Ein TikTok-Filter namens "Bold Glamour" verstört das Internet. "Bold Glamour" macht die Wimpern länger, die Lippen voller, lässt Falten verschwinden und sorgt für porenreine Haut. Die ganzen Sorgen des Erwachsenenlebens, der Alltags-Stress, alles, was Menschen über Jahre tiefe Furchen in die Visage treibt, dank künstlicher Intelligenz verschwindet es auf Knopfdruck. Verständlich irgendwie, dass auf TikTok Mittvierziger fast den Tränen nahe sind, weil sie sich plötzlich nochmal als Teenager sehen können.
"Wie funktioniert so ein Filter? Was macht er mit uns? Welche Gefahren oder auch Chancen bringt er mit sich? Darüber sprechen wir heute am Donnerstag, 16.3., ab 15.30 Uhr im BR24live KI-Talk. Mit dabei: KI-Experte Prof. Matthias Nießner von der TU München, Psychologin Dr. Fanny Dietel von der Uni Osnabrück und Roboter Pepper. Der Stream wird moderiert von BR-Chefredakteur Christian Nitsche.
Was ist an diesem Filter anders?
Das Ganze ist natürlich nicht völlig neu. Seit Menschengedenken versuchen Menschen sich mit allen möglichen Mitteln aufzuhübschen, etwa mit Mascara, Gel oder Bart-Öl. Auch digitale Filter sind an sich nichts Neues. 2021 aktiviert ein texanischer Anwalt in einer Online-Anhörung versehentlich einen Katzen-Filter und beschert der Welt so den witzigsten Moment der gesamten Corona-Pandemie.
Ein neues Level von Filter
Doch "Bold Glamour" ist ein ganz neues Level von Filter. Der Filter verwischt oder verwackelt sogar auch dann nicht, wenn man die Hand vors Gesicht hält – und wirkt auch dann noch realistisch. Deswegen werden Bedenken laut: Was, wenn Erwachsene sich optisch zum Teenager filtern lassen und dann Kinder belästigen? Und was macht es mit unserem Selbstbild, wenn alle im Internet irgendwann so aussehen, als hätten sie gerade Abi gemacht und würden nächste Woche nach Lloret de Mar düsen?
Auch auf TikTok macht sich Unbehagen breit. Denn "Bold Glamour" passt uns nur oberflächlich dem gängigen Schönheitsideal an. Unter der digitalen Oberfläche ist alles noch wie vorher: Falten, Krähenfüße, Mitesser, Follikel-Filamente und Nasenflügel, die einer Kraterlandschaft gleicht.
"Bold Glamour" macht Angst
Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, was das in der Psyche vieler Menschen anrichten könnte. Gut möglich jedenfalls, dass die Filter einen dazu animieren, die Nasolabialfalte mit Hilfe einer Hyaluron-Spritze ein kleines bisschen zu glätten, so dass der Unterschied zwischen Filter und Realität ein kleines bisschen eingeebnet wird.
Und so gibt es eine Menge Kritik an dem Filter und zwar nicht nur von Experten, sondern auch von TikTok-Nutzern. In den USA meldeten sich zudem auch zahlreiche konservative Stimmen zu Wort, der konservative Influencer Noam Blum etwa bezeichnete TikTok als "Gefahr für die öffentliche Gesundheit". Vielleicht hält sich TikTok deswegen auch mit Erklärungen zurück: Das Unternehmen will sich nicht einmal dazu äußern, ob bei dem Filter künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
Im Internet kann vielleicht bald jeder ewig jung sein
Doch die neue schöne Filter-Welt könnte auf jeden Fall noch kuriose Blüten hervorbringen. 2021 entpuppt sich eine aparte, junge Motorrad-Influencerin mit 28.000 Twitter-Followern als grauhaariger Japaner. Der 50-Jährige hatte seine Selfies mit Hilfe einer App zu denen einer jungen Frau umgemodelt. Statt zehn Likes, gab es für seine Bilder nun hunderte.
"Im Internet weiß niemand, dass Du ein Hund bist", mit diesen Worten ist ein berühmter Cartoon überschrieben, der vor fast genau 30 Jahren im "New Yorker" erschienen ist. Der Satz steht für ein großes Versprechen des Netzes: Hier kannst Du sein, wer Du willst. Dank der neuen Filter könnte dieses Versprechen nun wahrer werden, als jemals zuvor. Wer will, der kann für immer sein Teenager-Gesicht behalten - zumindest im Internet.
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