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Facebook-Urteil

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Die Folgen des Urteils zu Facebook-Daten Verstorbener

Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, dass Facebook-Daten einer toten Jugendlichen vererbt werden. Das hat Auswirkungen für Hinterbliebene, die Kommunikation der Kontakte Verstorbener - und auf andere Internetdienste. Von Florian Regensburger

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Das Urteil war mit Spannung erwartet worden: Dürfen die Eltern einer 15-Jährigen, die im Jahr 2012 von einer Berliner U-Bahn überfahren und dabei getötet wurde, auf das Facebook-Profil ihrer Tochter zugreifen? Ja, sagten die Karlsruher Richter heute. Der Vertrag der Jugendlichen mit Facebook ist demnach Teil des Erbes, so dass die Eltern kompletten Zugriff auf das Konto ihrer Tochter haben. So wie Briefe oder Tagebücher, die im Todesfall ebenfalls an die Hinterbliebenen übergehen, können damit auch digitale Aufzeichnungen und Schriftverkehre vererbt werden. Facebook hatte sich bislang geweigert, den Eltern Zugriff auf das vollständige Facebook-Profil ihrer Tochter zu gewähren, wovon diese sich Klarheit über einen möglichen Suizid der Toten erhoffen.

Hinterbliebene dürfen auch Chats der Toten lesen

Nun urteilten die Richter, dass die Eltern auch die Kommunikation mit Kontakten ihrer Tochter einsehen dürfen. Ein Paukenschlag mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung. Der renommierte Kölner IT-Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt im Gespräch mit BR24 die wichtigsten Folgen des Urteils zum Digitalen Erbe, auch mit Auswirkungen auf Internetdienste über Facebook hinaus.

BR24: Herr Solmecke, was bedeutet das heutige Urteil für die Hinterbliebenen verstorbener Facebook-Nutzer?

Solmecke: "Die Hinterbliebenen, auf die das Erbe übergeht, erhalten dann Zugriff zu den Online-Konten, wenn der Erblasser nichts Anderweitiges geregelt hat. Das Alter der Kinder ist für die Vererbung selbst nicht von Bedeutung.
Allerdings kann man nicht in jedem Alter selbst ein Testament anfertigen. Kinder im Alter von 0 - 16 Jahren sind nicht testierfähig. Kinder im Alter von 16 - 18 Jahren sind eingeschränkt testierfähig. Eingeschränkte Testierfähigkeit bedeutet, dass der Minderjährige aus Schutzgründen kein eigenhändiges Testament errichten darf. Er kann also nur ein notarielles Testament errichten."

BR24: Was bedeutet das Urteil für Menschen, die Angst haben, dass ihre Hinterbliebenen nach ihrem Tod ihre Facebook-Chats nachlesen könnten, die sie vielleicht lieber geheim gehalten hätten?

Solmecke: "Bei vielen Online-Anbietern hat man die Möglichkeit, noch zu Lebzeiten einzustellen, dass das Konto mit dem eigenen Tod gelöscht werden soll. Das geht auch bei Facebook. Die Frage ist natürlich zum einen, wer schneller ist – jemand, der den Tod des Verstorbenen meldet oder die Erben, die mittels der Passwörter Zugang zu dem Konto erhalten.
Darüber hinaus bietet das Erbrecht mehrere weitaus sicherere Möglichkeiten, festzulegen, was nach dem Tod mit dem Konto passieren soll. Hier bietet es sich an, z.B. im Testament zu verfügen, dass das Konto nach dem Tod gelöscht werden soll. Diese Anordnung haben die Erben dann zu befolgen. Man kann auch jemanden als Nachlassverwalter einsetzen und ihm eine Vollmacht für die Löschung erteilen. Die Vollmacht muss handschriftlich verfasst sein, mit einem Datum versehen und unterschrieben sein. Unabdingbar ist außerdem, dass sie 'über den Tod hinaus' gilt."

BR24: Was bedeutet das für den Schutz der Kommunikationsinhalte von Facebook-Kontakten der Verstorbenen, also zum Beispiel Chats?

Solmecke: "Sie haben danach kein Recht, sich auf ihre Persönlichkeitsrechte zu berufen, wenn die Erben die Kommunikation nach dem Tod eines Kommunikationspartners lesen. Der BGH begründet das folgendermaßen: Der Vertrag mit Facebook sei nicht höchstpersönlich. Höchstpersönlicher Charakter folge nicht aus dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner. Zwar mag der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch die Beklagte dritten Personen gegenüber offengelegt werden.
Die vertragliche Verpflichtung Facebooks zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten sei jedoch von vornherein kontobezogen. Sie habe nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht könne dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass Facebook sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Es bestehe aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten müsse mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses."

BR24: Ist das Urteil Übertragbar auf andere Internetdienste außer Facebook und was wären die Auswirkungen?

Solmecke: "Ja, dieses Urteil ist ein Grundsatzurteil, das auch alle anderen Internetdienste betrifft. Hier war lange Zeit vieles umstritten, was auch in diesem Fall relevant wurde.
So war zum Beispiel umstritten, ob digitale Güter überhaupt vererbbar seien. Gegner einer Vererbbarkeit argumentierten folgendermaßen: Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regele nicht, ob höchstpersönliche Rechtspositionen (ohne vermögensrechtliche Auswirkungen) vererbbar seien, sondern setze für eine Vererbung voraus, dass sie in irgendeiner Form im Eigentum des Verstorbenen verkörpert seien und nicht nur virtuell existierten. Dem erteilte der BGH nun eine Absage und erklärte digitale Inhalte für vererbbar."