Aufsätze und Referate auf Kommando? Dank der KI-Software ChatGPT kein Problem. Der Chatbot kann alle möglichen Texte verfassen - und sogar Code schreiben. Dabei ist nicht unbedingt erkennbar, dass eine Künstliche Intelligenz dahinter steckt. Schon jetzt posten Schüler und Studierende in sozialen Medien, wie sie Hausaufgaben und wissenschaftliche Arbeiten mithilfe von KI verfassen. ChatGPT also lieber verbieten?
Prof. Enkelejda Kasneci von der Technischen Universität München sagt: "Auf keinen Fall verbieten". Sie beschäftigt sich seit Jahren mit KI und sieht dadurch mehr Chancen für Bildungsgerechtigkeit.
"Solche KI-basierten Tools zwingen uns, uns mit Zukunfts-Kompetenzen zu beschäftigen." Prof. Enkelejda Kasneci, Lehrstuhl für Human-Centered Technologies for Learning an der TUM School of Social Sciences and Technology, TU München
Wie kann Künstliche Intelligenz im Bereich Bildung und Wissenschaft sinnvoll genutzt werden? Wo liegen Chancen und Risiken? Darüber spricht BR-Chefredakteur Christian Nitsche im BR24live KI-Talk mit Prof. Enkelejda Kasneci von der TU München. Außerdem zu Gast: Roboter Pepper.
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Selbst schreiben oder schreiben lassen?
ChatGPT ist nur der Auftakt und ein Beispiel für sogenannte Sprachmodelle oder textbasierte KI-Tools. Für Kasneci ist klar: "Wir müssen lernen, damit konstruktiv umzugehen." Vor allem bei der Vorbereitung und dem Einüben von Unterrichtsstoff könne solch ein Tool hilfreich sein. Im Unterricht fehle oft die nötige Zeit zum Üben. Genauso kann die Software Lehrkräften und Dozierenden bei der Korrektur oder Forschung assistieren. Dadurch würden in der Lehre wieder mehr Ressourcen für "face to face"-Interaktion frei.
"Studierende können mit ChatGPT lernen, aber Zusatz-Skills sind und bleiben wichtig", bekräftigt die Expertin. Lehrende müssten umdenken, Prüfungen müssten angepasst werden. Schließlich werde die Zukunft von generativer KI umgeben sein. Demnächst werde es auch ähnliche Tools für Bild und Video geben. Das sogenannte "Challenge-based learning" (auf Deutsch: "Problembasiertes Lernen") solle in den Vordergrund gerückt werden. Dabei gelte es, ein tiefes Themenverständnis zu entwickeln und selbstständig Lösungen zu finden.
Natürlich könne ChatGPT in Text-Fächern wie Deutsch das Schummeln begünstigen und zum Problem werden, so die KI-Expertin. Zusätzlich gebe es derzeit "keine Möglichkeit, die Infos auf Fakten zu überprüfen und keine Quellenangaben bei ChatGPT". Auch Urheberrechte würden nicht berücksichtigt. Daher ist es umso wichtiger, den verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit solchen KI-Tools zu vermitteln. Prof. Kasneci sieht außerdem die mangelnde Transparenz in der Vorgehensweise und Verarbeitungskette solcher KI-Softwares kritisch.
"ChatGPT ist ein Automatisierungstool, das aus sehr vielen Daten gelernt hat. Ich stehe dazu sehr positiv, es wird in der Bildung ein Gamechanger sein. Wir müssen uns diese Lösung genau anschauen." Prof. Enkelejda Kasneci TU München
Sind Computer bald schlauer als wir?
Zuletzt teilten immer mehr User ihre Erfahrungen mit ChatGPT - wie sie den Bot austricksen oder ihm bestimmte Antworten entlocken konnten. Nach der Veröffentlichung des neuen Chatbots der Suchmaschine Bing kam es zu einigen Situationen, in denen die KI ausfallend wurde und ihren Usern Drohungen, Beschimpfungen oder auch Liebeserklärungen zukommen ließ.
Für Enkelejda Kasneci nicht überraschend, "da kein intelligenter Mensch im Hintergrund sitzt, sondern ein Computer-Programm, das dann in einem anderen Kontext arbeitet". Diese Situation des "Kontext-Switchs" könne man mit einem Schauspieler vergleichen, "den Text einer Rolle spricht". Umso wichtiger sei in solchen Situationen der reflektierte Umgang mit den Tools und die Aufklärung über die Risiken.
Müssen wir künftig vor einem Kontrollverlust durch künstliche Intelligenz fürchten? Kann ein Computer vielleicht sogar Lehrer ersetzen? Die Expertin beruhigt: "KI kann niemanden ersetzen." KI sei keine menschliche Intelligenz und sei eher wie eine Waschmaschine oder ein Taschenrechner zu betrachten - eine Hilfestellung für uns.
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