KI schreibt, programmiert, erzeugt Bilder, imitiert Stimmen: Was vor wenigen Jahren noch Science Fiction war, ist längst Realität – mit Folgen, die niemand absehen kann. Müssen wir zum Beispiel um unsere Jobs fürchten?
Nein, sagt Antonio Krüger, Leiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) im BR24-Interview für Possoch klärt. "KI beinhaltet ein großes Wertschöpfungspotenzial, auch für uns hier in Europa", sagt der Experte. Viele Berufe würden sich durch KI eher transformieren, statt zu verschwinden. Ein Beispiel ist für Krüger die Medizin: "Menschen werden in Zukunft nicht mehr zu Ärzten gehen, die keine KI einsetzen, um die bestmögliche Diagnose zu bekommen."
Entgleitet uns KI?
Dass in KI-gestützten Systemen auch Gefahren lauern, bezweifelt kaum ein Experte. Dass die KI irgendwann ein Eigenleben entwickelt und die Weltherrschaft übernimmt, ist allerdings bislang Fiktion. Viel dringlicher seien andere Fragen: Welche Überwachungsmöglichkeiten bietet KI autokratischen Staaten? Was, wenn Terroristen KI benutzen, um Anschläge zu planen? "Die Technologie als solche ist nicht das Problem, sondern, wie sie eingesetzt wird. Und wer sie einsetzt und wer die Macht über sie hat", sagt Kilian Vieth-Ditlmann von der NGO Algorithm Watch. Seine Organisation fordert, dass KI-Forschung und -Anwendungen besser reguliert werden.
Die EU hat im vergangenen Jahr den AI Act verabschiedet, das erste umfassende Gesetz zur Regulierung von KI. Es fordert unter anderem mehr Transparenz von den Entwicklern; Anwendungen von "unakzeptablem Risiko", zum Beispiel Social Scoring, werden verboten. Doch weil schwer einzuschätzen ist, was noch als akzeptables Risiko gilt und was nicht, fürchten Unternehmen rechtliches und bürokratisches Chaos und Planungsunsicherheit.
Für DFKI-Experte Krüger ist Regulierung "zweischneidig". Aber sie sei notwendig; einerseits, um die größten Risiken abzufedern, andererseits, um Vertrauen in KI-Anwendungen zu schaffen: "Ich glaube, Menschen werden kein Vertrauen in KI-Systeme haben, wenn sie nicht bestimmten Kriterien und Werten genügen, auf die wir uns in der Gesellschaft geeinigt haben", so der Experte.
Im Video: Jobs, Wohlstand, Zukunft: Was kostet uns KI wirklich? Possoch klärt!
Die USA haben im Rennen um die neue Technologie wieder mal die Nase vorn; die großen Player wie zum Beispiel ChatGPT-Entwickler OpenAI kommen aus den USA. Von Regelungen wollen sich die USA dabei nicht aufhalten lassen. US-Präsident Donald Trump hat ein Dekret zur KI-Regulierung gekippt; und will mit dem Projekt "Stargate" 500 Milliarden Dollar an Investitionen für den KI-Bereich klarmachen. Hat da Europa überhaupt noch eine Chance, aufzuholen?
KI-Experte: "Der Zug für Europa ist nicht abgefahren"
"Ich wehre mich sehr gegen die Behauptung, der Zug wäre schon abgefahren in Europa. Ich glaube, das ist das völlig falsche Signal und es stimmt auch einfach nicht", sagt DFKI-Experte Krüger. Er beobachtet in Europa einen "neuen Schwung", unter anderem durch Vorstöße der EU-Kommission. Diese hat 200 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen angekündigt. Diese sollen in Rechenzentren und eine bessere Vernetzung von Forschung und Wirtschaft fließen.
Dabei hat auch China dafür gesorgt, dass die KI-Karten gerade neu gemischt werden. Denn die chinesische KI DeepSeek kommt mit viel weniger Rechenleistung aus und ist auch noch Open Source verfügbar. Dies könnte Experten zufolge dazu führen, dass es gar nicht mehr darauf ankommt, die beste KI zu besitzen, sondern die besten Ideen damit zu haben – womit Europa wieder voll im Rennen wäre.
Große Fragen, großes Potenzial
Die KI-Technologie entwickelt sich rasant, und für viele Fragen gibt es noch keine Antworten. Sollten die KI-Entwickler ihre Vision einer menschenähnlichen "Allgemeinen Künstlichen Intelligenz" (AGI) verwirklichen können, dürfte das den Arbeitsmarkt und vieles mehr komplett verändern.
Insgesamt werde KI die Gesellschaft eher bereichern als bedrohen, sagt Antonio Krüger vom DFKI: "Angesichts des demografischen Wandels und der Tatsache, dass in unseren Gesellschaften immer weniger Menschen immer mehr Sachen tun müssen, wird die KI eher ein Segen sein."
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