Die wechselvolle IT-Geschichte der Stadt München ist um ein Kapitel reicher. Geht es nach den Grünen und der SPD, soll die Verwaltung der Stadt künftig wieder stärker auf Open-Source-Programme setzen.
Das heißt: die Stadt lässt vermehrt Software selbst entwickeln, anstatt Programme, wie etwa Windows-Anwendungen, einzukaufen. Den selbst geschriebenen Programmcode stellt die Stadt auch anderen frei zur Verfügung, sodass sie verbessert und weiterentwickelt werden können. Dabei sollen auch Regeln definiert werden, die klären, wie jemand von außen sich an der Entwicklung des Codes beteiligen kann.
Kurzfristige Open-Source-Projekte geplant
Dieses Vorgehen sehen zumindest nun gemeinsame Anträge der Regierungsfraktionen (Die Grünen-Rosa Liste und SPD/Volt) im Münchner Stadtrat vor. Konkret sollen aus dem IT-Referat der Stadt fünf Open-Source-Projekte vorgeschlagen und entwickelt werden. Und das relativ kurzfristig: schon im 4. Quartal 2021 soll die Entwicklungsarbeit beginnen.
Neben der größeren Unabhängigkeit von einzelnen Firmen wie Microsoft gelten solche Open-Source-Lösungen als flexibler. So können sich Städte oder andere Behörden Lösungen für ihre konkrete Situation oder Probleme maßschneidern statt auf Programme von der Stange zu setzen. Ein aktuelles Beispiel für ein sehr großes Open-Source-Projekt, dessen Programmcode offen im Netz zu steht, ist übrigens die Corona-Warn-App.
Entwickler-Stipendium soll kommen
In München werden laut den grün-roten Anträgen außerdem Mitarbeiter entsprechend in der Entwicklung von Open Source-Software geschult. Über ein Open-Source-Hub soll eine möglichst gute und einfache Zusammenarbeit von Stadt-Angestellten und Externen bei der Entwicklung ermöglicht werden. Daneben sehen die Fraktionen ein IT-Dashboard vor, auf dem ersichtlich wird, wo in der Verwaltung und städtischen Betrieben welche Software zum Einsatz kommt. So soll besser überblickt werden können, wo Open-Source-Programme zum Einsatz kommen.
Inspiration für Open-Source-Projekte erhoffen sich die grün-roten Stadträte auch durch motivierte Einzeltäter. Ein „Munich Open Source Sabbatical“ soll es Entwicklern mit Hilfe eines attraktiven Stipendiums ermöglichen, sich auf bestimmte Zeit voll und ganz einem Open-Source-Projekt widmen zu können.
Ausstiege und Ausstiege von Ausstiegen
Mit den Anträgen der grün-roten Regierungsfraktionen kehrt die Stadt wieder zurück zu Wurzeln eines Projektes, das Anfang der 2000er Jahre unter Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) begann. Damals entschied München sich, vom allgegenwärtigen Betriebssystem Windows auf das Open-Source-System Linux umzusteigen, statt Microsofts Office wollte man fortan LibreOffice zu nutzen und so weiter.
Das Projekt wurde als LiMux bekannt und fand weltweit Beachtung. Als München ihren Umstieg auf Open Source einst erklärte, soll gar Bill Gates selbst versucht haben, die Stadtverantwortlichen umzustimmen. Der damalige Unternehmens-Vize Steve Ballmer unterbrach sogar seinen Ski-Urlaub, um auf Ude einzuwirken. In den Folgejahren sparte die Stadt teils einiges Geld, feierte Entwicklungserfolge, musste aber auch Kritik hinnehmen. Etwa an unzeitgemäßen Open-Source-Programmen sowie Mehrkosten und Mehraufwand.
Udes Nachfolger Reiter wagte nach seiner Wahl 2014 mit seiner Regierung aus SPD und CSU dann den Ausstieg vom Windows-Ausstieg. Die Stadt kehrte wieder zum Software-Riesen aus den USA zurück. Die Umstellung läuft noch. Im Frühjahr 2020 wurde Reiter wiedergewählt, die Regierung bilden diesmal jedoch Grüne und SPD. Sie entschieden nun als Stadt wieder mehr Open-Source wagen zu wollen.
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