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Münchner OB Reiter Rucksäcke auf der Wiesn verbieten?

"Es ist eine wirklich schlimme Zeit", sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter nach einer bedrückenden Woche in Bayern. "Wir müssen realisieren, dass es absolute Sicherheit nicht mehr gibt". Im Interview mit B5 aktuell bringt Reiter ein Rucksackverbot für das Oktoberfest ins Gespräch.

Stand: 25.07.2016

Münchens OB Dieter Reiter, Bilder eines Jahres vom Wahlkampf 2014 bis zum Frühjahr 2015 | Bild: picture-alliance/dpa

Der Schock über die Ereignisse von Würzburg und München ist noch nicht verarbeitet, da haben wir die nächsten schlimmen Nachrichten. Was sind Ihre Gefühle angesichts dessen, was wir aus Ansbach hören?

Es ist so, dass wir gar nicht geglaubt haben, dass es schon das nächste Ereignis gegeben hat. Es ist eine wirklich schlimme Zeit. Eine große Bedrücktheit hat auch die Bevölkerung in Bayern erreicht. Was, glaube ich, besonders ist, dass wir diese Grundeigenschaft der Menschen, zu verdrängen und zu sagen, bei uns passiert das nicht, aufgeben mussten. Und dass wir einfach realisieren, dass es eine absolute Sicherheit in dieser Zeit nicht mehr gibt.

Wenn wir den Blick nach München richten – von verschiedenen Seiten heißt es: Die Stadt sei nach diesem Wochenende nicht mehr dieselbe. Sehen Sie das auch so?

Wir sind zumindest für diese Woche nicht mehr ganz dieselbe, weil ein solch bedrückendes und erschreckendes Wochenende, natürlich nicht einfach spurlos vorübergeht. Ich hatte gestern und vorgestern einen Blick auf den Marienplatz geworfen. Ich habe schon das Gefühl, dass einfach schon eine gedämpfte Stimmung in der Stadt herrscht. Ich habe deshalb auch gebeten, dass wir als Stadt in dieser Woche keine Veranstaltungen mit lauter Musik und mit Feiern machen. Das gebietet der Respekt vor den Opfern und deren Angehörigen und Familien. Ich habe vorgestern mit dem Ministerpräsidenten vereinbart, dass wir am kommenden Sonntag in einer Messe und einem Trauerakt im Landtag deutlich machen, dass wir mit unseren Gedanken bei den Opfern und den Hinterbliebenen und auch bei den vielen Verletzten sind, die zum Teil noch ums Überleben kämpfen.

Was das langfristig mit einer Stadt macht, kann ich noch gar nicht einschätzen. Ich glaube jedenfalls, dass ich als Oberbürgermeister mein Leben ganz normal weiterleben werde.

Wie ohnmächtig haben Sie sich am Freitagabend gefühlt angesichts der Ereignisse in Ihrer Stadt?

Ich war ja hautnah dabei im Lagezentrum. Insoweit war ich zumindest immer sehr zeitnah informiert. Die Münchnerinnen und Münchner haben überragend reagiert. Ich fand es auch überragend, das muss ich einfach noch sagen, dass Menschen in dieser Situation anderen Menschen, die sie nicht kennen, die Tür aufmachen und sagen: „Kommt rein“ - in der Situation, in der man weiß, dass vielleicht draußen geschossen wird. Eine Solidarität wie wir sie in München schon mehrfach erlebt haben, aber in dieser Situation war sie besonders wichtig.

In ganz Deutschland hat die Arbeit der Behörden viel Lob bekommen: Die Arbeit der Einsatzkräfte, von Polizei, von Rettungsdiensten und vielen anderen Beteiligten. Wird es für all die noch einmal eine Art Dank geben – über die Worte hinaus?

Das werde ich gerne dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister überlassen. Ich bin nach wie vor der Meinung, es war ein perfekter Einsatz, insbesondere auch die Informationspolitik über Social Media, über die man die meisten Menschen erreichen konnte. Dass man da immer den richtigen Ton trifft und keine Panik erzeugt, war schon bemerkenswert. Da kann man der Polizei nur gratulieren.

Welche Konsequenzen werden Sie jetzt für die Zukunft ziehen – auch mit Blick auf anstehende große Ereignisse wie das Oktoberfest?

Wir werden jetzt noch intensiver mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei natürlich über das Thema Oktoberfest reden. Da wird man nachdenken müssen, ob man zum Beispiel Rucksäcke verbietet. Das sage ich ganz offen, denn seit Ansbach wird jeder Verständnis haben, dass wir über solche Maßnahmen nachdenken müssen. Eine objektive, absolute Sicherheit auf dem Oktoberfest – die gab es nie und die wird es auch in Zukunft nicht geben.

(Interview: Tim Heller/ Protokoll: Birgit Beck)


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