Pflegekräfte warten weniger auf Robotik als auf Digitalisierung", erklärt Pauser. Als Beispiele nennt sie Spracheingabe, automatische Dokumentationen oder Übersetzungsprogramme für ausländische Kräfte. Ein Grund, warum die Digitalisierung in der Pflege so schleppend vorangehe, sei der Datenschutz: "In Deutschland legen wir die Regeln strenger aus als in jedem anderen europäischen Land", kritisiert sie. Dazu kämen noch fehlende technische Infrastruktur und unübersichtlich-komplexe Zuständigkeiten in der Verwaltung als weitere Hürden für nötige Innovationen.

Ängste und Bedenken gegen die Technik ausräumen

Die Technik kann nach Ansicht einiger Experten zudem erst dann richtig greifen, wenn zuvor Bedenken und Ängste ausgeräumt würden. So betont Andreas Hein von der Universität Oldenburg: "Wir müssen mit Demut an eingespielte Prozesse und Pflege-Teams herangehen." Schließlich gehe es um ein "Kernverhältnis zwischen Menschen", um physische Interaktion und Kommunikation zwischen Pflegekräften und Patienten.

Der Pflegewissenschaftler Manfred Hülsken-Giesler von der Uni Osnabrück meint, dass alle Beteiligten - Patienten und deren Angehörige ebenso wie Einrichtungsträger, Forschung, Unternehmen, Politiker, Ethiker und Juristen viel breiter über Innovation in der Pflege sprechen müssten. Bisher werde Robotik vor allem technisch gesehen und noch zu wenig aus Sicht der Pflege. Er habe deshalb ein Bewertungsinstrument entwickelt, mit dem Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen einschätzen können sollen, ob und welche Systeme für sie geeignet sind.

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Finanzieller "Doppel-Wumms" für die Pflege

Und der Chemnitzer Psychologe Bertolt Meyer warnt davor, die Lösung des Pflegenotstands allein von der Technologie zu erwarten. "Dampfmaschinen haben nicht die Sklaverei beendet, das waren soziale, politische Bewegungen", so Meyer. Die Digitalisierung sei nur ein Ansatz. Ebenso wie Pauser vom Caritasverband wirbt er für einen politischen Paradigmenwechsel wie jüngst in der Außen- oder Energiepolitik. Es brauche auch in der Pflege einen finanziellen "Doppel-Wumms", um dieses grundlegende Problem unserer Gesellschaft zu lösen.

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