Eine anzügliche Bemerkung, ein aufdringlicher Blick ins Dekolletee, ein Po-Grapscher – einige der leichteren Varianten, mit denen Frauen sich täglich in Kneipen, Unternehmen oder der U-Bahn konfrontiert sehen. Meistens schweigen sie, sagt Schauspielerin Nina Brandhoff. Vor allem, wenn es um schlimmere Dinge geht.
"Das ist eben das, was die Täter zumeist wissen, dass die Opfer sich schämen, dass sie Angst haben und aus diesem Grund nichts sagen und das gibt diesen den Nährboden, da weiter zu machen und das müsste sich ändern." Nina Brandhoff, Schauspielerin
Ein erster Schritt für Betroffene - doch ein langer Weg für die Gesellschaft
Nina Brandhoff war selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs. Ein Fotograf hat sie bedrängt, Oben-ohne-Fotos zu machen, ihr das T-Shirt hochgezogen – erst 20 Jahre später erzählte sie ihre Geschichte. Eine Kampagne wie "#MeToo" kann Frauen ermutigen, sofort zu reagieren, schnell an die Öffentlichkeit und vielleicht sogar zur Polizei zu gehen. Aber – das genügt nicht, sagt Paula-Irene Villa, Professorin für Gender-Studies an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Ihr Ansatz:
"Dass es nicht mehr wesentlich darum geht, Frauen dafür zu sensibilisieren und sie dazu anzuhalten, in der Erziehung, im Alltag – was wir Frauen schon lange kennen, nicht zu kurz der Rock, nicht zu spät nachts, nicht zu dunkel, da aufpassen, den Drink nicht irgendwie abstellen, also all diese Vorsichtsmaßnahmen – aber jetzt geht es doch darum, die Männer, die potentielle Täter sind, statistisch gesehen und tatsächlich, dass die auch Problembewusstsein entwickeln, dass es auch mit ihrem eigenen Verhalten zu tun hat – also change the boys und nicht mehr nur protect the women." Paula-Irene Villa, Professorin für Gender-Studies
Für Paula-Irene Villa fängt das schon bei der Erziehung an, dem Umgang zwischen Mädchen und Jungen in der Schule, in Vereinen. Damit sie früh lernen, Geschlechterrollen aufzubrechen, Grenzen zu respektieren – Stichwort: Nein heißt nein. Aber:
"Darüber hinaus haben wir schon auch noch viel damit zu tun, dass Frauen in den Medien, in der Öffentlichkeit, in der Werbung, in der Konsumwelt, in Witzen, in Serien nach wie vor vielfach als hübsche Objekte, um es freundlich zu sagen, und nicht zu sagen als scharfes Fleisch, um egal was zu verkaufen – also das, was wir Verobjektivierung nennen, zum Objekt gemacht werden, zum sexy Objekt – auch daran könnte sich sicher noch was ändern, an die Werbung hingesprochen." Paula-Irene Villa, Professorin für Gender-Studies
Gesellschaftlich akzeptierte Anzüglichkeiten
Wie müsste eine Gesellschaft aussehen, in der Frauen offen Anzüglichkeiten und Sexismus anprangern können?
"Es müsste weniger hierarchische Strukturen geben, also Stichwort Frauenquote – in allen Entscheidungsgremien der Gesellschaft sollten Frauen eine feste Größe haben, finde ich – das würde wahrscheinlich einiges erheblich verbessern." Schauspielerin Nina Brandhoff
Die Kampagne "#MeToo" ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, ein Signal. Allerdings: Für Soziologin Paula-Irene Villa ist klar, dass in Sachen Aufschrei gegen sexuelle Belästigungen am Ende nur ein langer Atem helfen wird.