Es klingt so einleuchtend: Verzichten wir auf Datenschutz, werten unsere Handys aus und wissen damit sofort Bescheid, wo Infizierte unterwegs sind und wer sich nicht an die Regeln hält. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) etwa verfiel letzte Woche dieser verführerischen Logik und forderte Zugriff auf die Bewegungsprofile der Smartphones, um die 15 Kilometer-Regel zu kontrollieren.
So einfach ist es aber eben doch nicht. Zwar glauben Juristen, dass es die kritische Corona-Lage sehr wohl hergeben würde, bestimmte Rechte, also auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzuschränken. Doch damit wäre nichts gewonnen. Denn die Bewegungsprofile, wie sie der Gemeindetagspräsident gerne hätte, gibt es so gar nicht.
Standortbestimmung einfacher gesagt als getan
Generell gibt es mehrere Möglichkeiten, Standortdaten zu erfassen.
Erstens: Indem sich der Staat von den Mobilfunkgesellschaften wie T-Mobile oder Telefonica zeigen lässt, in welchen Funkzellen eine Person mit ihrem Handy unterwegs war. Das liefert aber kein sauberes Bewegungsprofil, sondern oft nur höchst ungenaue Daten. Schon deshalb, weil in ländlichen Regionen die Mobilfunkmasten oft mehrere Kilometer auseinander stehen. Außerdem dürfen die Handygesellschaften die Daten nur bei schweren Straftaten herausgeben. Sollte das nun auch bei Verstößen gegen die Corona-Beschränkungen gelten, dann müsste erst einmal ein neues Gesetz her.
Zweitens: Indem das Smartphone als eine Art Peilsender genutzt wird, das seinen Besitzer lokalisiert. Die Bewegungen werden über das Satellitensignal GPS ausgewertet. Dafür müssten die Nutzer und Nutzerinnen ihr GPS aber erst einmal den ganzen Tag über aktiviert lassen, was den Akku des Geräts ziemlich schnell leeren würde. Außerdem registriert das Handy gar nicht automatisch, wo man sich aufhält. Um ein lückenloses Tracking via Satellitensignal zu bekommen, bräuchte es noch eine weitere App, die den Standort alle paar Sekunden abfragt und zum Beispiel an die Gesundheitsämter weiterleitet. Die Corona-Warn-App leistet genau dieses GPS-Tracking nicht.
Was können Handynutzer leisten, wer soll die Datenberge auswerten?
Handynutzer müssten also tatsächlich auch alle ein Smartphone mit dieser App mit sich führen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber glaubt nicht, dass dies durchführbar ist.
"Was eben nicht funktioniert, ist der Glaube, in einer offenen Gesellschaft Menschen zum Beispiel dazu zu zwingen, ein modernes Handy, das so etwas aufzeichnet, zu besitzen. Es mit sich zu führen, immer geladen zu haben, ein privates Handy und nicht das vom Dienstherrn zu haben und sich das von der Schwester zu leihen." Ulrich Kelber, Datenschutzbeauftragter
Doch selbst wenn man die Bürger wirklich dazu brächte, sich tagtäglich digital verfolgen zu lassen - ein Problem bleibt sicher: Wer soll diese Datenberge auswerten und darauf reagieren?
Funktionen der Warn-App werden erweitert
Die Macher der Warn-App reagieren unterdessen auf die Kritik und erweitern deren Kapazität. Zu den neuen Funktionen gehört unter anderem ein Dashboard, auf dem aktuelle Informationen über das Infektionsgeschehen zur Verfügung gestellt werden sollen. Danach soll die App um eine Darstellung der Begegnungshistorie erweitert werden. Dabei geht es darum, die App-Nutzer genauer über den Zeitpunkt von Risikobegegnungen zu informieren. Diese Funktion soll im Einklang mit dem geltenden Datenschutz umgesetzt werden. Als dritte Neuerung soll die App auch auf den älteren iPhone-Modellen 5s und 6 laufen können.
Die Corona-Warn-App der Bundesregierung wurde bis heute mehr als 25 Millionen Mal heruntergeladen. Experten schätzen, dass sie von rund 23 Millionen Menschen aktiv genutzt wird. Da in manchen Familien mehrere Geräte mit einer ID versorgt werden, dürfte die Ausgangsbasis tatsächlich aber noch höher sein als 25 Millionen Menschen.
Neue Features der Corona-Warnapp: BR24-Netzexperte Christian Schiffer im Gespräch mit B5-Moderatorin Sabine Strasser
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