Praveen Seshadri wechselte Anfang 2020 zum Google-Konzern Alphabet, nachdem die Cloud-Tochter das von Seshadri mitbegründete Unternehmen "AppSheet" übernommen hatte. In seinem Blogeintrag vom Montag erklärte er, dass er zwar willkommen geheißen und gut behandelt worden sei, Google aber mit der Erkenntnis verlassen habe, dass "das einst großartige Unternehmen langsam aufhört zu funktionieren".
Problemfall: Unternehmenskultur
Der Entwickler ist der Meinung, nicht neue Technologien seien das Problem des kalifornischen Konzerns, sondern seine Unternehmenskultur. Seshadri listet dabei die seiner Meinung drängendsten Probleme auf: Google fehle es an einer Mission, es würden keine Prioritäten gesetzt und es herrsche eine Art Wahnvorstellung, dass man außergewöhnlich sei. Außerdem gebe es viel Missmanagement.
Überdeckt würden diese Missstände durch das anhaltend gute digitale Anzeigengeschäft. Es sei eine Gelddruckmaschine.
Ex-Mitabeiter: "Google kümmert sich nicht um seine Kunden"
Google kümmere sich nicht um seine Kunden, wirft er dem Unternehmen vor. Die meisten Mitarbeitenden würden wieder anderen Mitarbeitenden dienen. Der Konzern sei wie geschlossene Welt. Harte Arbeit werde nicht belohnt. Rückmeldungen erhalte man nur aus dem Kollegenkreis und von übergeordneten Führungskräften.
Besonders hebt Seshadri vor, die Mitarbeitenden müssten viel Zeit für Genehmigungen, rechtliche Prüfungen, Leistungsbeurteilungen und Meetings aufwenden. Sie seien wie gefangen und es bleibe nur wenig Raum für Kreativität oder echte Innovation.
Microsoft-Chef Satya Nadella freut sich. Noch vor Google hat das Unternehmen mit der Integration eines KI-Bots in seine Suche Bing begonnen.
Unternehmen sei risikoscheu
Besonders starken Fokus lege man auf Risikominderung. Sie übertrumpfe alles. Es herrsche eine sanfte Friedenskultur, in der es sich nicht lohnt, für etwas zu kämpfen", schrieb Seshadri. "Die Leute, die dazu neigen, für Kunden, neue Ideen oder für Kreativität zu kämpfen, lernen schnell die Nachteile dieses Vorgehens kennen."
Google ist besonders bei KI ins Hintertreffen geraten und macht Fehler
Der von Sundar Pichai geleitete Konzern ist besonders bei der Einführung eines KI-basierten Sprachmodells ins Hintertreffen geraten. Konkurrent Microsoft hat begonnen, den von OpenAI entwickelten Sprachassistenten ChatGPT in seine bislang wenig erfolgreiche Suchmaschine Bing einzubauen.
Dem Google Konzern ist bei der Vorstellung seiner bislang noch nicht veröffentlichen Konkurrenz-Version ein schwerer Fehler unterlaufen, weil sein KI-Bot Bard fälschlicherweise behauptet hatte, dass James Web Weltraumteleskop sei das erste gewesen, das Planeten außerhalb unseres Sonnensystems fotografierte.
Auch der von Microsoft eingesetzte KI-Bot ChatGPT spuckte in der Bing-Suche in den vergangenen Tagen zahlreiche Falschaussagen aus.
Vorwürfe decken sich mit BR-Recherchen
Die Vorwürfe decken sich auch mit den Aussagen gegenwärtiger und ehemaliger Google-Mitarbeitenden, die sich gegenüber dem BR-Studio in San Francisco geäußert haben. Ein ehemaliger Google-Mitarbeitender, der anonym bleiben will, meinte, er habe sein ehemaliges Unternehmen als sehr risikoscheu erlebt. Man fürchte andauernd, in ein schlechtes Licht gerückt zu werden.
ChatGPT übertrumpft Suchmaschinen-Primus
Bis zum Auftauchen von ChatGPT Mitte November 2022 habe man nicht einmal in Erwägung gezogen, ein KI-Tool herauszubringen, das in die Google Suche integriert werden kann. Eine andere Google-Mitarbeitende sagte, in vielen Unternehmens-Bereichen, die sich um Forschung kümmern, gebe es schlechte Strukturen. Kompetenzen seien nicht klar verteilt, es werde unklar kommuniziert. Es gebe kaum richtige Zielvorgaben. Manchmal gehe es schlicht chaotisch zu.
Selbst im Unternehmenseigenen Forum: "Memegen" regt sich Unmut. Vor allem CEO Sundar Pichai wird da von den Mitarbeitenden scharf kritisiert.
Google Mitarbeitende kritisieren CEO Sundar Pichai
Selbst im Unternehmenseigenen Forum: "Memegen" regt sich Unmut. Vor allem CEO Sundar Pichai wird da von den Mitarbeitenden scharf kritisiert. Viele Googler bezeichneten die Bard-Ankündigung als "verpfuscht" und als "überstürzt". Das Ganze sei nicht Google würdig gewesen schrieben einige. Sie befürchten, dass Google mit seiner KI am Ende die User enttäuschen werde, weil sie noch nicht fertig sei und zuverlässig laufe.
Entwickler Seshadri hat ausweißlich seines LinkedIn-Profils dem Suchmaschinen-Unternehmen den Rücken gekehrt. Es soll den Konzern bereits im Januar verlassen haben.
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