Nein, die Brüder Liam and Noel Gallagher haben sich nicht wieder zusammengetan, um ein neues Oasis-Album zu veröffentlichen. Und doch sind die Wünsche von Fans weltweit auf gewisse Weise wahr geworden: Ein neues Oasis-Album namens The Lost Tapes ist vor kurzem im Internet aufgetaucht – Liam Gallaghers Stimme ist klar zu erkennen. Nur: Das Album ist ein Fake. Und die Gallagher-Brüder haben nichts damit zu tun.
Künstliche Intelligenz holt Oasis zurück
Tatsächlich steckt Bobby Geraghty hinter dem Projekt. Geraghty ist ein britischer Musiker, dessen Band Breezer weit weniger bekannt ist als das legendäre Britpop-Werk von Oasis. Trotzdem ist es ihm gelungen, ein Album im Stil von Oasis aufzunehmen. Der Name für das Projekt: AISIS.
In der Tat klingt die Stimme des Sängers zum Verwechseln wie die Stimme Liam Gallaghers Ende der 90er. Auch bei den Fans kommt das Projekt gut an. "Ich bin Oasis-Fan und ich finde das unglaublich", schreibt ein Nutzer in den Kommentaren. Und ein anderer scherzt: "Ich glaube, das hier ist endlich eine Version von Liam, mit der Noel arbeiten kann."
Stimm-Fakes werden zum Alltag
Nur einen Tag zuvor hatte ein anderes Musikprojekt für ähnliches Aufsehen gesorgt: Heart on my Sleeve ist ein Hip-Hop-Track im Stil der Weltstars Drake und The Weeknd, doch die Stimmen der zwei Sänger wurden mit dem Computer gefälscht. In Wahrheit hat das Projekt nichts mit ihnen zu tun.
Anders als bei AISIS sind die Hintergründe von Heart on my Sleeve unbekannt. Der Song wurde von einem anonymen Account hochgeladen und anschließend wegen Copyright-Verletzungen gesperrt – auf TikTok und anderen Videoplattformen verbreitet er sich jedoch weiter.
Auch der DJ David Guetta hatte vor Kurzem für Aufsehen gesorgt, nachdem er bei einem Festival einen Track abgespielt hatte, auf dem ein synthetisch erzeugter Eminem zu hören war.
Reine KI-Musik gibt es noch nicht
Bisher ist bei Projekten dieser Art immer noch jede Menge menschliche Arbeit nötig. Die Instrumental-Stücke und Songtexte wurden von Menschen erstellt, und auch die Stimmen wurden wohl zunächst von einer echten Person eingesungen.
Künstliche Intelligenz ist nur am Ende des Prozesses involviert – dann nämlich verwandelt sie die Stimme des ursprünglichen Sängers in das virtuelle Double eines Stars. Die Technologie, die auch für Betrugsmaschen eingesetzt wird, ist vergleichbar mit virtuellen Gesichtsfiltern bei Video-Apps, in denen künstliche Intelligenz die Struktur eines Gesichts analysiert und anschließend virtuell bearbeitet.
Ist das die Zukunft der Musik?
Nicht alle trifft diese Entwicklung unterwartet. Die Sängerin Holly Herndon entwickelt mit ihrem Partner Mat Dryhurst schon seit Längerem ein Projekt namens Holly+, in dem sie Fans ihre Stimme zur Verfügung stellt. "Der Gedanke ist: Wie sieht es aus, wenn eine Künstlerin die Leute bewusst ermuntert, mit ihrer Stimme oder ihrem Stil zu experimentieren?", erklärt Mat Dryhurst im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.
Damit unterscheidet sich das Projekt von der Heransgehensweise der Musikindustrie im Falle Drake und The Weeknd. Hier wird der Track wohl aus Urheberrechtsgründen aus dem Internet und von Streamingdiensten entfernt. Der Unterschied ist, dass dieser Song ohne Genehmigung der Künstler entstanden ist – für Mat Dryhurst unbedingt Voraussetzung.
Dryhurst glaubt, dass die Musikwelt sich bald enorm verändern wird: "Es könnte Wege für Künstlerinnen und Künstler geben, Werke mit ihrer Stimme oder ihrem Aussehen anzuerkennen und mit an den Einnahmen dieser Werke zu profitieren. Und die Leute, die diese Werke erstellen, werden mit der Zeit die Chancen erkennen, die es hat, so mit einem Künstler zusammenzuarbeiten."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!