Am 14. Dezember hatte das Landgericht Frankfurt in einem Musterverfahren ein Urteil gegen Twitter gefällt. Der Kurznachrichtendienst wurde aufgefordert, illegale und herabwürdigende Inhalte zu löschen und dafür zu sorgen, dass diese auch nicht wieder auftauchen. Zudem sollte Twitter zukünftig auch "kerngleiche Äußerungen" entfernen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro je Fall. Außerdem könnte gegen Manager Ordnungshaft angeordnet werden. Doch das Medienunternehmen des Milliardärs Elon Musk sieht das nicht ein und geht in Berufung.
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Rechtsanwalt Jun: Verfahren kann mehrere Jahre dauern
Der Würzburger IT-Anwalt Chan-jo Jun zeigt sich davon nicht überrascht. "Twitter wird das Verfahren vermutlich durch alle Instanzen ziehen. Darauf sind wir aber vorbereitet", erklärte Jun gegenüber BR24. "Das Verfahren kann (...) durchaus noch drei bis fünf Jahre dauern."
Jun hatte den baden-württembergischen Beauftragten gegen Antisemitismus, Michael Blume, im Verfahren gegen Twitter vertreten. In Tweets war behauptet worden, Blume hätte eine Affäre oder pädophile Neigungen. Ein anderer Twitter-Nutzer hatte ihm unter anderem Antisemitismus unterstellt. Blume beantragte vor Gericht eine einstweilige Verfügung zur Löschung dieser und sinnesgleicher Tweets.
Twitter drohen Ordnungsgelder
Twitter hätte bisher nur auf vorherige Anzeige einige Tweets gelöscht, aber bei zahlreichen Tweets, die über das normale Meldeverfahren durch Dritte eingereicht wurden, die Löschung abgelehnt, so Jun gegenüber BR24: "Wir werden daher die Zwangsvollstreckung gegen Twitter einleiten und Ordnungsgelder beantragen."
Vor Gericht hatte Twitter argumentiert, es sei unzumutbar sinn- beziehungsweise kerngleiche Tweets aufzuspüren und zu entfernen. "Dabei hat Twitter aber nicht ausgeführt, warum dies nicht zumutbar wäre oder welche Kosten dadurch entstehen würden", betont der Würzburger Anwalt. Twitter habe zudem ausgeführt, dass keine Dringlichkeit für die einstweilige Verfügung bestehe, da der Account eines Users, der herabwürdigende Falschaussagen gegen Juns Mandanten publiziert hatte, gelöscht worden wäre. "Gestern hatten wir jedoch erlebt, dass der Account doch wieder freigeschaltet wurde und von dort wieder die streitgegenständlichen Inhalte verbreitet wurden." Der Account sei laut Jun erst nach erneuter Intervention bei den Twitter-Anwälten wieder gesperrt worden.
Entscheidung über Berufung im beschleunigten Verfahren
Das Oberlandesgericht Frankfurt wird die Entscheidung über die Berufung in einem beschleunigten Verfahren treffen. "Wir erwarten das mit großer Spannung, da ja auch das Verfahren Künast gegen Facebook/Meta ebenfalls vor dem OLG anhängig ist. Es wäre dann die erste OLG-Entscheidung zur Frage der Überwachungspflicht kerngleicher Inhalte."
Jun hatte die Grünen-Politikerin Renate Künast vor Gericht gegen Facebook vertreten und die Löschung von erfundenen Zitaten erwirkt. Für seinen Einsatz hatte der Würzburger Jurist im September 2022 den Max-Dortu-Preis für Zivilcourage erhalten.
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