Eine Glasscherbe liegt auf dem Waldboden (Symbolbild)
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Eine Glasscherbe liegt auf dem Waldboden (Symbolbild)

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Nein, eine Glasscherbe kann wohl keinen Waldbrand verursachen

Behörden warnen derzeit vor einer erhöhten Waldbrandgefahr. Eine der angeblichen Ursachen: Glas. Doch können Glasflaschen oder Glasscherben überhaupt einen Waldbrand entfachen? Und warum sind Autos im Wald gefährlich? Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Darum geht's:

  • Immer wieder wird behauptet, Glasflaschen könnten einen Waldbrand entfachen. Dafür gibt es jedoch keine Belege.
  • Autos mit Katalysator können Waldbrände verursachen, dafür müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein
  • Die meisten Waldbrände entstehen durch Menschen und durch ihre Fahrlässigkeit oder Brandstiftung

In vielen Regionen Deutschlands bleibt seit Wochen und Monaten der Regen aus, das führt zu Trockenheit - und zu Waldbränden. Wie Mitte Juni 2022 in Brandenburg. Achtzig Kilometer südlich von Berlin standen 200 Hektar in Flammen, das ist eine Fläche von rund 280 Fußballfeldern.

Behörden warnen vor Glas im Wald

Häufig entstehen Waldbrände durch Fahrlässigkeit oder Unwissenheit von Menschen, heißt in einer aktuellen Mitteilung der Polizei Paderborn. Als Beispiel wird genannt: "Zurückgelassenes Glas oder Scherben wirken wie Brennlupen". Ähnlich äußerte sich die nordrhein-westfälische Feuerwehr in Witten, sie schrieb vor zwei Jahren, dass "Glas bei Sonnenbestrahlung als Brennglas wirken" könne.

Das Bayerische Innenministerium schreibt in seiner Broschüre "Waldbrandbekämpfung in Bayern", dass Besucherinnen und Besucher im Wald "keine Glasabfälle achtlos liegen" lassen sollen, denn diese "können bei Sonneneinstrahlung wie Brenngläser wirken und Feuer entfachen."

Und auch die Regierung von Mittelfranken warnt derzeit wieder vor Waldbränden. In einer aktuellen Mitteilung heißt es: "Jede weggeworfene Glasflasche, Folie, Feuerzeug oder Dose mit chemischen Substanzen kann zu einem Brandherd werden".

Waldbrände durch Glas? Das sagen die Experten

Dass man mit Hilfe von Glas ein Feuer machen kann, leuchtet erstmal ein und ist spätestens seit dem Physikunterricht in der Schule klar. Denn tatsächlich lässt sich durch den sogenannten Brennglaseffekt Sonnenlicht so fokussieren, dass sich dadurch Feuer entzünden lässt. Aber können eine zurückgelassene Glasflasche oder Glasscherben im Wald tatsächlich einen Brand auslösen?

Der Forstwissenschaftler Alexander Held, der am European Forest Institute (EFI) zu natürlichen und menschengemachten Vegetationsbränden und deren ökologischen wie gesellschaftlichen Auswirkungen forscht, antwortet dem #Faktenfuchs auf die Frage:

"Das ist fast unmöglich mit einer Glasscherbe ein Feuer zu starten, sie müssten dann schon eine Lupe haben oder so eine Art Brennglas und dann kann man natürlich Feuer entfachen. Aber mit einer Glasscherbe ist das de facto unmöglich." Alexander Held, Forstwissenschaftler

Dieser Einschätzung schließt sich auch der Feuerökologe Johann Georg Goldammer vom Freiburger Zentrum für globale Feuerüberwachung des Max-Planck-Instituts (MPI) für Chemie an. Auch er beschäftigt sich mit der Erforschung von natürlichen und menschengemachten Vegetationsbränden.

Goldammer weist aber darauf hin, dass in Deutschland nach Waldbränden meist keine forensischen Untersuchungen durchgeführt werden, wie in den Vereinigten Staaten. Auch dort könne sich Goldammer nicht daran erinnern, "das tatsächlich bewiesen oder nachgewiesen wurde, dass ein Brand durch eine Glasscherbe entstanden ist", sagte der Feuerökologe dem #Faktenfuchs. Daher bezeichnen Held und Goldammer die Glasscherben-Theorie als eine "Mär".

Forscher versuchten Wald mit Glasscherbe anzuzünden

Unter Mitwirkung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der Technischen Universität Braunschweig ist 2006 dazu ein Feldversuch durchgeführt worden, um der Glasscherben-Behauptung auf den Grund zu gehen.

Dabei gingen die Forscherinnen und Forscher, darunter Geoökologen, ein Forstdirektor und ein Meteorologe, wie folgt vor: An 21 Sonnentagen legten sie Ende April und Ende Juli 2006 bei Temperaturen von gut 35 Grad Celsius fünf Glasscherben, die das Licht besonders stark bündeln, über eine Streuschale. Diese füllten sie mit trockenen Fichten- und Kiefernadeln, Gras und Kraut.

In den Feldversuchen wurden die Scherben an Stativen so zur Sonne und Streuoberfläche ausgerichtet, dass sie eine maximale Lichtkonzentration erzeugten. "Die Versuche wurden unter optimalen Bedingungen durchgeführt, wie man sie in der Natur typischerweise so gut wie nie antreffen würde", beschrieben die Forscher ihr Experiment.

Und trotz dieser perfekten Bedingungen ließ sich keine Zündung beobachten. Folglich bilanzierten die Forscher: "Waldbrände, hervorgerufen durch den Brennglaseffekt, sind unter den hiesigen Klimabedingungen als sehr unwahrscheinlich anzusehen." Neuere Studien mit DWD-Beteiligung gibt es bislang nicht.

