Das Ansinnen ist nicht neu. Netzbetreiber, wie Deutsche Telekom, Vodafone oder Telefonica Deutschland hätten auch in der Vergangenheit schon gerne Geld verlangt, wenn Inhalte-Anbieter ihre Datenleitungen im großen Stil nutzen. Bislang ließ sich dafür in Europa aber keine politische Mehrheit finden, um etwa Netflix, Google oder Facebook zur Kasse zu bitten.
Nun hat der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton die Debatte neu angestoßen. Breton, der selbst Chef des französischen Konzerns France Telecom war, führt Gespräche in alle Richtungen und völlig ergebnisoffen, wie er betont. Wichtig sei ihm, dass beim Ausbau der Datennetze in Europa was vorangehe. "Alle EU-Bürger sollen bis 2030 perfekt vernetzt sein, inklusive der Ukraine", so Breton im Gespräch auf dem Mobile World Congress.
2030 ist jenes Jahr, über das auf dem Mobile World Congress viel gesprochen wird, weil dann das neue noch schnellere 6G-Mobilfunknetz starten soll. An den Ausbaukosten könnten nun also die Inhalte-Anbieter, die oft aus den USA kommen, beteiligt werden. "Fair share" nennt sich das.
Gefahr für die Netzneutralität?
Kritik an "fair share" gibt es dabei zuhauf. Nicht nur die US-Konzerne, die es treffen würde, wehren sich. Auch innerhalb der EU regt sich Widerstand, etwa aus den Niederlanden. Die dortige Wirtschaftsministerin Micky Adriaansens gab in einem Reuters-Interview zu bedenken, dass die Gebühren am Ende bei den Kundinnen und Kunden landen würden. Netflix oder Amazon Prime beispielsweise könnten sich die zusätzlichen Kosten ganz einfach über höhere Abo-Preise zurückholen.
Zu den Gegnern von "fair share" gehört auch Thomas Lohninger, Geschäftsführer der Wiener Bürgerrechtsorganisation Epicenter Works. Er sieht vor allem eine Gefahr für die Netzneutralität, dem Prinzip also, dass im Internet alle Daten gleich behandelt werden. "Fair Share" aber würde bedeuten, dass, wer für Datenvolumen bezahlt, auch bevorzugt behandelt wird. Der Rest muss warten, wenn die Netze stark ausgelastet sind, so die Befürchtung. Außerdem glaubt Lohninger nicht, dass die Telekomnetzbetreiber zu wenig Geld haben, um die Netze zügig auszubauen. "Die Regulierungsbehörden sagen, dass Tiefbaukapazitäten und lange Genehmigungsverfahren die eigentlichen Showstopper sind, die den Ausbau bremsen", so Lohninger.
Wie fair ist "fair share"?
Deshalb würde womöglich kein einziges Glasfaserkabel mehr verlegt und kein neuer Handy-Mast aufgestellt, nur weil die Netzbetreiber zusätzlich abkassieren dürfen, glaubt Lohninger. Dass womöglich auch so genügend Geld für einen Netzausbau vorhanden sein könnte, darauf wiederum deuten auch die Bilanzen etwa von Telefonica Deutschland und Deutsche Telekom hin. Beide haben im letzten Jahr Umsatz und Gewinn gesteigert, schütten unveränderte Dividenden an ihre Aktionäre aus und die Arbeiten für das 5G-Netz laufen auf vollen Touren.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!