Es ist schon jetzt eines der kontroversesten Videospiele des Jahres: In "Atomic Heart" ist die Sowjetunion nie untergegangen, stattdessen ist sie zur führenden Technologie-Nation aufgestiegen und hat sogar Mond und Mars kolonisiert. Überall grüßen humanoide Roboter, es gibt riesige Propagandastatuen und Wandbilder, die dem sowjetischen Realismus entspringen.
Distanzierungen und Boykottaufrufe
Dass ausgerechnet ein Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs ein so sowjet-nostalgisches Videospiel erscheint, macht nun vielen Gaming-Fans zu schaffen. Auch der stellvertretende Digitalminister der Ukraine hat sich mit einem Aufruf an Sony und Microsoft gewandt, die das Spiel in ihren Stores vertreiben. Er forderte die Unternehmen auf, den Verkauf des Spiels zu stoppen.
Der Komponist Mick Gordon, der die Musik für das Spiel komponiert hat, hat angekündigt, seine Einnahmen aus dem Projekt an die Ukraine zu spenden, sich in einem Statement jedoch hinter die Entwickler des Spiels gestellt.
Heikle Verbindungen
Nicht nur das Spiel selbst wird kontrovers diskutiert, sondern auch seine Entstehungsgeschichte. Die Investoren der Games-Schmiede sollen Verbindungen zum Putin-Regime unterhalten und finanziell die von Russland auf ukrainischem Territorium ausgerufene Volksrepublik Donezk unterstützt haben. In einigen Ländern wird das Spiel zudem von VK Games vertrieben, dessen Chef auf der Sanktionsliste der USA und der EU steht.
Und: Es ist kein Geheimnis, dass die Chefentwickler von "Atomic Heart" selbst aus Russland stammen, auch wenn die Gamesschmiede mittlerweile in Zypern ansässig ist. Das Studio hat sich von dem russischen Krieg in der Ukraine distanziert. In einer Stellungnahme im Januar schrieb das Unternehmen, man sei "pro Frieden" und "gegen Gewalt", erwähnte jedoch den Krieg nicht.
Auf Twitter wird außerdem auf irritierende Anspielungen in dem Spiel aufmerksam gemacht. So werden in dem futuristischen Spiel Geranien von Drohnen durch die Luft getragen. Als "Gerantien" werden in Russland jedoch auch die iranischen Drohnen bezeichnet, die gegen die Ukraine zum Einsatz kommen.
Was sagt Microsoft?
Aus all diesen Gründen wird im Netz zum Boykott des Spiels aufgerufen. Doch das Spiel zu boykottieren ist gar nicht so einfach. Atomic Heart wird zum Release in Microsofts Game Pass enthalten sein, eine Art Netflix für Spiele. Wer also monatlich eine Abo-Gebühr für den Game Pass zahlt, der finanziert damit indirekt möglicherweise auch ein fragwürdiges Produkt mit. Warum hat Microsoft das Spiel trotzdem in seinen Katalog aufgenommen? Man hätte es gerne erfahren. Der Bayerische Rundfunk hat bei Microsoft mehrmals nachgefragt, doch Antworten gab es bisher keine.
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