Paket mit Aufschrift Retoure, wird mit Klebeband wieder verpackt
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Rücksendungen

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Nach schwedischem Vorbild: Aus für Gratis-Retouren?

Ein schwedischer Online-Händler sperrt User, die zu viel zurückschicken. Andere Anbieter verlangen Geld für Rücksendungen. Gratis-Retouren kosten die Firmen sehr viel und schaden der Umwelt. Ändern die Händler deshalb jetzt ihre Strategie?

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft kompakt am .

Die Nachricht sorgt für Aufsehen. Der schwedische Online-Händler Boozt schließt gut 40.000 Kundinnen und Kunden aus, weil sie zuletzt zu viel zurückgehen ließen. Damit werden knapp zwei Prozent der Kundschaft nun zumindest vorübergehend ausgesperrt. Begründung: Die häufigen kostenlosen Rücksendungen seien schlecht für das Unternehmen und für die Umwelt. Seit Juni verlangt Boozt nun außerdem Geld für jede Retoure, in Deutschland 4,49 Euro.

Kostenpflichtige Retouren kein Trend in Deutschland

Auch manche Konkurrenten bitten fürs Zurückschicken zur Kasse. Der Modehändler Zara etwa berechnet 1,95 Euro, der japanische Uniqlo-Versand zieht 2,95 Euro ab. Ein Trend ist das allerdings noch nicht. Viele Versandhändler befürchten vielmehr Geschäftseinbrüche, wenn sie Geld verlangen. Dass diese Sorge nicht unbegründet ist, zeigt eine Studie, die im Branchenreport Retourenkompendium zitiert wird. Dabei waren für 92 Prozent der Befragten kostenfreie Retouren wichtig bis sehr wichtig. Und 39 Prozent gaben sogar an, den Bestellvorgang bereits abgebrochen zu haben, wenn Rücksendungen Geld kosteten.

Man will die Klientel offenbar auf keinen Fall verprellen. Deshalb wollen andere Versandhändler auch kaum ähnliche Disziplinierungs-Maßnahmen ergreifen wie Boozt aus Schweden. Ein Sprecher des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel erklärte gegenüber BR24, für einen Trend hin zu solchen Maßnahmen gebe es in Deutschland keine Anzeichen. Zalando etwa erklärt auf Anfrage, man werde keine Kundinnen oder Kunden aussperren.

Wer es übertreibt, könnte auch bei Amazon rausfliegen

Amazon ist da weniger eindeutig und antwortet auf die Frage, wie man mit "Powerrücksendern" umgehen wolle, mit einem etwas umständlichen Statement: „Wir möchten, dass jeder Amazon nutzen kann, aber es gibt seltene Fälle, in denen jemand unseren Service über einen längeren Zeitraum missbraucht. Mit über 300 Millionen Kunden auf der ganzen Welt ergreifen wir bei Bedarf Maßnahmen, um das Einkaufserlebnis für alle unsere Kunden zu schützen – auch wenn uns diese Entscheidungen nie leichtfallen." Auch wenn der Konzern offenlässt, ab wann und wie genau er reagiert, zwischen den Zeilen wird klar, dass man nicht tatenlos zusieht, wenn es jemand mit den Retouren übertreibt. Eine Sperre ist also durchaus denkbar, ausschließen will sie eine Amazon-Sprecherin nicht.

Die Hälfte der Kleidung geht zurück

Wie belastend die Retouren auch für die Unternehmen sind, erfahren wir bei Zalando. Eine Pressesprecherin des Onlinehändlers berichtet, dass rund 50 Prozent der Modeartikel wieder zurückgeschickt werden – ein Drittel davon, weil die Größe nicht passt, zwei Drittel weil das Kleid oder die Hose doch nicht gefällt. Die Werte haben sich übrigens in den letzten Jahren nicht verändert, auch während der Pandemie nicht, und sind offenbar nicht leicht zu beeinflussen.

Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel hat noch andere Zahlen. Im Retourenkompendium werden Schätzungen zitiert, wonach in Deutschland 2021 530 Millionen Pakete und 1,3 Milliarden Artikel retourniert wurden. „Das bedeutet, dass im Durchschnitt ca. jedes vierte ausgelieferte Paket (24,2 Prozent) und ca. jeder siebte bestellte Artikel (14-15 Prozent) zurückgeschickt wurden." Der Druck zu handeln ist groß, denn die Retouren schmälern natürlich den Gewinn. Parallel dazu entsteht großer Schaden für die Umwelt, durch unnötig verursachten CO2-Ausstoss.

Avatare und KI sollen die Quoten senken

Unternehmen probieren nun verschiedene Möglichkeiten durch, um die Kundinnen und Kunden zu zielgerichteteren Bestellungen und weniger Rücksendungen zu motivieren. Zalando beschäftigt ein Team von Mitarbeitenden, die Hilfestellungen beim Bestellen bieten. Dazu gehört auch das Programmieren von Avataren, die die Klamotten anprobieren können, um einen Eindruck entstehen zu lassen, ob das Jackett oder das Kleid passt und gut aussieht.

Amazon versucht ebenfalls das Problem mit technischen Mitteln in den Griff zu bekommen. Bei manchen Produktkategorien, wie beispielsweise bei Brillen oder Möbeln, biete man Augmented-Reality-Ansichten an, "mit denen Kunden die Produkte direkt in ihrer Wohnung visualisieren und die Passform und den Stil bewerten können", so die Sprecherin. Auch Künstliche Intelligenz kommt zum Einsatz: man verwende maschinelles Lernen, das auch auf Daten früherer Käufe und Rücksendungen basiere. Wer zum Beispiel ein Kleid in einer Größe aussucht, die früher nicht gepasst hat, wird darauf aufmerksam gemacht, dass es vielleicht auch diesmal zu groß oder zu klein sein könnte.

Eine eigentlich ganz naheliegende und simple Methode wäre, Gutscheine zu gewähren, wenn jemand sein Rücksendeverhalten verbessert. Interessante Idee, habe man sich auch schon mal überlegt, heißt es bei Amazon und Zalando auf Anfrage – ist aber trotzdem bei beiden nicht geplant.

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