Bildrechte: picture-alliance/dpa

Whatsapp

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Chats und Cloud-Daten: EU will Zugriff für Ermittler ausweiten

Strafverfolger in der EU sollen leichter auf Chats, E-Mails oder besuchte Webseiten Verdächtiger zugreifen können - auch dann, wenn diese im Ausland gespeichert sind. Kritiker sehen rechtsstaatliche Prinzipien missachtet. Von Florian Regensburger

Wenn ein Terrorverdächtiger oder Drogenhändler über einen Chat-Dienst wie Whatsapp, Signal oder Telegram Absprachen mit Komplizen getroffen hat, stehen Ermittler oft vor großen Schwierigkeiten, wenn es um den Zugriff auf die im Ausland gespeicherten Kommunikationsdaten geht. Neue EU-weite Regelungen soll diesen nun deutlich erleichtern. EU-Parlament und Europäischer Rat müssen dem Maßnahmenpaket noch zustimmen.

Frist von nur sechs Stunden

Dieses soll es Polizei- und Justizbehörden der EU-Länder deutlich erleichtern, im Rahmen von Strafverfahren elektronische Beweismittel direkt bei den Anbietern von Onlinediensten anzufordern. Dabei geht es vor allem um Kommunikationsprotokolle aus Chats oder E-Mails. In dringenden Fällen müssten Kommunikationsanbieter diese den Ermittlern innerhalb von sechs Stunden zugänglich machen. Bei normalen Anfragen gilt eine Frist von zehn Tagen. Heute dauern die Verfahren oft viele Monate.

Auch Bestandsdaten wie Name und Adresse von Anschluss- und Konto-Inhabern und gegebenenfalls Passwörter sollen dem Vorschlag der EU-Kommission zufolge abgefragt werden können; ebenso bei Cloud-Anbietern gespeicherte Dokumente wie Fotos oder Videos.

"Vereinfachen und beschleunigen"

"Es darf keine Schlupfwinkel für Straftäter und Terroristen in Europa geben, weder online noch offline", wird Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans in einer entsprechenden Mitteilung der EU-Kommission zitiert. In mehr als der Hälfte aller strafrechtlichen Ermittlungen werde ein "grenzüberschreitender Antrag auf Übermittlung elektronischer Beweismittel gestellt, über die ein Diensteanbieter mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder außerhalb der EU verfügt", heißt es in der Mitteilung weiter. Da die Sammlung solcher Beweismittel über Ländergrenzen hinweg entweder zu lange dauere oder durch abweichende rechtliche Vorschriften oft ganz verhindert werde, sollen die neuen Vorschriften sie "vereinfachen und beschleunigen".

Unternehmen müssen Verantwortlichen benennen

Dazu sollen ausländische Unternehmen einen gesetzlichen Vertreter innerhalb der EU benennen, der als Ansprechpartner verantwortlich für die Bearbeitung der Ermittlungsanfragen ist. Außerdem gilt der Richtervorbehalt: Abfragen von Inhaltsdaten wie Chatnachrichten oder Bilder und Videos können nur auf richterliche Anordnung hin geschehen. Für Vorratsdaten, also etwa die Information, wer wann mit wem kommuniziert hat, reicht ein Staatsanwalt aus.

Branchenverband befürchtet Rechtsunsicherheiten

Außerdem sollen Dienste-Anbieter künftig per einer "Europäischen Datenspeicherungsanordnung" verpflichtet werden können, Daten bestimmter Nutzer aufzubewahren, damit sie bei einer eventuellen späteren richterlichen Anordnung abgerufen werden können. Entsprechende Verfahren wurden auch im Rahmen der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung unter dem Begriff "Quick Freeze" diskutiert - und könnten möglicherweise mit nationalen Vorratsdaten-Regelungen kollidieren. Der IT-Branchenverband Eco warnt deshalb vor Rechtsunsicherheiten, die mit dem Maßnahmenpaket der EU entstehen würden.

Netzpolitik-Blogger sehen Rechtsstaat in Gefahr

Vom Blog netzpolitik.org kommt die Kritik, rechtsstaatliche Prinzipien seien in Gefahr: Die Neuregelung würde "Druck auf Unternehmen ausüben, im Zweifel immer Daten herauszugeben, selbst wenn es sich um eine nicht gerechtfertigte Anordnung handeln sollte" - weil es für sie der Weg des geringsten Widerstands ist.