Es ist Deutschlands größte Eventreihe zu NFTs und Kryptokunst: Vom 5. bis 31. Mai findet in München der "NFT Mai" statt, organisiert vom Verein Blockchain Bayern und unterstützt vom Bayerischen Digitalministerium. Teil des Ganzen sind Ausstellungen, Workshops und Vorträge zu einem der größten Tech-Hypes der letzten Jahre.
Viel Geld für ein bisschen Code
Ein NFT der ersten SMS wurde für 107.000 Dollar verkauft, der zur ersten Wikipedia-Seite ist für 750.000 Dollar über die virtuelle Ladentheke gegangen, ein NFT des ersten Tweets für 2,9 Millionen Dollar. Quentin Tarantino hat versucht, Seiten aus dem Pulp-Fiction-Drehbuch als NFT zu verkaufen, Ozzy Osborne hat eine NFT-Kollektion gestartet, genauso wie Melania Trump, Snoop Dog oder Schauspieler William Shatner. Im Februar 2022 beschließt ein Wiener Kunstmuseum, das Gemälde "Der Kuss" in 10.000 NFTs aufzuteilen und zu verkaufen.
💡 Was ist ein NFT?
NFT steht für "Non-Fungible Token". Dabei handelt es sich um eine Art digitale Besitzurkunde. Einen NFT kann man nicht kopieren, denn gespeichert werden solche NFTs auf der Blockchain, in einer Datenbank also, die verteilt auf vielen Rechnern liegt und die deswegen als fälschungssicher gilt. Oder genauer: Bei der Blockchain speichern alle alles - das ist ineffizient, aber zugleich schwer zu manipulieren. Genauso wenig, wie man einfach mal so einen Bitcoin kopieren kann, kann man ein NFT kopieren. Schnöde Dateien können deswegen per NFT zu etwas einzigartigem werden, darunter auch solche, bei denen es sich um digitale Kunst handelt.
Eine Sammlung von 5.000 Bildchen des US-Künstlers Beeble wurde im März 2021 für 69 Millionen Dollar bei Christies versteigert. Auch Digital-Künstler wie Trevor Jones, Mad Dog Jones oder Jose Delbo sind mit Hilfe von NFTs Millionäre geworden. NFTs werden aber nicht nur von großen Auktionshäusern versteigert, sondern auch auf Internetplattformen wie etwa OpenSea gehandelt. Allein hier werden über 80 Millionen NFTs und mehr als zwei Millionen NFT-Kollektionen angeboten. 2021 wurden auf OpenSea erstmals NFTs im Wert von insgesamt über zehn Milliarden Dollar gekauft.
NFTs: Mehr Unabhängigkeit für Künstler?
Einer, der seine Pixelkunst auf NFT-Plattformen zum Verkauf anbietet, ist Anas Abdi. Dieser Schritt habe sein Leben verändert, sagt er. Er habe in der NFT-Community Gemeinschaft gefunden, außerdem Geld verdient und sei unabhängig geworden von großen Auftraggebern. "Ich muss mich nicht mehr um Urheberrechts-Fragen und so weiter kümmern und kann mich endlich auf meine Kunst konzentrieren", erzählt der Pixel-Künstler aus Kuweit.
Die Kunst gerät manchmal fast zur Nebensache
Allerdings kommen auf Künstler auch neue Anforderungen zu. Künstler werden zu Creators, zu Leuten also, die nicht nur dann kreativ sein müssen, wenn es um ihre Kunst geht, sondern auch dann, wenn es darum geht, eine digitale Käufergemeinde aufzubauen. Im Netz ist Andy Warhols Behauptung, wonach jeder Mensch 15 Minuten berühmt sein werde, längst wahr geworden.
Wobei es eben manchmal doch nur fünf Minuten sind oder fünf Sekunden. Ruhm im Internet ist flüchtig und flüchtiger Ruhm eignet sich nicht besonders gut dazu, ein NFT-Business aufzubauen. Gefragt sind Geduld und Hartnäckigkeit beim Aufbau eines Netzwerks, was aber dazu führen kann, dass die Kunst fast schon zur Nebensache wird.
Kopiermaschine trifft auf Aura
Und dann gibt es ein weiteres Problem, denn vermutlich gehört zur Kunst irgendwie auch die Idee, dass sie nicht allen gehört. Zur Idee des Internets gehört hingegen, dass Daten ungehindert fließen und kopiert werden können. Die Bilder, deren NFTs gehandelt werden, können in der Regel nach wie vor kopiert und heruntergeladen werden, und wer will, kann sie sich als Bildschirmhintergrund einrichten oder in einem digitalen Bilderrahmen ins Wohnzimmer hängen. Hier die Idee einer Kopiermaschine, dort die Idee des kommerziell und auratisch wertvollen Originals: Beides zusammen kann eigentlich nicht gutgehen.
Das hat auch Aja Trier feststellen müssen, eine US-Künstlerin aus Texas, die es unter anderem mit Bildern im Van-Gogh-Stil zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat. Irgendwann findet sie heraus, dass Bilder auf OpenSea als NFTs verkauft werden – ohne ihre Zustimmung. "Ich habe dann weiter recherchiert und sah, dass insgesamt 87.000 NFTs zu meinen Bildern gehandelt wurden", erzählt Trier. Die Plattform sei nicht eingeschritten.
OpenSea will gegen Plagiate vorgehen
Es heißt immer wieder, dass der Kunstmarkt die reinste Form des Kapitalismus sei. So gesehen ist der NFT-Markt vielleicht die reinste Form des algorithmisch gesteuerten Plattformkapitalismus. Seiten wie OpenSea behalten bei jedem Verkauf eine Provision von 2,5 Prozent und profitieren deswegen auch davon, wenn die Bots in großem Stil durch das Internet streifen, Kunst herunterladen und als NFTs zum Verkauf anbieten. Diese Woche nun hat OpenSea angekündigt, energischer gegen diese Praxis vorgehen zu wollen.
Der erste NFT-Hype ist vorbei
Vielleicht ist es auch die Gier, die dazu führt, dass sich der überhitze NFT-Markt im Frühjahr 2022 abkühlt, manche sprechen sogar von einem regelrechen Kollaps. Als der erste Tweet erneut versteigert werden soll, liegt das Höchstgebot bei gerade einmal 250 Euro, ein Bruchteil der 2,9 Millionen, die dafür ein Jahr vorher gezahlt wurden. Und von den 10.000 NFT-Schnipseln von Gustav Klimts "Der Kuss" wurden bis zum Mai 2022 nur gut ein Viertel verkauft – und die sind im Wert auch noch um gut die Hälfte gefallen. Hypes kommen und gehen eben, aber die Kunst, die bleibt.
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