Abmahnschreiben wird mit einer Lupe gelesen, daneben ist ein Gerichtshammer zu sehen.
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Abmahnung

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Ist der Abmahn-Krimi um "Google Fonts" jetzt vorbei?

Bei deutschen Firmen hagelte es Abmahnschreiben, weil sie die Schriftzeichen von "Google Fonts" für ihre Webseiten benutzt hatten. Absender waren Kanzleien, die abkassieren wollten. Inzwischen gibt es ein Urteil und eine Razzia bei einer Kanzlei.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft kompakt am .

Andreas Polz ist Anwalt in Augsburg und betreut Firmen, die Probleme mit dem Datenschutz haben. Immer wieder kamen besorgte Unternehmer zu ihm, weil sie unter Druck gesetzt wurden. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten den Google-Dienst Fonts unrechtmäßig eingesetzt. Der Dienst stellt die verschiedensten Schriftarten zur Verfügung, die sich dann auf Internetseiten einbauen lassen. Problematisch ist allerdings, dass Google dann mitprotokolliert, wer diese Internetseiten besucht. Wer Fonts nutzt, muss deshalb ein paar Dinge beachten, um nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung zu verstoßen.

Viele Firmen haben das nicht getan - ob aus Unwissenheit oder aus Nachlässigkeit sei dahingestellt. Die Datenschutz-Aufsichtsbehörden sind bei kleineren Verstößen normalerweise kulant und fordern die Unternehmen zunächst auf, nachzubessern. Zwei Anwälte haben allerdings versucht, das Recht selbst in die Hand zu nehmen, allem Anschein nach aber nicht um einen Missstand zu beheben, sondern um im großen Stil Geld zu verdienen.

Zwei inzwischen berüchtigte Kanzleien

Die beiden Anwälte, die vor allem hinter reihenweisen Abmahnschreiben stehen sind Nikolaos Kairis und seine Kanzlei RAAG aus Meerbusch, sowie Kilian Lenard aus Berlin, der angeblich von einem Verein mit dem Namen Interessengemeinschaft Datenschutz unterstützt wird. Beide Anwälte und ihre Konstrukte sind mittlerweile in Juristenkreisen gut bekannt. Auch die Mandanten von Andreas Polz in Augsburg hatten mit Kairis und Lenard Bekanntschaft gemacht. Wie Polz erklärt, war die Masche der Beiden einfach, effektiv aber widerrechtlich.

Immer wieder taucht ein Herr Wang auf

Die Firmen, die Google Fonts einsetzten, bekamen Schreiben von Kairis oder Lenard, manche auch von beiden. Darin wurden sie auf einen Verstoß gegen den Datenschutz hingewiesen und auf einen Schaden, der einem ihrer Mandanten dadurch entstanden sei. Als angebliche Geschädigte tauchten immer wieder zwei Namen auf. Kilian Lenard vertrat meist einen Mann namens Martin Ismail. Bei der Kanzlei Raag von Nikolaos Kairis hieß der Beschädigte häufig Wang Yu, ein chinesischer Allerweltsname, wie hierzulande Hans Müller. Kairis ist nach Recherchen des Branchedienstes Anwalt.de ein womöglich griechischer Anwalt, der vor seiner Abmahntätigkeit auf Verkehrsrecht spezialisiert war, nicht allerdings auf Datenschutz.

Mehrere 100-tausend Euro verdient

Die beiden Abmahn-Anwälte haben wohl viele tausend Schreiben verschickt. Andreas Polz verweist auf das Aktenzeichen mit einer Nummer von über 97.000, das er auf einem solchen Schreiben entdeckt hat. Lenard und Kairis machten in ihren Schreiben Druck und verwiesen laut Polz auf mögliche Forderungen von bis zu 2.500 Euro, die wegen der Verwendung der Google-Software drohte. Man gab sich aber gleichzeitig kompromissbereit und wollte die Sache gegen Zahlung von 140 Euro (Kairis) beziehungsweise 170 Euro (Lenard) plus Anwaltskosten auf sich beruhen lassen. Wieviele Firmen darauf eingegangen sind, lässt sich nicht nachvollziehen. Selbst wenn es aber nur ein kleiner Teil der Angeschrieben war, ergeben sich schnell Einnahmen von deutlich über 100.000 Euro.

Razzia bei einem der Abmahner

Ende letzten Jahres ließ die Staatsanwaltschaft Berlin die Kanzlei des Abmahnanwalts Kilian Lenard durchsuchen. Gegen den 53-Jährigen wird jetzt in 2418 Fällen von gewerbsmäßigem Betrug und Erpressung ermittelt. Lenard soll laut Staatsanwaltschaft mit seiner Masche insgesamt 346.000 Euro von Privatpersonen und Kleingewerbetreibenden abkassiert haben. Rund 2.000 Personen hatten die 170 Euro bezahlt.

Landgericht München urteilt gegen Lenard

Auch von gerichtlicher Seite her wird es eng für den Berliner Abmahn-Anwalt. Das Landgericht München hat ein Urteil gefällt, in dem es einem Kläger gegen Lenard Recht gab. Dabei sprach der Richter Lenards Mandanten (Martin Ismail) eine persönliche Betroffenheit ab, weil der massenhaft als angeblich Geschädigter auftrat. Wer automatisiert nach Verstößen sucht, kann gar nicht mehr persönlich geschädigt worden sein, so der Tenor des Landgerichts. Eine Sprecherin sagte BR24, man sehe dem Urteil durchaus an, dass das Gericht die ganze Masche für nicht rechtmäßig hält. Das heiße allerdings nicht, dass der nächste Richter in einem solchen Fall nicht wieder anders entscheide. Ob die Abmahnwelle damit also endgültig abgeebbt ist, bleibt abzuwarten.

Zum Schluss zwei Tipps

Laut Andreas Polz ist es gar kein Problem Google Fonts für eine Firmen-Seite zu nutzen. Man muss entweder nur darauf hinweisen und kurz erklären wie es funktioniert, oder man nutzt diesen Dienst offline und damit ohne die Übertragung von Daten an Google. Wichtig sei auch ein Cookie-Banner, der die Möglichkeit zu individuellen Einstellungen ermöglicht. Wer das berücksichtigt, braucht vor Abmahnschreiben keine Angst zu haben.

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