Eine nationale Personenkennziffer gibt es in Deutschland nicht, die Bundesländer wollen das ändern. Initiiert von Bayern und der Rheinland-Pfalz fordern sie in einem Acht-Punkte-Plan, adressiert an den IT-Beauftragten der Bundesregierung, Markus Richter, die "Einführung einer einheitlichen, nutzerfreundlichen, deutschlandweit gültigen Bürger-ID".
Eine Nummer für alle (Online-)Behördengänge
Eine solche Bürger-ID könne laut Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach von der CSU den "den gordischen Knoten der digitalen Verwaltung lösen". Noch stünden "Zettelwirtschaft" und "Karteikartenmentalität in deutschen Behörden" der "Volldigitalisierung aller Verwaltungsprozesse" im Wege.
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Die Länder fordern darin vom Bund "ein gemeinsames, einheitliches und bundesweites Nutzerkonto (Deutschland-ID oder Bürger-ID)". Dies soll es Bürgern ermöglichen, sich online bei Behörden auszuweisen mit einem "einem einheitlichen, bundesweiten Nutzerkonto (nach dem Beispiel Unternehmenskonto)", erklärt ein Pressesprecher des Bayerischen Digitalministeriums: "Perspektivisch wird angestrebt, unter Einbindung der FITKO [Föderale IT-Kooperation] die Entwicklung der Wirtschafts- und der Bürger-ID in Einklang zu bringen."
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Das Onlinezugangsgesetz (OZG) von 2017 sieht eigentlich vor, dass seit Beginn dieses Jahres schon sämtliche Verwaltungsdienstleistungen online erledigt werden können. Eine Gesetzesnovelle soll noch in diesem Jahr die verfehlten Digitalisierungsziele geraderücken, geht den Ländern aber offensichtlich nicht weit genug.
Ist die Bürger-ID mit dem Gesetz vereinbar?
Im Weg stehen dem Wunsch nach einer Personenkennziffer gleich mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts, darunter das Volkszählungsurteil von 1983, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Mikrozensusurteil von 1969.
Letzteres Urteil untersagt es dem Staat, "den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren, sei es auch in der Anonymität einer statistischen Erhebung, und ihn damit wie eine Sache zu behandeln, die einer Bestandsaufnahme in jeder Beziehung zugänglich ist". Nicht umsonst ist unter Punkt sieben des Länder-Papiers "rechtliche Hindernisse beseitigen" angeführt.
Vorbild Skandinavien, Alternative Österreich
Skandinavische Länder, aber auch Chile, Frankreich und die USA nutzen vergleichbare Personenkennziffern hingegen schon länger. In Schweden erhält jeder Staatsbürger von Geburt an eine sogenannte "Personennummer", die seit 1991 von der schwedischen Steuerbehörde vergeben und verwaltet wird. Diese Nummer wird ein Leben lang für behördliche Vorgänge verwendet, aber auch von vielen nicht-öffentlichen Stellen als Identifikationsmerkmal gebraucht.
Eine Art "Bürger-ID light" ist in Österreich gebräuchlich: Einwohner sind dort mit einer "Stammzahl" zwar eindeutig identifizierbar, diese allerdings bleibt geheim und liegt nur der Datenschutzbehörde vor. Für jeden behördlichen Vorgang wird daraus ein "bereichsspezifisches Personenkennzeichen" abgeleitet und dem zuständigen Amt übermittelt – mit Hilfe kryptografischer Verfahren lässt sich dieses nicht mehr rückwärts entschlüsseln.
Deutschland hinkt in Europa digital hinterher
Im europäischen Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft landete Deutschland zuletzt auf Platz 18 beim Vergleich, wie nutzerfreundlich und zugänglich das Angebot an Online-Behördendienstleistungen ausgestaltet ist – und welche davon es überhaupt gibt.
Von den insgesamt 575 anvisierten Leistungen und Behördenvorgängen (von Bund, Ländern und Gemeinden) die laut Onlinezugangsgesetz schon längst hätten verfügbar sein sollen, sind Stand heute gerade mal 119 bundesweit umgesetzt, in Bayern immerhin schon 198 davon flächendeckend.
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