Was kann einen Waldbrand entfachen?

Glasscheiben sind demnach sehr unwahrscheinlich Auslöser eines Waldbrandes. Doch was kann nun einen Waldbrand auslösen? Alexander Held vom European Forest Institute nennt als die drei häufigsten Ursachen: "Männer, Frauen und Kinder". Dem Forstwissenschaftler zufolge entstehen mehr als 90 Prozent aller Waldbrände durch Menschen. Meist seien Unachtsamkeit oder Fahrlässigkeit die Ursachen, meint der Experte für forstliches Risikomanagement.

Johann Georg Goldammer vom Max-Planck-Institut schätzt sogar, dass "fast 98 bis 99 Prozent" aller Feuer durch den Menschen entstehen. Der Feuerökologe gibt ebenfalls Fahrlässigkeit als eine der häufigsten Ursachen an. Als Beispiel nennt er, wenn "in der Landwirtschaft heiß gelaufene Maschinen ein Feld in Brand setzen und das Feuer von dort beispielsweise auch in den Wald hineinläuft". Die häufigste Ursache neben dem Menschen sind Goldammer zufolge andere natürliche Faktoren wie Blitzschläge, die aber "in Deutschland und in Gesamteuropa einen relativ kleinen Anteil" ausmachten.

Am Max-Planck-Institut gehen sie davon aus, dass "etwa ein bis maximal drei Prozent aller Brände in Wäldern oder Offenland durch Blitzschlag entstehen." In anderen Regionen auf der Welt sei das aber anders. Im US-Bundesstaat Kalifornien etwa, oder in Zentralasien, würden bis zu 30 Prozent der Entzündungen durch Blitzschläge entstehen.

Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) teilt auf #Faktenfuchs-Anfrage mit, dass zu den bekanntesten Ursachen von Waldbränden Brandstiftung, Fahrlässigkeit (z.B. offenes Feuer, weggeworfene brennende Zigaretten, heißer Motor über trockener Grasfläche, land-/forstwirtschaftliche Aktivitäten, Entzündung an Bahn-/Stromtrassen) und in einem geringeren Ausmaß natürliche Ursachen (z.B. Blitzschlag) Auslöser für einen Waldbrand seien.

Wolfgang Kurtz von der Agrarmeteorologie des DWD weist aber darauf hin, dass die Ursachen in vielen Fällen unbekannt seien. Die Erfassung von Informationen zu Waldbränden erfolge durch die zuständigen Forstbehörden. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat diese gesammelt. Eine Übersichtsseite zur Waldbrandstatistik in Deutschland und den einzelnen Bundesländern finden Sie hier.

Warum ein heiß gewordenes Auto einen Waldbrand entfachen kann

Dass Autos im Wald gefährlich werden können, liegt am Katalysator. Pkw mit Katalysatoren wandeln durch chemische Reaktionen Schadstoffe in ungefährliche Stoffe um, damit sich weniger schädliche Stoffe im Abgas befinden. Die am Unterboden eingebauten Katalysatoren können allerdings zum Problem werden, erläutert Johann Georg Goldammer vom Max-Planck-Institut im #Faktenfuchs-Interview. Denn "wenn Autos mit Katalysatoren auf einer Grasfläche geparkt werden, dann kann tatsächlich der Katalysator das Gras entzünden, und daraus entwickelt sich ein Brand".

Laut dem Deutschen Kraftfahrzeug-Überwachungs-Vereins (Dekra) besteht eine solche Brandgefahr immer dann, wenn "ein Fahrzeug mit heißem Motor und Abgasanlage auf einer Fläche mit trockenen Gräsern, Heu oder Stroh abgestellt wird." Denn Teile von Motor und Abgasanlage könnten "heiß genug werden, um dann unter dem Auto einen Brand auszulösen." Dafür aber benötigt es Goldammer zufolge verschiedene Voraussetzungen. Da der Katalysator einige dutzend Zentimeter über der Bodenoberfläche am Pkw befestigt ist, bedürfe es Kontakt zum Boden.

Entscheidend dabei sei die feine Struktur des Brennmaterials, eben beispielsweise trockenes Gras: "Damit hier eine Berührung stattfinden kann zwischen dem Brennmaterial und dem Katalysator ist zum Beispiel stehendes trockenes Gras ein Kandidat", erklärt Goldammer. Bei einem Holzstück, so Goldammer, das mit einem heißen Katalysator in Kontakt komme, "würde es schon etwas dauern, bis das Holz sich entzündet."

Eine genaue Angabe darüber, wie oft ein heiß gelaufener Katalysator eines Pkw einen Waldbrand entfacht, gibt es auch in der Übersichtskarte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (siehe oben) nicht. Derlei Auslöser werden laut Goldammer unter der Brandursache "Fahrlässigkeit" geführt.

Fazit

Dass ein Waldbrand durch Glasscherben ausgelöst wird stufen Experten als sehr unwahrscheinlich ein. Bislang sind keine derartigen Fälle bekannt. Gleichwohl gilt es, bei trockenen Wetterlagen und erhöhter Waldbrandgefahr Vorsicht walten zu lassen. Autos mit einem durch die Fahrt heiß gelaufenen Katalysator können laut Experten aber einen Waldbrand entfachen. Dazu aber müsse der Katalysator mit einem Brennmaterial in direkten Kontakt kommen, das eine "feine Struktur" aufweist, wie beispielsweise trockenes Gras.

Anmerkung: Dieser Text wurde am 24.06.22 um 08.50 Uhr aktualisiert. Hintergrund ist der Satz zu steigenden Temperaturen, denn Hitze führt nicht zwangsweise zu Trockenheit. Die Trockenheit ist aber eine Voraussetzung für Waldbrände. Vielen Dank für Ihre Rückmeldungen!

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