Security-Kontrollen vor dem meterhoch eingezäunten Schuleingang, Drogendealer auf dem Spielplatz, Scherben und Hundekot in der Parkanlage: Für Kinder und Jugendliche gibt es definitiv angenehmere Orte zum Aufwachsen als die Berliner Gropiusstadt. Der Alltag in dem von Armut geprägten Neuköllner Bezirksteil ist oft so kalt und grau wie der Beton der Plattenbauten. Ein falscher Blick, und schon drohen Verbal- oder Prügelattacken. Lukas, 15 Jahre alt, Protagonist der Romanverfilmung "Sonne und Beton", weiß, dass Wegducken die beste Überlebensstrategie ist. Als Biodeutscher in einem von türkischen und arabischen Clans regierten Viertel gerät er dennoch regelmäßig auf die Abschussliste. Sein alleinerziehender Vater? Ist hilflos.
Der Brennpunkt als Nabel der Welt
Das Leben in Berliner Brennpunkten ist in den vergangenen Jahren ausführlich dokumentiert worden. In Filmen wie "Tigermilch" oder "Prinzessinenbad", in Serien wie "Para", "Dogs of Berlin" oder der erfolgreichsten der genannten Produktionen: "4 Blocks". Als die ersten Folgen der Clan-Serie 2017 auf der Berlinale Premiere feierten, kam auch Felix Lobrechts Debütroman "Sonne und Beton" in den Handel. Den Vorwurf, er würde nur einem Hype folgen, kann man zumindest dem Buchautor Lobrecht nicht machen.
Der heute 34-Jährige, mittlerweile einer der erfolgreichsten deutschen Comedians und Podcaster, erzählt von seiner eigenen Jugend in der Gropiusstadt, vermengt Drama mit Humor und Fiktion mit Autobiographie. Was wahr und was erfunden ist, wie oft und intensiv er und seine Freunde sich auf illegale und manchmal selten dämliche Abwege begeben haben, hält er bis heute unter Verschluss. Dennoch setzt Lobrecht, der die Filmrechte nur unter der Bedingung vergeben hat, selbst am Drehbuch mitzuwirken, auf Authentizität.
Hat das "street credibility"?
Die jungen Hauptdarsteller sind Laien und kommen wie ein Großteil der Nebenfiguren aus Neukölln. Inhaltlich geht es weniger um die Darstellung krimineller Energie, als um die Perspektivlosigkeit der Kiez-Kids. Dementsprechend nah ist die Kamera an ihnen dran, und folgt ihnen hektisch, wenn sie wieder vor dem Leben davonrennen.
Die Sprache ist oft schmerzhafter als die gezeigte Gewalt, die im familiären Umfeld ebenso stattfindet wie auf der Straße. Sie suchen nach einem Ausweg, nach Anerkennung und Vorbildern und enden doch nur in einem Spießrutenlauf ohne Zielgerade. Selbst wenn sie Ablenkung im Kiffen, Komasaufen und willkürlichen Anbaggern von Mädchen suchen, greifen früher oder später Frust und Aggression um sich.
Den tristen Alltag vergessen
Lukas und seine Kumpels drehen sich im Kreis, ein Happy End ist ihnen nicht vergönnt. Alles schon gesehen, alles schon gehört, mit mehr Substanz und weniger deplatziert wirkendem Witz, könnte man jetzt sagen, und damit gar nicht mal so falsch liegen. Ein solches Urteil dürfte aber vorrangig aus privilegierteren Kreisen kommen. Für sie ist "Sonne und Beton" ohnehin nicht gemacht.
Der Film ist im Jahr 2003 angesiedelt, könnte aber ebenso in der Gegenwart spielen. Er ist ein liebevoll-derbes Manifest für all jene, die wenig mehr haben als Freundschaften, also Menschen, mit denen sich weglachen lässt, was belastet. Mehr braucht es oft nicht, um den tristen Alltag für einen Moment zu vergessen.
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