Man fühlt sich ein wenig an "Das Erwachen" von Andreas Brandhorst erinnert. In dem Science-Fiction-Roman überschreitet eine künstliche Intelligenz eine Schwelle und wird zu einem autarken Wesen. Die Maschine verbessert sich fortan ständig selbst und übernimmt die Regentschaft auf der Erde. Menschen haben nichts mehr zu bestimmen. Die Kommunikationssoftware Chat GPT geht zumindest einen kleinen Schritt in diese Richtung. Das Programm liefert auf Befehl Software-Code, die Maschine bringt sich also gewissermaßen selbst zum Laufen.
In der BR-Sendung Münchner Runde überlegte der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar deshalb: "Ich frage mich, wie lange wird´s dauern, bis Programmierer entlassen werden – weil ein ganz großer Part davon von Maschinen gemacht werden kann?" An der TU München geht Georg Groh, Professor für Social Computing gelassen mit dieser Vision um. Seine Studierenden bräuchten sich keine Sorgen über ihre berufliche Zukunft zu machen, meint er.
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ChatGPT ist ein stochastischer Papagei
Um zu verstehen, warum Informatiker auch in Zukunft dringend gebraucht werden, erklärt Groh, wie ChatGPT eigentlich funktioniert. Das Programm, hinter dem die Firma OpenAI steht, zerhackt Texte in kleine Blöcke mit wenigen Buchstaben und schaut mit welcher Wahrscheinlichkeit welche dieser Blöcke nebeneinander stehen. Das wird mit Milliarden von Wörtern immer wieder gemacht. Am Ende dieses Trainings "weiß" ChatGPT nicht nur recht genau, wie Sätze gebildet werden, sondern auch, welche Antworten auf eine Frage folgen können, damit es Sinn ergibt. Deshalb werden Sprache-KIs auch als stochastische Papageien bezeichnet. Sie plappern nach, was so bereits immer wieder gesprochen oder geschrieben worden ist.
Im Prinzip seien auch wir Menschen oft nichts Anderes, sagt Georg Groh. Wir würden zum Beispiel auf Partys immer wieder die gleichen Storys erzählen, wenn die in der Vergangenheit gut angekommen sind, sagt der Informatik-Professor. Wenn ChatGPT nun nach einem Programmier-Code gefragt wird, funktioniert das System genauso. Es wird mit allem gefüttert, was in Informatik-Foren und an frei zugänglicher Softwaredokumentation zu finden ist und lernt welcher Code zu welcher Aufgabestellung passt. Das funktioniert für einfache Aufgaben womöglich schon jetzt ganz gut; und bietet allen Nicht-Programmier-Kundigen dadurch eine Art digitale Gehhilfe.
KI hilft uns zu programmieren
Informatik-Professor Albrecht Schmidt erforscht an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München die Zusammenarbeit von Computern und Menschen. Er glaubt, dass wir einige Aufgaben mit ChatGPT bald besser lösen können. So wird es zum Beispiel einfacher werden, in einem selbst verfassten Text einen Namen, den man falsch geschrieben hat, an allen Stellen wo er auftaucht, zu korrigieren, oder zu allen Dollar-Angaben noch den aktuellen Kurs in Euro anzufügen.
Demnächst werden auch etwas kompliziertere Programmieraufgaben von KIs wie ChatGPT im Handumdrehen gelöst werden. Eine interaktive Malfläche für Kinder auf einem Bildschirm auftauchen zu lassen, wird laut Georg Groh kein großes Problem mehr darstellen, auch ohne große Programmierkenntnisse.
Auch eine Internetseite zu schützen mit einem Eingabefeld für Nutzername und Passwort, ist demnach eine Standardaufgabe, die wir mit Hilfe künstlicher Intelligenz bald unkompliziert selbst lösen könnten. Immer wenn es um klar definierte Aufgaben geht, zu denen bereits Programme existieren, werden uns ChatGPT oder ähnliche Programme demnächst schnelle Lösungen liefern können.
Was ChatGPT und Co nicht können
Dagegen ist schnell Schluss, wenn es um komplizierte Aufgabenstellungen geht. Auf die Anweisung "Erstelle mir ein Abrechnungssystem für eine Zahnarztpraxis", wird es nur virtuelles Schulterzucken geben, wie Georg Groh von der TUM erklärt. Das Problem: das Programm kennt die Zusammenhänge nicht, weiß nicht, was Zahnmedizinische Fachangestellte in der Praxis erledigen, was Zahnärzte tun, oder welche Bedürfnisse Patienten haben. Außerdem funktionieren die Abläufe in jeder Arzt-Praxis etwas anders. Um ein passgenaues Programm zu schreiben, muss abgesprochen und individuell angepasst werden – dafür gibt es keine passenden Standardprogramme.
Und deshalb müssen sich Informatik-Studierende wohl auch keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Der Bedarf an komplexen Programmierungen ist riesig. Gebraucht werden Software-Entwickler. Basis-Software zu schreiben, wird laut LMU-Professor Albrecht Schmidt dagegen immer öfter die KI übernehmen. Das sei aber auch bisher schon oft aus dem asiatischen Raum zugekauft worden.
Bald zehnmal mehr Programmierer
Albrecht Schmidt von der LMU glaubt zudem, dass ChatGPT und ähnliche KIs der Digitalisierung insgesamt einen kräftigen Schub geben könnten. Auch komplexere Programme lassen sich seiner Ansicht nach künftig schneller schreiben. Das liegt unter anderem daran, dass lästige Teilarbeiten, wie das Einlesen von Daten, von der KI übernommen werden können. Außerdem werden kleine Flüchtigkeitsfehler beim Schreiben der Codezeilen automatisch ausgebessert. Programmieren könnte dadurch insgesamt einfacher und attraktiver werden, so dass sich mehr Menschen damit auseinandersetzen.
"Die Anzahl der Menschen, die Programmieren können, wird sich in zehn Jahren verzehnfachen." LMU-Professor Albrecht Schmidt
Sollte diese Prognose eintreffen, dann können endlich viele der Aufgaben erledigt werden, die im Zuge der Digitalisierung derzeit wegen des Fachkräftemangels liegen bleiben.
Dass sich KI dabei zu einem übermächtigen Programm entwickelt, dass sich selbst steuert und verbessert und uns Menschen nicht mehr braucht, kann sich Albrecht Schmidt nicht vorstellen. Das wird seiner Meinung nach Science-Fiction bleiben.
- Zum Artikel: Darf ChatGPT wissenschaftliche Artikel schreiben?
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